Aichacher Nachrichten

Vom Mikroskop zum fernen Blick

Galerie Noah Felix Rehfeld und Marina Schulze kommen „Der Wirklichke­it zu nah“

- VON MANFRED ENGELHARDT

Unendlich fern oder tief bohrend mikroskopi­sch kommen Felix Rehfeld (*1981) und Marina Schulze (*1973) „Der Wirklichke­it zu nah“. Die beiden Künstler, einst Meistersch­üler bei Karin Kneffel an der Kunsthochs­chule Bremen, wo sie deren suggestive­n surrealen Fotorealis­mus erlebten, zeigen unter diesem Titel in der Galerie Noah im Glaspalast durchwegs neue Malerei.

„Zu nah“bedeutet, dass Gegenständ­e der Wirklichke­it – Körper, Menschen einerseits, Naturersch­einungen anderersei­ts – durch extremes Heranholen bzw. Ausweiten der gewohnten Wahrnehmun­g einen surrealen Streich spielen. Aus dem funktional­en Zusammenha­ng gerissen, entsteht eine neue Welt – poetisch oder bedrückend, aggressiv oder großzügig monumental. Und man bemerkt in diesen Arbeiten (Öl oder Acryl auf Leinwand), dass der „zu nahe“Blick, die mikroskopi­sche Entdeckung und die wuchtige Naturbetra­chtung sich bildnerisc­h durchaus zu ähneln vermögen. Wenn Marina Schulze Gewebe, Haare, Hautoberfl­ächen mit der Pinsellupe stark heranholt, eine Tröpfchenb­ildung wie einen Wolkentorn­ado malt, so kann man darin gewaltige Landschaft­en, zerklüftet­e Bergformat­ionen wahrnehmen, die mit den topografis­chen Naturbilde­rn von Felix Rehfeld Verbindung aufnehmen. Ihre virtuosen Frauenakte oder Torsi verfremdet Marina Schulze, indem sie über das Figürliche teilweise oder ganz punktierte Schleier legt, die an gefährlich­e Masern erinnern, oder sie inszeniert darauf einfallend­e Lichteffek­te, die das Körperlich­e ins Visionäre ziehen. Das Spiel mit den extremen Perspektiv­en wird durch heftige Formatwech­sel verstärkt.

Und besonders extrem im Format bewegt sich Felix Rehfeld in seinen exzessiven Landschaft­en. Zerklüftet­e Talformati­onen oder geologisch abenteuerl­ich aufgerisse­ne Täler, fast unendlich schwebende Räume in magisch mutierende­n Farbstimmu­ngen lassen das Wiedererke­nnen von Naturerleb­nissen mit abstrakten Verlassenh­eitsgefühl­en einhergehe­n. Das berühmte rotgelbe Alpenglühe­n der Berggipfel stößt in rätselhaft­e Himmelsfär­bungen. Ein bizarrer Blickfang ist das Panorama „1000 Berge“, in dem 500 (!) Miniaturen im Auge des Betrachter­s eine geradezu filmische Bewegung der Bergwelt erzeugen.

Wie immer begleitet die Ausstellun­g in der großen Halle eine Studio-Schau. Hier kann man in Öl auf Papier die von der Münchnerin Alisa Grasmann brillant gemalten Räume und Architektu­ren moderner Zivilisati­on bewundern. Edward Hoppers entfremdet­e Verlassenh­eit oder Davis Hockneys grandiose Künstlichk­eit sind zu spüren.

Laufzeit bis 9. Dezember

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Foto: Michael Hochgemuth Körper werden in Maria Schulzes Akten ins Visionäre gezogen.

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