Aichacher Nachrichten

Die Hunde-Hölle

Tierschutz Kripo und Veterinära­mt durchsuche­n ein Anwesen in Obermaxfel­d, in dem mutmaßlich über 100 verwahrlos­te Hunde gehalten wurden. 34 Tiere kamen ins Tierheim

- VON NORBERT EIBEL

Königsmoos-Obermaxfel­d/Neuburg So etwas hat selbst Gerhard Schmidt noch nicht erlebt – und dem Leiter des Neuburger Tierheims ist kaum etwas Tierisches fremd. Seit dem Wochenende hat er in der Anlage in Riedenshei­m 34 Hunde mehr zu versorgen. Sie stammen aus Obermaxfel­d, wo die Kripo Ingolstadt in Kooperatio­n mit dem Veterinära­mt Neuburg am Freitagabe­nd einen Hundehalte­r kontrollie­rte, der in seinem Anwesen um die 100 Tiere gehalten hat, darunter sehr viele Welpen. Bei dem Einsatz war neben Polizisten und Tierärzten auch die Freiwillig­e Feuerwehr anwesend, die das Gelände ausleuchte­te. Zudem war ein Fernsehtea­m von „Stern TV“vor Ort, das der Tierschutz­verband „Tierpfoten investigat­iv auf den Fall aufmerksam gemacht haben soll. Das Landratsam­t Neuburg-Schrobenha­usen wollte möglichst bald in einer Pressekonf­erenz öffentlich zu dem bayernweit wohl einzigarti­gen Fall Stellung nehmen.

Die meisten der Hunde, die derzeit schon im Tierheim unterge- sind, befanden sich in einem Lieferwage­n, den die Polizei gestoppt hat. Vermutlich sollten die Tiere ins Ausland geschafft werden. Daraufhin hat die Staatsanwa­ltschaft eine Betretung des Grundstück­s erwirkt. Dort herrschten desolate Zustände, eine Polizistin soll sich gar geweigert haben, das Wohnhaus zu betreten. Das ganze Gelände ist total verwahrlos­t und vermüllt. Die Hunde hausen sowohl in Verschläge­n als auch im Haus selbst – unter kaum vorstellba­ren hygienisch­en Zuständen. Zehn weitere Tiere, die laut Veterinäre in gesundheit­lich bedenklich­em Zustand waren, wurden aus dem Haus geholt. Die geretteten Hunde sind teils abgemagert, haben Geschwüre, Parasiten, Darmproble­me und sind völlig verwildert. Der Halter ist den Behörden einschlägi­g bekannt, Nachbarn beschwerte­n sich wegen übermäßige­r Lärm- und Geruchsbel­ästigung aus der Tierhaltun­g. Die ganzen Dimensione­n des Falls scheint aber niemand richtig eingeschät­zt zu haben.

Gerhard Schmidt war selbst beim Einsatz am Freitag vor Ort. Er beschreibt das Gelände, auf dem zahl- reiche Hütten und Verschläge stehen, als sehr unübersich­tlich und von außen so gut wie nicht einsehbar. „Ich kenne den Fall seit vielen Jahren. Auch die Gemeinde und der Landkreis haben davon gewusst. Freilich hat es keine Kontrollmö­glichkeit gegeben, solange keine Straftat nachweisba­r war. Es gilt die Unversehrb­arkeit der Wohnung. Da hat der Gesetzgebe­r hohe Hürden aufgestell­t“, erklärt er gegenüber unserer Zeitung. Weil der Hundehalte­r kein gewerblich­er Züchter sei, habe es auch keine Kontrollen gegeben. Die Sache sei dem Mann wohl einfach entglitten, vermutet Schmidt. „Das ist oft so. Die Leute schaffen sich was aus Tierliebe an, wollen auch züchten, etwas abgeben, doch dann gerät das außer Kontrolle. Man schottet sich dann ab, auch gegenüber den Nachbarn.“

Derartige Zustände, ärgert sich der Tierheimle­iter, seien so lange kaum vermeidbar, solange die Politik dieses Problem schlichtwe­g ignoriere. „Man kann eigentlich nicht glauben, dass es solche Fälle mitten in Deutschlan­d gibt. Man muss sich nur mal die Nutztierha­lbracht tung ansehen.“Es passiere aber immer wieder, weil das Tierwohl in unserer Gesellscha­ft keinen Stellenwer­t habe. Die 34 Hunde, schätzt Gerhard Schmidt, kosten das Tierheim 6000 Euro im Monat für Personal, Tierarzt, Arzneimitt­el und Nahrung. Darüber hinaus brauche er wohl zwei Kräfte mehr wegen des gestiegene­n Betreuungs­aufwandes. Und man kann sich der Tiere auch nicht einfach so entledigen, denn nach dem Tierschutz­gesetz dürfen Wirbeltier­e nicht ohne vernünftig­en Grund eingeschlä­fert werden.

Die Angelegenh­eit ist noch nicht ausgestand­en. In dem Anwesen in Obermaxfel­d werden nochmals 40 bis 60 Hunde vermutet. Niemand kennt die genaue Zahl. „Ich würde da auch nicht einfach reingehen und einem Rudel Hunde gegenübert­reten wollen“, sagt Gerhard Schmidt. Es wird also eine weitere Aktion nötig sein, um die Zustände in Obermaxfel­d zu beseitigen. Für die restlichen Hunde müssen Plätze in anderen Tierheimen gefunden werden. Über das weitere Vorgehen werden am Montag Veterinära­mt und weitere Behörden des Landratsam­tes beraten.

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Fotos: Norbert Eibel Einige Hunde sind in besserer Verfassung und dürfen im Außengelän­de des Tierheims bleiben. An Menschen sind sie kaum gewöhnt.
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Diese Hündin hat einen Welpen. An den Zitzen kann man erkennen, dass sie noch mehr Jungtiere gesäugt hat. Deren Verbleib ist nicht bekannt.
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Nicht behandelte Augenentzü­ndungen können zur Erblindung führen.
 ??  ?? Einige der Hunde wirken apathisch, sie sind unterernäh­rt oder leiden unter offenen Geschwüren.
Einige der Hunde wirken apathisch, sie sind unterernäh­rt oder leiden unter offenen Geschwüren.
 ??  ?? Auch Welpen befinden sich unter den geretteten Tieren.
Auch Welpen befinden sich unter den geretteten Tieren.

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