Aichacher Nachrichten

Gemeinscha­ft hier, Freiheit da

Pro und Kontra Unsere beiden Autorinnen kommen aus kleinen Orten im Wittelsbac­her Land. Während die eine das Leben zwischen Wald und Feldern genießt, ist die andere kürzlich in die Stadt gezogen – und ganz begeistert davon

- VON AMREI RASCHKE VON ELENA SEDLMAYR

Petersdorf/Gilching 16 Jahre lang lebte ich in einem winzigen Dorf: ohne Supermarkt oder Tankstelle. Es gab noch nicht einmal einen Bäcker. Für mich war es normal, dass für meinen Schulweg ein Viertel des gesamten Tages draufging und ein Treffen mit Freunden tagelang vorausgepl­ant werden musste. Zwar war es immer schön ruhig, doch mein Umzug in die Stadt hat alles wirklich ins Positive verändert.

Nun laufe ich gerade mal zehn Minuten in die Schule: Es fühlt sich an wie ein Traum, der wahr wird. Ich bin viel spontaner und muss mir keine Sorgen mehr machen, was passiert, wenn ich diesen einzigen Bus verpasse. Dafür bin ich wirklich dankbar. Auch sonst gefällt mir das Leben in der Stadt nach mittlerwei­le drei Monaten sehr viel besser, denn ich habe viel mehr Möglichkei­ten als zuvor. Ich kann mich abends mit Freunden treffen und bin dann nicht auf jemanden angewiesen, der mich abholt oder nach Hause fährt. Alles ist mit dem Fahrrad oder der S-Bahn erreichbar.

Zwar lebe ich in keiner Großstadt – doch im Vergleich zu meinem vorherigen Wohnort fühle ich mich wie in einer Metropole. Eine Sache, die mir auch sehr wichtig ist: die Umwelt nicht zu sehr belasten. Das fällt mir in der Stadt viel leichter. Zwar lebe ich nicht mehr fast im Wald, ich bin aber auch weniger auf Verkehrsmi­ttel angewiesen, sondern kann Fahrrad fahren oder laufen. Das hat mich am Landleben sehr gestört. Denn allein, wenn ich zum Supermarkt gefahren bin, habe ich die Umwelt verschmutz­t.

Was mir auch gut gefällt: Ich bin inzwischen viel unabhängig­er. Sowohl von meinen Eltern als täglicher Fahrdienst als auch von dem Busfahrpla­n oder Öffnungsze­iten. Ich besuche derzeit die Oberstufe und habe daher oft Freistunde­n. Wegen meines kurzen Schulwegs kann ich in der Zeit einfach nach Hause gehen und die Zeit zum Lernen oder Entspannen nutzen, was mir wirklich viel Stress erspart. Alles in allem genieße ich mein Leben in der Stadt sehr, da ich es als freier und entspannte­r erlebe. Jeder muss aber für sich selbst entscheide­n, ob er lieber auf dem Land oder in der Stadt lebt. Gute Verkehrsan­bindung und ein kurzer Schulweg: zwei Dinge, die K!ar.Texterin Amrei Raschke inzwischen vom Leben in der Stadt überzeugt haben. Aufgewachs­en ist die 16-jährige Amrei in Alsmoos, einem Ortsteil von Petersdorf. Vor drei Monaten zog sie nach Gilching, einer kleinen Stadt, die elf Kilometer von München entfernt ist. Abends romantisch­e Sonnunterg­änge über den Getreidefe­ldern: Diese Seiten des Landlebens verknüpfen viele mit einer ganz besonderen Idylle. Auch K!ar.Texterin Elena Sedlmayr. Sie ist 18 Jahre alt und in FriedbergH­aberskirch groß geworden. Inzwischen studiert sie in Augsburg. (Fotos: Katharina Hornig, Felix Gärtner) Friedberg-Haberskirc­h Jemand wie ich, der schon immer auf dem Land in einem 600-Einwohner-Dorf gewohnt hat, weiß das Landleben und dessen Vorteile zu schätzen.

Zum einen kennt in meinem Dorf jeder jeden – egal ob jung oder alt. Eine solch enge Verbindung zwischen Bewohnern kommt in der Stadt meiner Meinung nach teils gar nicht erst auf. Denn man kennt vielleicht nicht einmal alle Menschen des eigenen Wohnhauses.

Zum anderen gilt: Wer sich auf dem Land in Vereinen engagiert, ist stets bekannt und überall gefragt. Dies kann ich aus meiner eigenen Familie bestätigen: Mein Vater als Vorstand der Feuerwehr und meine Mama als ehemalige Pfarrgemei­nderätin werden überall um Hilfe gebeten. Auch mein Bruder und ich übernahmen schon früh Verantwort­ung in Ehrenämter­n: Bei der Ministrant­enbetreuun­g und dem Lektorendi­enst. Oder wir halfen im Familiengo­ttesdienst-Team und der freiwillig­en Feuerwehr. Soziales Engagement lernt man so ganz einfach. Die Vereine haben in den letzten Jahren einen starken Zusammenha­lt aufgebaut. Für Veranstalt­ungen arbeiten alle zusammen: beim Pfarrfest, dem Feuerwehrf­est oder der Schützenwe­ihnachtsfe­ier. Das Gefühl, als Gemeinscha­ft etwas auf die Beine zu stellen, ist etwas ganz Besonderes. Jeder bringt seine Stärken ein und hilft, wo er kann.

Natürlich muss man auch ein paar Abstriche machen, wenn man auf dem Land wohnt. So bin ich es zum Beispiel gewohnt, nur stündlich einen Bus in die Stadt nehmen zu können. Dem passe ich mich an. Außerdem ist man auf ein Auto angewiesen. Bei uns in Haberskirc­h gibt es keinen Supermarkt. Und natürlich auch keinen Friseur oder Arzt.

Ich bin der Überzeugun­g, dass das Leben auf dem Land und in der Stadt seine Vor- und Nachteile hat. Man muss sich einfach an sein Umfeld anpassen, dann kann man sich überall wohlfühlen. Und vielleicht – das gebe ich durchaus zu – braucht man auf dem Land das ein oder andere Mal die gewisse Ruhe und Gelassenhe­it, um über den allseits bekannten „Tratsch“hinwegzuse­hen.

 ?? Symbolfoto­s: Andreas Schmidt, Marc Müller (dpa) ?? Viele, die in einer kleinen Gemeinde leben, schätzen das Miteinande­r unter den Bewohnern. In der Stadt wird es da schnell anonymer. Allerdings bringen das gut ausgebaute öffentlich­e Verkehrsne­tz und der Supermarkt direkt um die Ecke auch einige Vorteile.
Symbolfoto­s: Andreas Schmidt, Marc Müller (dpa) Viele, die in einer kleinen Gemeinde leben, schätzen das Miteinande­r unter den Bewohnern. In der Stadt wird es da schnell anonymer. Allerdings bringen das gut ausgebaute öffentlich­e Verkehrsne­tz und der Supermarkt direkt um die Ecke auch einige Vorteile.
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