Auf dem See hebt er ab
Sportporträt Niklas Heinicke ist ein sehr erfolgreicher Wasserskifahrer. Aber der 20-jährige Friedberger musste in seiner Karriere auch viele Rückschläge wegstecken, so wie vor rund vier Wochen. Wie ihn seine Familie unterstützt
Friedberg-Harthausen An den Saisonabschluss vor vier Wochen denkt Niklas Heinicke nicht gerne zurück. Da kommen dem dunkelhaarigen Friedberger fast die Tränen. Die Schmerzen seiner Prellungen erinnern ihn noch zu sehr daran. Wehmütig erzählt der Wasserskifahrer von seiner Einladung zum WorldCup nach Schanghai. Der 20-Jährige war so stolz, bei der Weltspitze mitfahren zu dürfen und überhaupt eingeladen worden zu sein. Hier traten die 14 Besten der Welt an. Doch dann kam alles anders: Beim Sprung stürzte er schwer. Verdacht auf Lungenriss. Seine Eltern zu Hause machten sich große Sorgen. Doch er hatte Glück im Unglück. Unterhalb der Lunge war zwar Luft, aber es war kein Riss und er kam mit Stauchungen, Prellungen und einer Platzwunde am linken Auge davon.
Letztendlich belegte der Friedberger den 13. Platz und kam wieder heil zu seiner Familie nach Hause. Heinicke steckte es weg und schaut schon wieder nach vorne. Das müsse man in seinem Sport. Doch warum macht man so etwas? Der Nervenkitzel sei es und das tolle Gefühl, das man beim Fliegen habe. „Die zwei Sekunden in der Luft sind es, die ich beim Springen genieße. Das gibt mir mehr, als irgendeinem Ball hinterherzulaufen“, lacht er.
Schon als Kind war Heinicke im Sommer jeden Tag am Wasserskilift am Friedberger See. Sein Vater fuhr leidenschaftlich gerne Wasserski. Aber auch sein drei Jahre älterer Bruder Philipp war vom Lift nicht wegzubekommen. Mit neun Jahren fing Niklas dann auch mit dem Training an und wurde Mitglied im Wasserskiverein Friedberg. Irgendwann kamen dann die Trainingslager und die Wettkämpfe hinzu. „Hier muss man in drei Disziplinen gut sein. Einmal im Trickski, dann beim Springen über die Schanze und beim Slalom, bei dem sechs Bojen zu umfahren sind“, sagt Heinicke. Aber gerade diese Kombination hat ihn immer besonders gereizt. Inzwischen ist er auf Weitenjagd. Bei einem internationalen Wettkampf in Österreich sprang er im August dieses Jahres bemerkenswerte 55,60 Meter weit: seine persönliche Bestweite.
Mit 18 Jahren war er das erste Mal eingeladen, bei der Europameisterschaft mit den Herren mitzufahren. Auch dort verletzte er sich. Ein Jahr später versuchte er es nochmals und kam wieder verletzt zurück. Heuer hat es endlich geklappt. Und durchhalten lohnt sich: In Deutschland ist er im Moment der beste Fahrer im Trickski und im Springen, in der Weltrangliste steht er auf dem sechsten Platz.
Aber noch mehr als die Wettkämpfe schätzt er sein Team – „seine große Familie“. „Wir halten alle zusammen und das ist toll“, freut sich Heinicke. So wird jeder Wettkampf für ihn zu einem besonderen Erlebnis. „Für Urlaube habe ich keine Zeit mehr, deshalb schaue ich mir nach den Wettkämpfen die Landschaft und Sehenswürdigkeiten in den einzelnen Ländern an.“Er ist viel unterwegs. Heuer war er in der Slowakei, in Holland, in Österreich und in der Ukraine.
Neben seiner kaufmännischen Ausbildung ist das schon eine Herausforderung. Aber nach dem Fachabitur wollte er erst einmal et- was arbeiten und entschied sich für eine Lehre. Und wie kann es anders sein: Sein Arbeitgeber ist nur ein paar Hundert Meter vom Friedberger See entfernt. „Dann muss ich nicht so weit fahren“, schmunzelt der 20-Jährige, der in Harthausen wohnt und dort auch aufgewachsen ist. Unterstützt wird er nach wie vor von seinen Eltern. Vater Horst ist heute Schiedsrichter und auf den Wettkämpfen oft dabei. „Manchmal wird das sogar zu einem Familienausflug“, lacht Heinicke. Seit letztem Jahr hat er auch einen Sponsor, der ihm die neuesten Trick-Ski zur Verfügung stellt. Darüber hat er sich sehr gefreut. „Deshalb möchte ich insbesondere meinen Eltern danken, die mich in all den Jahren so viel unterstützt haben und viele Kosten tragen mussten, wie die nötige Ausrüstung, die Hotelkosten und vieles mehr.“
Unterstützung hat er inzwischen auch von seinem Bruder Philipp. Er hat sich vor zwei Jahren so sehr am Sprunggelenk verletzt, dass er nicht mehr aktiv fährt und dafür jetzt die Trainerrolle übernimmt. Ein Traum von Heinicke wäre die Olympiade 2024. „Man setzt gerade alles dran, dass Wasserski doch noch olympisch wird, und das wäre klasse“, sagt der Sportler, der sofort mit dabei wäre. Im Winter hält er sich gerne mit Boxen fit: seiner zweiten großen Leidenschaft. Drei- bis viermal in der Woche sind da schon drin. Aber es sind ja nur noch ein paar Monate, dann kommt schon wieder die Zeit des Wasserskifahrens.
„Für Urlaube habe ich keine Zeit mehr.“
Niklas Heinicke