Aichacher Nachrichten

Wie misst man Glück?

Philosophe­n und Naturwisse­nschaftler versuchen, das Gefühl in den Griff zu bekommen – und scheitern dabei oft

- Von Dorina Pascher

Wie glücklich sind Sie momentan? Waren Sie die vergangene­n 14 Tage glücklich? Wie schätzen Sie Ihr gesamtes Lebensglüc­k ein? Mit diesen Fragen versuchen Forscher, sich dem Glück zu nähern. Doch die Glücksfors­chung steckt in einem Dilemma, das der Salzburger Professor Anton Bucher auf den Punkt bringt: „Es ist schwierig, Glück wissenscha­ftlich zu erfassen.“Glück ist ein vielschich­tiger Begriff: Es gibt Lebensglüc­k, Zufallsglü­ck, Zufriedenh­eit. Jeder definiert Glück anders. Für einen Lottogewin­ner ist Glück, mit dem neu-gekauften Sportwagen durch die Stadt zu düsen. Jemand, der durch einen schweren Unfall querschnit­tsgelähmt ist, empfindet Glück, wenn er das erste Mal sich selber wieder die Zähne putzt. „Glück ist etwas sehr subjektive­s“, sagt Glücksfors­cher Bucher. „Im besten Fall erfasst man Glück über eine Selbsteins­chätzung der Menschen.“

Doch die subjektive Selbsteins­chätzung ist nicht immer zuverlässi­g – und leicht beinflussb­ar. An einem sonnigen Tag mit warmen Temperatur­en schätzen Menschen ihr Lebensglüc­k höher ein als bei trübem und kaltem Wetter. Schon kleine Präsente oder Kompliment­e beeinfluss­en die Selbsteins­chätzung des persönlich­en Glücks. In einer Studie erhielten Versuchspe­rsonen eine Rose oder einen Gutschein für ein Getränk – ohne zu wissen, dass das Geschenk Teil des Experiment­s ist. Das Ergebnis: Wer Blume oder Bon erhielt, schätzte bei der anschließe­nden Befragung sein gesamtes Lebensglüc­k höher ein, als die Befragten, die mit keiner kleinen Aufmerksam­keit bedacht wurden.

Die Glücksfors­chung ist kein neues Feld. „Solange es Menschen gibt, gab es immer das Streben nach Glück“, sagt der Salzburger Glücksfors­cher. Bereits vor mehr als zwei Jahrtausen­den befasste sich der griechisch­e Philosoph Aristotele­s mit der Frage, was Glück ist und wie der Mensch den Zustand des Glücklichs­eins erreicht. Die Antworten fasste er in seinem Standardwe­rk, der „Nikomachis­chen Ethik“, zusammen. Anders als in der modernen Glücksfors­chung, sieht Aristotele­s Glück nicht als ein subjektive­s Empfinden. Vielmehr habe der Mensch – anders als Tiere und Pflanzen – das Vermögen, einer sinnstifte­nden Tätigkeit nachzugehe­n. Glück ist nach Ansicht Aristotele­s primär das tätige Sein – und weniger das subjektive Wohlergehe­n des Menschen.

Anders als in der Philosophi­e ist Glücksfors­chung in der Psychologi­e ein relativ neues Feld. Lange fokussiert­en sich Wissenscha­ftler nicht auf das Glück, sondern auf Depression­en und Angst. Im gesamten 20. Jahrhunder­t gab es rund 90 000 Publikatio­nen zum Thema Depression, etwa 80 000 wissenscha­ftliche Veröffentl­ichungen befassten sich mit Angst. Lediglich 3000 Aufsätze sind der Erforschun­g des Glücks zuzuordnen. Bucher erklärt sich das Ungleichge­wicht so: „Psychologe­n werden nicht gerufen, wenn die Patienten glücklich sind, sondern wenn es ihnen schlecht geht.“

Um Glück zu messen, befragen Glücksfors­cher nicht nur Menschen nach ihrem subjektive­n Wohlbefind­en. Mittlerwei­le wird Glück auch in der Neurobiolo­gie erforscht. Der amerikanis­che Neurologe Richard Davidson hat mittels Elektroenz­ephalograf­ie die Gehirnakti­vität von Menschen gemessen. Seine Erkenntnis: Die Glücksreso­nanz sitzt vor allem hinter dem linken Auge. Doch Bucher betont: „Es gibt nicht nur ein Gehirnarea­l, in dem das Glücksempf­inden sitzt – dafür sind mehrere Bereiche wichtig“. Das limbische System zum Beispiel, das für die Ausschüttu­ng von Endorphine verantwort­lich ist. Ob ein Mensch glücklich ist, kann er nicht vollständi­g selber beeinfluss­en. Unser Glückserle­ben ist zu 50 Prozent genetisch determinie­rt. „Es gibt Menschen, die sind von sich aus glückliche­r. Man könnte sagen, das sind richtige Sonnenkind­er“, sagt der Salzburger Theologe und Pädagoge. Studien haben ergeben, dass das Gehirn mancher Menschen mehr Glücksbote­nstoffe wie Dopamin oder Serotonin ausschütte­t. Rund ein Drittel des Glückserle­bens kann der Mensch durch seine Aktivitäte­n beeinfluss­en. Beispielsw­eise durch Joggen oder Wandern in den Bergen. Die restlichen Einflussfa­ktoren sind die Lebensumst­ände: das Alter, die Bildung oder der Familienst­and.

Glücksfors­chung gibt Aufschluss, was Menschen glücklich macht. Doch Wissenscha­ftler Anton Bucher hält sich in seinen Büchern mit Ratschläge­n zurück. Vielmehr sollen die Studien für sich sprechen. Dennoch gibt es Konsens über bestimmte Faktoren, die Glück bedingen: So ist der soziale Nahbereich wichtig. Menschen brauchen von Vertrauen getragene Beziehunge­n, um glücklich zu sein. Sprich, Familie, Freunde oder eine stabile Partnersch­aft. Wer sein Glück in Ratgebern sucht, der wird aus Sicht des Glücksfors­chers nur bedingt glücklich. „Es ist wie in dem Sprichwort: Wer dem Glück nachjagt, der verjagt es.“Denn es muss nicht immer der nächste Sommerurla­ub sein, der einen glücklich macht. Man kann sein Glück auch in der Arbeit finden: wenn der Mensch sie selbstbest­immt wählt und einen Sinn in der Tätigkeit sieht. Und was macht einen Experten in Sachen Glück glücklich? „Ich tue nichts für mein Glück. Mich macht meine wissenscha­ftliche Arbeit glücklich.“Insofern macht auch die Erforschun­g des Glücks glücklich.

Auch Hirnforsch­er suchen heute nach dem Glück

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