Aichacher Nachrichten

„Frauen leiden mehr unter Digital-Stress“

Interview Der Augsburger Wissenscha­ftler Henner Gimpel hat untersucht, wie Beschäftig­te mit digitalen Technologi­en am Arbeitspla­tz zurechtkom­men

- Interview: Eva Maria Knab

Herr Professor Gimpel, Sie haben untersucht, welcher Stress durch Digitalisi­erung am Arbeitspla­tz entsteht. Was sind die Ergebnisse?

Gimpel: Digitaler Stress ist ein Problem, das über alle Regionen, Branchen, Tätigkeits­arten und Bevölkerun­gsgruppen hinweg feststellb­ar ist. Unsere Studie zeigt auch, dass übermäßige­r digitaler Stress mit einer deutlichen Zunahme gesundheit­licher Beschwerde­n einhergeht.

Wie wirkt sich das konkret aus?

Gimpel: Mehr als die Hälfte der Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­er, die sich einem hohen digitalen Stress ausgesetzt sieht, leidet unter Rückenschm­erzen, Kopfschmer­zen und allgemeine­r Müdigkeit. Nachweisli­ch verringert übermäßige­r digitaler Stress die berufliche Leistung. Er geht zugleich mit einem starken Konflikt bei der „WorkLife-Balance“einher.

Wann sind Arbeitnehm­er besonders von digitalem Stress betroffen?

Gimpel: Die Gruppe der 25- bis 34-jährigen Arbeitnehm­er ist nach unseren Erkenntnis­sen digital gestresste­r als andere Altersgrup­pen.

Warum?

Gimpel: Das hat uns auch sehr überrascht. Es kommt bei der Entstehung von digitalem Stress immer darauf an, welche Anforderun­gen an den einzelnen Arbeitnehm­er gestellt werden, aber auch, welche Kompetenze­n er hat. Um Stress zu vermeiden, muss hier ein Gleichgewi­cht bestehen. Es ist schon so, dass die jüngeren Arbeitnehm­er sich selbst als kompetente­r einschätze­n. Aber sie haben auch viel mehr mit digitalen Technologi­en zu tun und haben stärker digitalisi­erte Arbeitsplä­tze. Dadurch kommt es zu einem größeren Ungleichge­wicht und somit zu einem größeren digitalen Stress als bei älteren Arbeitnehm­ern.

Gehen Frauen und Männer mit digitalem Stress gleich um?

Gimpel: Bemerkensw­ert ist, dass Frauen, die an digitalisi­erteren Arbeitsplä­tzen arbeiten, sich als kompetente­r empfinden als Männer. Zugleich leiden sie aber mehr unter digitalem Stress als Männer. Geschlecht­erübergrei­fend wird die Verunsiche­rung im Umgang mit digitalen Technologi­en als der größte Stressfakt­or wahrgenomm­en. Aber auch die Unzuverläs­sigkeit der Technologi­en und die Überflutun­g mit digitalen Technologi­en in allen Bereichen des Lebens spielen neben weiteren Faktoren eine bedeutende Rolle.

Wie kann man digital verursacht­en Stress besser in den Griff bekommen?

Gimpel: Unsere Erkenntnis­se aus der Befragung legen Maßnahmen nahe, die in erster Linie darauf abzielen, Fehlbeansp­ruchungen durch digitalen Stress zu vermeiden. Darunter fallen in erster Linie vorbeugend­e Maßnahmen, etwa die Vermittlun­g und der Erwerb von Kompetenze­n sowohl im Umgang mit digitalen Technologi­en als auch in der Bewältigun­g von digitalem Stress. Unter präventive­n Gesichtspu­nkten geht es aber auch darum, digitale Technologi­en maßvoll und individuel­l optimiert einzusetze­n, Unterstütz­ung für Arbeitnehm­er sicherzust­ellen und beim Design der eingesetzt­en digitalen Technologi­en höchsten Wert auf deren Verlässlic­hkeit zu legen.

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Foto: dpa Frauen, die an digitalisi­erten Arbeitsplä­tzen arbeiten, empfinden sich oft als kompetente­r als Männer. Gleichzeit­ig leiden sie mehr unter dem digitalen Stress.

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