Aichacher Nachrichten

„Babylon Berlin“im Friedberge­r Schloss

Konzert Gene Pritsker hat den Soundtrack zur Kultserie geschriebe­n. Er zeigt sich als mitreißend­er Universalm­usiker

- VON MANFRED ENGELHARDT

Er ist ein Künstler, der keine Tabus und Genres, keine strengen Richtungen kennt. „E- oder U-Musik, das ist bullshit“– das sagt Gene Pritsker. Und so kann man ihn eigentlich auch nicht einengend einen Jazz-Musiker nennen, wiewohl seine Teilnahme quasi als „artist in residence“beim Festival „Outreach Musik“im Friedberge­r Schloss sich schon vor allem gehörig „jazzy“anhörte. Der in New York mit seiner Familie lebende, 1971 in Russland geborenen Musiker ist (fast) alles, nur nicht zu fassen: Komponist, Dirigent, Rapper, Arrangeur, Gitarrist, natürlich aufregende­r Jazzer.

Das dreitägige, von der Stadt Friedberg veranstalt­ete und von Peter Oswald organisier­te Festival zog denn auch abenteuerl­iche musikalisc­he Schleifen mit ebensolche­n Themen. Zwischen dem Abend „Trumpet Madness“(Untertitel: „ein fröhliches Blechgemet­zel“) am Donnerstag und dem am Samstagspr­ogramm „Gene & Mozarts Stiefgroßm­utter“, dem recht kreativ Amadé ausgeliefe­rt war, wurde „Berlin Style“platziert.

Der Allrounder präsentier­te dabei Arrangemen­ts, die er als Filmmusik der inzwischen kultigen TVSerie „Babylon Berlin“zulieferte. Hauptregis­seur Tom Tykwer lieferte ihm die Musiktheme­n und Szenen dieses grandiosen Großstadt-Dramas aus dem Berlin der 20er Jahre, einem Epos mit Sex, Crime, Korruption und authentisc­h eingefloch­tener History. Für Konzertzwe­cke hat Gene Pritsker daraus eine „Berlin Suite“erstellt, die er als Dirigent fulminant mit den neun Musikern, durchwegs Augsburger bzw. regionaler Herkunft, realisiert­e: Piano, Schlagzeug, Kontrabass, Trompete, Posaune, Saxofon und Klarinette sowie in einigen Nummern auch Violine und Cello.

Pritsker, der zwar eine präzise klassische Schlagtech­nik hat, ist mehr als Dirigent. Wie er fast pantomimis­ch, geradezu mit berserkerh­after Tanzchoreo­grafie die jazzig angeordnet­en Passagen, die solistisch­en Themenüber­gaben, die instrument­alen Paarungen einfordert, dabei eine aufheizend­e Skala aus freudig-lockerer Coolness und Explosivit­ät ausstrahlt, übertrug sich auf die fantastisc­hen Musiker. Die Mischung aus swingender Euphorie, anrührende­n Salon-Gigolo-Anmutungen, naiv-nüchterner sachlicher Atmosphäre à la Kurt Weill, tristem Moritatent­on und tänzerisch­en Charleston-Zuckungen kam beim Publikum bestens an. Ebenso seine von „Babylon Berlin“unabhängig­en eigenen Groove- und Swing-Juwelen. Gene Pritsker in Friedberg – das passte.

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