Wie sicher sind unsere Schulen?
Bildung Seit dem Vorfall an der Wittelsbacher Grundschule wird über die Sicherheitskonzepte an Augsburger Schulen diskutiert. Auch eine Schließung während des Unterrichts hindert Erwachsene nicht am Zutritt, wie ein Beispiel zeigt
Vor vier Wochen schockierte die Tat eines 21-Jährigen an der Wittelsbacher Grundschule im Antonsviertel die Bürger. Der mutmaßliche Täter ging mit einem Mädchen auf eine Schultoilette, um es zu missbrauchen. Die Neunjährige entging wohl nur deswegen einer Vergewaltigung, weil sie um Hilfe schrie und eine Mitschülerin einen Lehrer informierte, der den 21-Jährigen überwältigen konnte. Sicherheit an Schulen ist zwar nicht erst seit diesem Vorfall ein Thema – doch rückte es nun einmal mehr in den Fokus, bestätigt auch Schulamtsdirektorin Waltraud Görs.
Die Sicherheitskonzepte der Schulen waren Thema bei Elternabenden, aber auch bei Gesprächen zwischen Bildungsreferat, Schulamt und Polizeipräsidium. „Von den zuständigen Beamten des Polizeipräsidiums Schwaben-Nord wurde die hohe Qualität der Sicherheitskonzepte der Augsburger Schulen hervorgehoben“, betont Waltraud Görs. Seit Jahren sind die Schulen verpflichtet, in Zusammenarbeit mit ihrer zuständigen Polizeiinspektion ein Sicherheitskonzept zu erstellen. Einmal jährlich, jeweils zum Schulbeginn, wird dieses geprüft und gegebenenfalls aktualisiert.
Ein Teil der Augsburger Grundschulen hat sich schon vor dem Vorfall für eine Schließung entschieden. Das bedeutet, dass Personen während der Schulzeit klingeln müssen, um Eintritt zu bekommen „Inwieweit eine Schließung der Schulen tatsächlich die Sicherheit für die Kinder erhöhen würde, wurde ebenfalls intensiv diskutiert“, so Görs. Auch eine Schließung könne keine 100-prozentige Sicherheit garantieren, ist sie sich sicher. „Es bleibt unbenommen, dass jemand, der in ein Gebäude kommen möchte, dies auch schaffen wird.“Eine Schließung würde nur eine „trügerische Sicherheit“suggerieren und die Wachsamkeit senken.
In den vergangenen vier Wochen sei jedenfalls keine weitere Augsburger Schule mit dem Wunsch ei- ner Schließung an das Schulamt herangetreten. „Nach dem Vorfall im vergangenen Jahr im Herrenbach war das anders“, erinnert sich Görs. Damals war an der Grund- und Mittelschule im Herrenbach eine anonyme Drohmail im Sekretariat eingegangen, in der eine Gewalttat angekündigt wurde. Der Schulkomplex wurde damals von der Polizei abgeriegelt und Raum für Raum von Beamten mit Sprengstoffhunden untersucht. Eine konkrete Gefährdungslage gab es damals nicht.
Dennoch habe die Aktion Schulen dazu bewogen, ihr Gebäude abzuschließen. Görs: „Jede Schule, die eine Schließung wünscht, wird entsprechend ausgestattet. Die dafür nötigen baulichen beziehungsweise technischen Maßnahmen werden vom Schulverwaltungsamt ausgeführt.“Doch mit einer Schließung des Schulgebäudes sei es nicht getan. Das Sicherheitskonzept einer Schule müsse auch gelebt werden, so die Schulamtsdirektorin.
Elternbeirat und Schulleitung der Birkenau-Grundschule in Lechhau- sen haben erst neulich durch eine Aktion wieder auf die Grundideen ihres Sicherheitskonzepts aufmerksam gemacht. Das sieht vor, dass Kinder, die morgens von einem Erwachsenen zur Schule gebracht werden, sich an der Eingangstür verabschieden und dann allein ihr Klassenzimmer aufsuchen. Schüler, Eltern und alle weiteren Personen, die später zur Schule kommen oder dort einen Termin haben, müssen ab acht Uhr an der dann verschlossenen Eingangstüre klingeln. Die Sekretärin lässt schließlich alle zugangsberechtigten Personen hinein.
So möchte die Schule verhindern, dass unbefugte Personen Zutritt zum Schulhaus erhalten. Schulpersonal und Lehrer sind dazu angehalten, alle Erwachsenen anzusprechen, die sich im Schulhaus aufhalten. „Es halten sich sehr viele Eltern im Schulhaus auf. Das führt dazu, dass niemand weiß, ob unter den Eltern auch fremde Personen sind, die nicht zur Schule gehören. Bitte bleiben Sie draußen !!!! “, steht in einem Elternbrief, den die Mitglieder des Elternbeirats verteilt haben. Elternbeiratsvorsitzende Gisela Shahiko stand eine Woche täglich vor der Schule und sprach mit den Eltern. „Uns wäre wichtig, dass die Eltern nicht mehr direkt vor der Schule parken, weil sich bei der An- und Abfahrt von rund 50 Autos unübersichtliche und gefährliche Situationen ergeben. Daneben sollen die Eltern auch nicht mehr mit ins Schulhaus gehen“, sagt sie.
Die Realität sieht anders aus. Kurz vor acht Uhr parken die Eltern im absoluten Halteverbot direkt vor der Schule. Zwei, drei Mütter und Väter huschen ins Schulhaus hinein. Unbeeindruckt von dem Transparent, das im Eingangsbereich mit großen Lettern auf das Konzept hinweist. „Ab hier gehe ich alleine“, steht darauf. Gründe für die Missachtung gibt es viele: Weil Mutter oder Vater schnell der Lehrerin noch etwas sagen wollen oder sie ihrem Kind den vergessenen Turnbeutel hinterhertragen. Auch an anderen Schulen, die während der Schulzeit abgesperrt sind, kommt es nicht selten vor, dass Eltern anderen wartenden Personen die Tür aufhalten. „Das Sicherheitskonzept funktioniert nur, wenn Eltern dies auch akzeptieren und unterstützen“, weiß Schulleiterin Bettina Barwig.
Die Überlegungen des Schulamts richten sich darauf, wie Kinder durch Präventionsmaßnahmen gestärkt, die Schulfamilie sensibilisiert werden könne. Görs: „Durch Trainings werden Verhaltensweisen geübt, die Kinder in schwierigen Situationen helfen.“
Polizist Klaus Kratzer führt solche Kurse seit Jahren mit Augsburger Grundschulkindern durch. In sechs Schulstunden lernen sie, sich durch Körpersprache und den Einsatz ihrer Stimme zu behaupten. Kratzer: „Das zielt nicht nur auf körperliche Übergriffe ab, sondern hilft auch in vielen Alltagssituationen.“
Einmal jährlich wird das Konzept überprüft
Besucher müssen an der Tür klingeln