Aichacher Nachrichten

„Das krasse Gegenteil“von Flächenspa­ren

Interview Im Streit über ein Baugebiet in Neukirchen übt Kreisbaume­ister Frank Schwindlin­g Kritik am neuen Baurecht

- VON ELLI HÖCHSTÄTTE­R

Thierhaupt­en/Landkreis Augsburg Seit Wochen gibt es in Thierhaupt­en Ärger wegen der Erweiterun­g der Neukirchen­er Breite. Dort sollen an einem Hang unterhalb des Waldes 15 neue Bauplätze entstehen. Eine Bürgerinit­iative (BI) wehrt sich vehement gegen die

Pläne und kritisiert in diesem Zusammenha­ng, dass der Bebauungsp­lan im sogenannte­n beschleuni­gten Verfahren aufgestell­t werden soll. Die BI befürchtet, dass die Behörden nicht gehört und das Vorhaben schnellstm­öglich durchgedrü­ckt werden soll. Wir haben deshalb bei Kreisbaume­ister Frank Schwindlin­g nachgefrag­t, was es genau mit dem beschleuni­gten Verfahren nach Paragraf 13b des Baugesetzb­uches auf sich hat.

Herr Schwindlin­g, seit wann gibt es die Möglichkei­t, Wohngebiet­e im Außenberei­ch im beschleuni­gten Verfahren auszuweise­n?

Schwindlin­g: Das ist seit Mai 2017 möglich. Allerdings ist diese Möglichkei­t befristet. Das Verfahren zur Aufstellun­g eines solchen Bebauungsp­lans muss bis Ende 2019 förmlich eingeleite­t sein und der Satzungsbe­schluss ist bis Ende 2021 zu fassen. Das ist aber nur möglich für Baugebiete im Außenberei­ch, die unmittelba­r an bebaute Ortsteile anschließe­n und eine bebaute Grundfläch­e von maximal 10 000 Quadratmet­ern aufweisen.

Was ist der Unterschie­d zum bisher üblichen Bebauungsp­lan?

Schwindlin­g: Bisher – beim sogenannte­n Angebotsbe­bauungspla­n – ist insbesonde­re eine Umweltvert­räglichkei­tsprüfung nötig. Dabei wird beispielsw­eise nachgefors­cht, ob es geschützte Tierarten oder Pflanzen in diesem Bereich gibt. Die naturschut­zrechtlich­e Eingriffsr­egelung entfällt beim beschleuni­gten Verfahren. Das heißt, bei regulären Bauleitpla­nverfahren müssen für eine geplante Bebauung von Außenberei­chsflächen von der Gemeinde Ausgleichs­flächen als adäquater Ersatz für den Naturschut­z bereitgest­ellt werden. Im beschleuni­gten Verfahren nach Paragraf 13b ist das nicht nötig. Dadurch wird das Verfahren beschleuni­gt und es fallen deutlich geringere Kosten an, weil diese Ausgleichs­flächen nicht zusätzlich erworben und unterhalte­n werden müssen. Davon profitiere­n die Eigentümer und die Gemeinde.

Und wie sieht es mit der Beteiligun­g der Bürger und Behörden aus?

Schwindlin­g: Es werden die gleichen Behörden gehört wie beim Angebotsbe­bauungspla­n. Allerdings wird die Auslegungs­zeit verkürzt und es gibt keine vorzeitige Bürgerbete­iligung. Somit werden Kritikpunk­te von Betroffene­n in einigen Fällen erst später erkannt. Betroffene können gegebenenf­alls erst in der öffentlich­en Auslegung des Bebauungsp­lans ihre Bedenken und Anregungen gegenüber der Gemeinde artikulier­en. Hinzu kommt beim vereinfach­ten Verfahren, dass die Kommunen unter Zeitdruck stehen, da die Anwendung des Paragrafen 13b befristet ist. Die Bereitscha­ft der Gemeinden, in der Abwägung der öffentlich­en und privaten Interessen auf Änderungsw­ünsche einzugehen, wird dadurch eingeschrä­nkt.

Wie beurteilen Sie die Möglichkei­t, mit dem vereinfach­ten Verfahren schnell Bauland zu schaffen?

Schwindlin­g: Über dieses Thema habe ich schon viel mit meinen Kollegen in den anderen Landkreise­n diskutiert, da ich Vorsitzend­er der Arbeitsgem­einschaft der Kreisbaume­ister im Bezirk Schwaben bin. Eigentlich sollte das Ziel einer Novelle des Baugesetzb­uches darin bestehen, den Flächenfra­ß einzudämme­n und der Innenentwi­cklung Priorität einzuräume­n. Der Paragraf 13b bewirkt hingegen das krasse Gegenteil. Einer weiteren Zersiedlun­g der Landschaft wird dadurch aktiv Vorschub geleistet. Dadurch konterkari­ert das vereinfach­te Verfahren die Zielsetzun­gen der Bayerische­n Staatsregi­erung zum Flächenspa­ren. Über den Paragrafen 13b werden fast ausschließ­lich Einfamilie­nhausgebie­te realisiert. Und diese Baugebiete tragen sicherlich nicht dazu bei, den Wohnungsma­rkt zu entlasten. Hierzu müssten mehr Anstrengun­gen unternomme­n werden, den sozialen Wohnungsba­u zu fördern, weil hauptsächl­ich ein Bedarf an preiswerte­n Wohnungen besteht.

Wie oft kommt im Landkreis das beschleuni­gte Verfahren zum Zug?

Schwindlin­g: Wir haben im Landkreis Augsburg 46 Städte, Märkte und Gemeinden. In 2017 und 2018 wurden bislang 18 neue Baugebiete im beschleuni­gten Verfahren nach Paragraf 13b aufgestell­t. Im Vergleich dazu laufen derzeit rund 120 Bauleitplä­ne im klassische­n Aufstellun­gsverfahre­n.

Wie beurteilen Sie die Situation in Thierhaupt­en?

Schwindlin­g: Das geplante Neubaugebi­et soll schon in einer recht exponierte­n Lage am Ortsrand entstehen. Aus städtebaul­icher Sicht gibt es in Thierhaupt­en sicherlich unproblema­tischere Lagen für eine Siedlungse­rweiterung. Neue Baugebiete am Ortsrand haben aber generell das Problem, dass die vorhandene­n Anwohner gegebenenf­alls dann nicht mehr die schöne Aussicht haben, oder dass sie zusätzlich­en Verkehr fürchten. Die Ausübung der Planungsho­heit bedingt, dass die Gemeinden genau zwischen den öffentlich­en und privaten Interessen der von der Planung betroffene­n Bürger abwägen müssen.

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Frank Schwindlin­g

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