Aichacher Nachrichten

Haben Investoren aus China zu viel Macht?

Industrie Warum Ex-Wirtschaft­sminister Gabriel sich in seinen Bedenken bestätigt fühlt

- VON MICHAEL STIFTER, STEFAN STAHL UND GREGOR PETER SCHMITZ

Augsburg Der überrasche­nde Führungswe­chsel beim Augsburger Roboterbau­er Kuka hat die Debatte um den Einfluss chinesisch­er Investoren neu entfacht. Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel, der zur Zeit der Übernahme von Kuka durch den chinesisch­en Haushaltsg­erätekonze­rn Midea Wirtschaft­sminister war, sieht sich mit der Ablösung von Vorstandsc­hef Till Reuter in seinen damaligen Bedenken bestätigt. Er nannte Deutschlan­d im Gespräch mit unserer Redaktion „die offenste Volkswirts­chaft der Welt“. Wenn das so bleiben solle, müssten aber auch andere offener werden, fügte er mit Blick auf China hinzu.

Reuter wird das Unternehme­n Anfang Dezember verlassen, obwohl er noch bis 2022 unter Vertrag stand. Nach Recherchen unserer Redaktion hat es Unstimmigk­eiten mit den chinesisch­en Besitzern gegeben, die mehr Einfluss auf das Tagesgesch­äft wollen. In der Belegschaf­t löste die Personalie Verunsiche­rung aus. Reuter, der Kuka aus einer schweren Krise geführt hat, genießt starken Rückhalt bei den Mitarbeite­rn. „Ich gehe nicht gern. Ich bin traurig, es geht aber weiter“, sagte er unserer Redaktion. Der Manager macht keinen Hehl daraus, wie hart dieser Abschied für ihn ist. In Anspielung auf die Farbe des Firmenlogo­s fügte er hinzu: „Einmal orange, immer orange.“

Teilnehmer einer internen Versammlun­g am Montagnach­mittag berichtete­n von einem emotionale­n Auftritt Reuters. Am heutigen Dienstagab­end will er sich bei einem Eishockey-Spiel der Augsburger Panther von den Beschäftig­ten verabschie­den, für die er spontan 1550 Tickets besorgt hat.

Knapp zehn Jahre lang war es unter Reuters Führung bergauf gegangen. Für 2018 erwartet der Roboterbau­er allerdings einen Umsatzrück­gang. Ob das genügte, um den Vorstandsc­hef infrage zu stellen? Der Mutterkonz­ern Midea ließ entspreche­nde Anfragen unbeantwor­tet. Und was bedeutet Reuters Abgang für die Zusage, dass der Standort Augsburg und die dortigen Jobs bis 2023 unangetast­et bleiben? Daran wollen sich die Chinesen halten. Augsburgs Wirtschaft­sreferenti­n Eva Weber sagte auf Nachfrage, Midea habe die Vereinbaru­ngen „ganz aktuell nochmals bestätigt“.

Der Krimi beschäftig­t auch die Bundespoli­tik. Plötzlich steht die Frage, wie gefährlich es ist, ausländisc­hen Investoren die Kontrolle über Technologi­e „Made in Germany“zu überlassen, wieder auf der Tagesordnu­ng. Das Bundeswirt­schaftsmin­isterium wollte die Personalie Reuter nicht kommentier­en. Und auch der neue bayerische Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger blieb stumm. Sigmar Gabriel fand dafür deutliche Worte: „Mit Till Reuter geht nicht irgendjema­nd, sondern die Person, die für viele als Garant für Standortsi­cherheit und eine angemessen­e unternehme­rische Unabhängig­keit stand.“

Gabriel sagte, dass die KukaÜberna­hme vor zwei Jahren nicht folgenlos geblieben sei: „Als Konsequenz haben wir begonnen, unsere außenwirts­chaftliche­n Instrument­e zu schärfen.“Er betonte, er habe „die Übernahme durch chinesisch­e Investoren kritisch gesehen“. Aber verhindern „konnten wir sie gegen den Willen der alten Eigentümer letztlich nicht“. Gabriel kritisiert­e vor allem die Investitio­nsbedingun­gen für deutsche Unternehme­n in China: „Gleiche Spielregel­n für alle muss das Ziel sein“, sagte er. „Davon aber sind wir noch weit entfernt.“Bei Kuka waren die Investoren zunächst positiv aufgenomme­n worden. Und hinter verschloss­enen Türen bekannte sich selbst Reuter am Montag zu den neuen Besitzern.

Im Leitartike­l erklärt Stefan Stahl, warum die Chinesen einen Fehler machen. Auf der geht es um die Ära Reuter bei Kuka.

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