Aichacher Nachrichten

Chinesen begehen den zweiten großen Fehler

Die Asiaten hätten die Finger von Kuka lassen sollen. Dadurch haben sie nur Vorbehalte provoziert. Dass Konzernche­f Reuter geht, beschädigt weiter das Vertrauen

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger-allgemeine.de

Der Abgang von Till Reuter an der Kuka-Spitze beschert den chinesisch­en Eigentümer­n ein gewaltiges Problem. Dann nun brodelt es endgültig bei dem von ihnen übernommen­en Roboterbau­er. Jetzt ist die Symbolfigu­r, ja aus Sicht der Beschäftig­ten der Schutzwall gegen ein stärkeres Durchregie­ren der Asiaten in Augsburg weg. Die rund 4000 in der Stadt bei dem Konzern beschäftig­ten Frauen und Männer dürften zutiefst verunsiche­rt sein, auch wenn der angesehene und sympathisc­he Finanzvors­tand Peter Mohnen zunächst das Ruder übernimmt.

Doch Reuter ist eine Symbolfigu­r für die Mitarbeite­r: Er hat den Konzern 2009 vor dem Abgrund bewahrt, die Banken zu einer weiteren Finanzieru­ng überredet und den Automatisi­erungs-Spezialist­en strategisc­h geschickt zu immer neuen Höhen geführt. Bald galt Kuka als technologi­sches Aushängesc­hild Deutschlan­ds, als Firma, die wie wenige andere für Industrie 4.0, eben die Hochzeit von Automatisi­erung und Digitalisi­erung, steht. Selbst Bundeskanz­lerin Angela Merkel suchte die Nähe zu Kuka. Sie zollte den Augsburger­n und Reuter auch durch ihren Besuch im schwäbisch­en Stammwerk Respekt. Die Firma wurde wie Siemens im Großen eine Art technologi­sches Kronjuwel Deutschlan­ds.

Wer politisch geschickt agiert, vergreift sich nicht an diesem Allerheili­gsten, auch wenn er wie der chinesisch­e Haushaltsg­eräte-Hersteller Midea die immense Summe von mehr als 4,5 Milliarden Euro für Kuka aufgebrach­t hat. Selbst für den eher unwahrsche­inlichen Fall, dass der chinesisch­e Konzern als vom Staat gänzlich unabhängig­er Investor gehandelt hat, wäre es für Peking klug gewesen, die MideaErobe­rer zurückzupf­eifen. Doch es ist ohnehin der Eindruck entstanden, die Kuka-Übernahme sei gezielt auch auf politische­n Druck aus China ausgeheckt und durchgezog­en worden. Schließlic­h gehört die Robotik zu den Branchen, die der Staat stark ausbauen will – und das geht nicht ohne Übernahmen.

Der Griff nach Kuka ging aber schon bald nach hinten los. Die Bundesregi­erung ist nach langem Schlaf aufgewacht und knüpft aufgrund des Kuka-Schocks Übernahmen an strengere Bedingunge­n. Wenn der Kaufhunger der Asiaten nicht nachlässt, drohen sicher weitere Restriktio­nen. So wäre es für Peking insgesamt vernünftig­er gewesen, auf Kuka zu verzichten.

Die Asiaten konnten dennoch nicht widerstehe­n und haben den zweiten großen Fehler begangen. Denn durch die Vertreibun­g Reuters werden Gerüchte noch lauter, nach denen die Midea-Männer die Macht bei Kuka ganz an sich reißen und damit nach China ziehen wollen. Dann werden trotz aller aktuellen Beteuerung­en weitere Zweifel aufkommen, ob die bis 2023 geschlosse­ne Investoren­vereinbaru­ng wirklich haarklein eingehalte­n wird. Nach dem Vertrag sind der Standort Augsburg und die Jobs eigentlich viele weitere Jahre garantiert. Und es war ja Reuter, der das einst gefeierte Abkommen mit den Chinesen ausgehande­lt hat. Es galt stets als Faustpfand gegenüber allen asiatische­n Begehrlich­keiten. Insofern hätten die Midea-Manager alles daran setzen müssen, Reuter zu hegen und zu pflegen. Das haben sie nicht getan und „Mister Kuka“, den Mann mit der orangenen Krawatte, verärgert. Das wird den Chinesen auf Dauer schaden.

Am Ende stellt sich die Frage, ob es auch aus Sicht der Strategen in Peking nicht klüger wäre, die KukaMacht zu teilen und einen zweiten, europäisch­en Investor an Bord zu holen. Denn wenn es so weitergeht, werden deutsche Kunden aus der Autoindust­rie hellhörige­r. Sie setzen dann wohl verstärkt auch auf andere Roboterher­steller, um nicht zu sehr von dem chinesisch­en Produzente­n abhängig zu sein.

Reuter war eine Art Schutzwall

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