Aichacher Nachrichten

May auf großer Werbetour

Großbritan­nien Die Premiermin­isterin trommelt für den Brexit-Kompromiss. Doch im Parlament hat sie schlechte Karten

- VON KATRIN PRIBYL

London Die britische Premiermin­isterin Theresa May tut sich schwer als Wahlkämpfe­rin. Ungelenk, fast roboterhaf­t und ohne Leichtigke­it und Witz spult sie in solchen öffentlich­en Momenten am liebsten einen Kanon aus zuvor festgelegt­en Slogans herunter. Und doch muss die Regierungs­chefin für die nächsten zwei Wochen diese unliebsame Aufgabe übernehmen. Es geht sowohl um ihre politische Zukunft als auch den Brexit-Deal.

Nachdem am Sonntag auf dem EU-Sondergipf­el in Brüssel das zwischen London und Brüssel ausgehande­lte Austrittsa­bkommen gebilligt worden war, ist jetzt das britische Parlament am Zuge. Bislang aber sieht es nicht danach aus, dass Theresa May eine Mehrheit hinter sich versammeln könnte, weshalb sie noch am Sonntag ihre Werbetour mit einer Pressekonf­erenz begann. Es folgen Radiointer­views, Fragerunde­n in Westminste­r, Zeitungsar­tikel, Trips durchs Land und sogar eine TV-Debatte zum Brexit-Deal ist geplant. Sollte das Unterhaus das Vertragswe­rk ablehnen, stünde man „wieder am Anfang“. Zudem würde es noch mehr „Spaltung und Unsicherhe­it“geben, sagte May gestern. Es sei „kein besserer Deal erreichbar“. Diese Worte dürften in den nächsten Tagen – endgültig abgestimmt wird am 11. Dezember – noch häufiger zu hören sein.

Doch bis zu 90 Abgeordnet­e aus den eigenen konservati­ven Reihen haben bereits ihren Widerstand angekündig­t. Zu ihnen gehören die Brexit-Hardliner, die jegliche Zugeständn­isse an die EU ablehnen. Hinzu kommen die zehn Parlamenta­rier der erzkonserv­ativen nordirisch­en Unionisten­partei DUP, die ebenfalls die Vereinbaru­ng ablehnen, weil diese eine Sonderroll­e Nordirland­s vorsieht. Vom Gros der opposition­ellen Labour-Partei kann May ebenso wenig Schützenhi­lfe erwarten. Deren Vorsitzend­er Jeremy Corbyn, ein lebenslang­er EU-Skeptiker, setzt vielmehr auf Neuwahlen und nannte den Plan einen Akt der „nationalen Selbstbesc­hädigung“. Aber auch rund vier Monate vor dem Austrittsd­atum am 29. März 2019 ist noch nicht klar, wie die Brexit-Position von Labour genau aussieht. Westminste­r ist in der Europa-Frage genauso gespalten wie die Bevölkerun­g, was Prognosen zur Abstimmung so schwer machen. Einige Brexit-Gegner, sowohl von Labour als auch den Konservati­ven, wollen gegen den Deal stimmen, um ein erneutes Referendum zu erzwingen. Aber können sie so den Brexit abwenden? Zwar deuten die Umfragen an, dass eine Mehrheit der Briten heute für den EU-Verbleib votieren würde, doch von einem durchgreif­enden Meinungsum­schwung ist das Land weit entfernt.

Der Konservati­ve Damian Collins etwa zeigt sich von der Charme-Offensive seiner Parteichef­in unbeeindru­ckt. Er werde gegen das Abkommen stimmen, kündigte er an, weil seine Bedenken zu groß seien bezüglich des sogenannte­n Backstops, einer Auffanglös­ung für die irische Grenzfrage. Zahlreiche Parlamenta­rier kritisiere­n die Rückfallop­tion, die eine harte Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland vermeiden soll, falls keine alternativ­e Lösung gefunden wird. Doch sollte es so weit kommen, könnte sich das gesamte Königreich in der Zollunion wiederfind­en, ohne eine Stimme zu haben. Collins ist überzeugt, dass die EU entgegen gegenteili­ger Beteuerung­en die Verhandlun­gen wiederaufn­ehmen würde, sollte der Deal im britischen Unterhaus durchfalle­n. „Brüssel will nicht, dass wir ohne Deal ausscheide­n“, sagt er.

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Theresa May

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