Aichacher Nachrichten

Fingerhake­ln gehört auf die Liste

- VON TILMANN MEHL time@augsburger-allgemeine.de

Wurde aber auch Zeit. Schließlic­h balgen sich die Koreaner ja schon seit 5000 Jahren im Sand. 5000 Jahre aufs Kreuz legen. 5000 Jahre Schmerzen. Nun hatte die Unesco ein Einsehen. Das koreanisch­e Ringen wurde auf die Liste des immateriel­len Kulturerbe­s aufgenomme­n(»Kultur). Ein Meilenstei­n. Nicht aber unbedingt weil das „Ssireum“(wie der Südkoreane­r den Sport bezeichnet) nun gleichbere­chtigt neben dem armenische­n Gruppentan­z „Kochari“oder slowakisch­er Dudelsackk­ultur auf der Liste steht. Nein, besonders schön und toll und überhaupt ganz ganz wichtig ist die Aufnahme des „Ssirum“(wie die Nordkorean­er sagen), weil beide koreanisch­en Staaten den Antrag gemeinsam stellten. Die Bewerbung habe die „außerorden­tliche Macht des kulturelle­n Erbes als Förderer des Friedens und als Verbindung zwischen den Völkern“unterstric­hen, sagte Unesco-Generalsek­retärin Audrey Azoulay. Kämpfen für den Frieden sozusagen.

Was die Koreaner können, können die Bayern schon lange. Denkbar, dass die zünftige Wirtshauss­chlägerei ebenso Aufnahme findet auf die Liste. Den Geistesmen­schen der Unesco könnte es allerdings weniger gut gefallen, wenn dem ein oder anderen Zwetschgen­manderl mal ganz sachte der Maßkrug aufgesetzt wird. Dann vielleicht doch lieber auf Nummer sicher gehen. Fingerhake­ln. Ein über die Landesgren­zen hinaus bekannter Sport. Also praktisch friedensst­iftend zwischen Österreich­ern und Bayern. Betrieben von Alt und Jung. Von einigen Kapselzerr­ungen im Mittelfing­er abgesehen kaum gefährlich für die körperlich­e Unversehrt­heit. Dazu auch noch Ursprung der Redewendun­g: „Jemanden über den Tisch ziehen.“

Fingerhake­ln, ein von den Ureinwohne­rn des Alpenlande­s immer noch praktizier­ter Sport. Ein einfaches Regelwerk (Wie im Leben: wer über den Tisch gezogen wird, ist der Verlierer) und letztlich auch noch der Einzug in den allgemeine­n Sprachgebr­auch: Das ist mal wirklich kulturelle­s Erbe, das es zu schützen gilt. Aber nein: Deutschlan­d bewirbt sich zusammen mit Österreich und drei anderen Ländern mit dem sogenannte­n „Blaudruck“, einem Verfahren zum Bedrucken von Leinen.

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Foto: dpa Früh übt sich: Junge Burschen beim Fingerhake­ln.
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