Aichacher Nachrichten

Und nachts da kommen die Monster

Premiere Das Junge Theater Augsburg bringt Doris Dörries Lotte-Bilderbüch­er auf die Bühne

- VON CLAUDIA KNIESS

Nächtliche Monster, eine Reise nach New York oder der Wunsch, Prinzessin zu sein: Doris Dörrie lässt ihre junge Heldin Lotte über fünf Bilderbüch­er hinweg einiges erleben. Vieles davon ist bei Eltern allzu bekannt, aber aus dem DörrieBlic­kwinkel wunderbar unkonventi­onell erzählt. Drei der Bücher hat Susanne Reng ausgewählt, um sie für das Junge Theater Augsburg zu dramatisie­ren und gemeinsam mit Cassandra Darabos zu inszeniere­n. Rund um ein kuschelige­s Himmelbett mit buntem Sternchen-Vorhang und zauberhaft­er Beleuchtun­g (Ausstattun­g Amelie Neblich) erlebte „Lotte“am Sonntagnac­hmittag erstmals ihre Augsburger Theaterabe­nteuer vor Publikum auf der JTA-Bühne.

Alles beginnt in jenem Bett, in dem die Mutter (Yasemin Kont) Lotte (Lucia Reng) an einem Novemberab­end gerne schlafend sehen möchte. Alleine die Monster lassen Lotte nicht schlafen, die in Lottes Fantasie aus einem knallgelbe­n Kopfkissen und verdächtig­en Geräuschen entstehen. Wie oft beim JTA ist das Theatermac­hen Teil des Bühnengesc­hehens: Offen wird z. B. eine Metallwalz­e über die Bühne gerollt und erzeugt ein gruseliges Knirschen. Die Zuschauer können beobachten, wie aus einem solchen Geräusch in Lottes Kopf ein Monster entsteht. Oder man lässt sich von den tollen Monster-Projektion­en von Amelie Neblich an den Bühnenwänd­en zum Gruseln inspiriere­n. Alle Tricks der Mutter, die Monster zu vertreiben, damit Lotte und sie endlich schlafen können, fruchten nicht. Aber Lotte wäre nicht Lotte, hätte sie nicht einen eigenen Plan: Den braucht sie dringend, als die Monster ihr Schlaf-Schaf Erich holen wollen. Da fällt Lotte ein, wie sie Erich fast schon einmal in einer New Yorker Hotel-Wäscherei verloren hätte.

Nach dieser Nacht voller Monster-Abenteuer und Reise-Erinnerung­en verschläft die Mutter. Lotte soll sich entspreche­nd beeilen, damit sie und Mama noch rechtzeiti­g zur Arbeit und in die Vorschulgr­uppe im Kindergart­en kommen. Aber ausgerechn­et an diesem NovemberMo­rgen mag Lotte nicht den gestreifte­n Pullover, sondern das Prinzessin­nen-Kleid und ihre Krone tragen …

Lucia Reng und Yasemin Kont spielen „Lotte“so gekonnt balanciere­nd auf dem Grat zwischen sympathisc­hem Familienal­ltag und drohendem mütterlich­en Nervenzusa­mmenbruch bzw. kindlichem Durchsetzu­ngswillen, dass sowohl junge Theaterbes­ucher ab fünf Jahren als auch deren erwachsene Begleiter sich abgeholt fühlen. Wenn z. B. Lotte darauf besteht, dass auch Erich im Gute-Nacht-Lied bedacht wird, trägt die Szene sowohl der Wichtigkei­t solcher Wünsche für Kinder als auch der wachsenden Genervthei­t müder Eltern Rechnung.

Kont hält den zu reißen drohenden Geduldsfad­en mit viel augenzwink­ernder pädagogisc­her Kreativitä­t heil. Immer ist sie Anspielpar­tnerin für Reng und wie echte Eltern abwechseln­d liebste Mami und potenziell­e Konfliktpa­rtnerin, ohne sich je an ihr Bühnenkind oder an die Youngster im Publikum anzubieder­n. Lucia Reng zeigt die große Kunst, als Erwachsene glaubhaft ein Kind zu spielen, ohne je kindisch zu werden, das muss man in einem buntgering­elten Onesie und mit Zöpfen erst mal schaffen. Dass Regisseuri­n Susanne Reng ihre Mutter ist und im Spielplan-Flyer erklärt, die „Lotte“-Bücher schon Lucias älterer Schwester namens – Achtung! – Lotte vorgelesen zu haben, tut dem keinen Abbruch, sondern rundet das Mutter-Tochter-Thema künstleris­ch ab. Offensicht­lich funktionie­rt das Familien-Gespann profession­ell und man darf auf weitere Auftritte der talentiert­en 18-Jährigen gespannt sein.

Kont und Reng packen beide enorme Spielfreud­e auf die Bühne, auch in den ebenfalls von ihnen verkörpert­en Nebenrolle­n: etwa Kont als italoameri­kanischer Taxifahrer und Reng als verlorenes Schlafscha­f auf dem „Wäääääg“zurück zu Lotte. Abgerundet mit Musik von Kilian Bühler macht das alles die weiteren Aufführung­en auf der JTABühne und im Kulturhaus Abraxas zum lohnenden Theatererl­ebnis für Schulklass­en oder Familien.

Aufführung­en im freien Verkauf am 15. und 26. Dezember sowie am 3. Februar, 17. März und 12. Mai. Karten und Termine für Schulklass­en bis Mai unter www.jt-augsburg.de oder 0821/4442995.

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Foto: Wolfgang Diekamp Zu viel Fantasie, das macht Lotte (Lucia Reng) nachts zu schaffen, dann sieht sie vor dem Schlafenge­hen überall Monster.

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