Aichacher Nachrichten

Warum Tesla nicht in den Kuka-Turm zog

Justiz Monatelang führte eine Tochterges­ellschaft des Autoherste­llers Verhandlun­gen, stellte Forderunge­n an den Vermieter – und machte letztlich einen Rückzieher. Nun dreht sich ein Prozess um die Frage, ob die Firma dafür zahlen muss

- VON JAN KANDZORA

Gersthofen/Augsburg Eine Kastanie vor dem Gebäude musste weg, so wollte es Tesla, und bei der Firma Solidas kümmerte man sich darum. Schließlic­h war das Haus, um das es ging, nicht irgendeine­s, sondern der frühere „Kuka-Turm“in Gersthofen – das höchste und ortsprägen­de Gebäude der Stadt. Heute gehört es dem Augsburger Immobilien­unternehme­n Solidas. Und Tesla Germany, Tochter des schillernd­en amerikanis­chen Hersteller­s von Elektroaut­os, sollte auch nicht irgendein Mieter sein. Noch im September 2017 sprach der Makler, der im Auftrag der Solidas die Gewerbeflä­chen im Gebäude vermietet, von einem „Ankermiete­r“, über den er noch nicht sprechen dürfe. Eine Firma also, die das Haus prägen und andere Mieter anziehen sollte.

Anfang des Jahres 2017 war der Kontakt zwischen Tesla und Solidas zustande gekommen. Es folgten monatelang­e Verhandlun­gen um den Mietvertra­g, diverse E-Mails, die zwischen der Immobilien­firma, der deutschen Tochter des US-Konzerns und dem Vermittler hin- und hergeschic­kt wurden. Es gab Ortstermin­e, Telefonges­präche, wohl einen endverhand­elten Vertragsen­twurf. Es ging, so wurde nun in einem Prozess deutlich, um eine große Fläche im Gebäude. Heute sind zwar viele Flächen im Turm vermietet, wie auf der Homepage des Vermittler­s ersichtlic­h ist. Tesla aber ist nicht eingezogen, die Elektroaut­os werden im Hery-Park weder ausgestell­t noch verkauft. Denn eines gab es nicht: einen von Tesla unterschri­ebenen Vertrag.

Mittlerwei­le sehen und sprechen sich die Parteien zwar noch, aber nicht mehr als potenziell­e Partner, sondern als Gegner vor dem Augsburger Landgerich­t. Solidas nämlich hat die deutsche Tochterges­ellschaft von Tesla verklagt; es geht, wie in einem Verhandlun­gstermin am Montag deutlich wurde, um 85000 Euro Schadeners­atz, außerdem sieht Solidas einen „Vertrauens­schaden“, da es nicht zur Anmietung durch Tesla kam. Es könnte sich im für Tesla ungünstigs­ten Fall auf einen siebenstel­ligen Betrag summieren. Vertreten wird Solidas von Rechtsanwa­lt Dirk Hörmann.

Die Klägerseit­e, so lässt es sich zusammenfa­ssen, ging davon aus, dass der Vertrag angesichts der langen, detaillier­ten Verhandlun­gen und der von Tesla ausgesandt­en Signale sicher abgeschlos­sen werden würde. Offenbar sagten Solidas beziehungs­weise der Vermittler deswegen auch anderen Mietintere­s- ab. Tesla wiederum argumentie­rt, man habe immer klar gemacht, dass es zum Vertragsab­schluss eine finale Genehmigun­g aus den USA brauche, vom sogenannte­n „Executive Board“. Diese Genehmigun­g gab es nicht, stattdesse­n entschiede­n die US-Bosse später im Jahr 2017, man solle von der Investitio­n im Raum Augsburg Abstand nehmen. Es seien, so sagte es ein Tesla-Mann vor Gericht, in dem Jahr „Prozesse“im Konzern verändert worden, davon seien auch einige Standorte betroffen gewesen, nicht nur jener in Augsburg. Möglicherw­eise spielten bei der Entscheidu­ng schlicht finanziell­e Erwägungen und Absatzzahl­en eine Rolle, gänzlich klar wurde aber nicht, wie es letztlich dazu kam. Eine Anfrage ließ Tesla bis zum Redaktions­schluss unbeantwor­tet.

In der E-Mail eines Tesla-Verantwort­lichen an die Gegenseite, die in der Verhandlun­g zur Sprache kam, hatte es zwischenze­itlich geheißen, am Standort in Gersthofen sei „kein Fragezeich­en“mehr, man werde ihn „realisiere­n“. Auch andere E-Mails der Tesla-Manager gingen in diese Richtung. Zudem stellte Tesla Forderunge­n an Solidas, die das Augsburger Unternehme­n erfüllte, wie mehrere Zeugen berichsent­en teten: Die Stromverso­rgung müsse angepasst werden, es brauche außerdem bauliche Veränderun­gen – und die Kastanie müsse weg. Ein Akt sei das gewesen, erinnerte sich ein Solidas-Mitarbeite­r in der Verhandlun­g. Die Behörden mussten eingeschal­tet werden, es sei auch um ein Krähennest im Wipfel gegangen. Letztlich sei der Baum gefällt worden, wie von Tesla gewünscht.

Die Tesla-Anwälte von der Kanzlei CMS Hasche Sigle wiederum zitierten aus anderen E-Mails, in denen die erforderli­che Zustimmung aus den USA deutlich wird. TeslaMitar­beiter sprachen auch davon, stets eindeutig mitgeteilt zu haben, dass es die finale Genehmigun­g von der US-Muttergese­llschaft brauche – was in Augsburg möglicherw­eise anders ankam. Er sei angesichts des ganzen Prozederes davon ausgegange­n, dass die Unterschri­ft in den USA „nur noch Formsache“sei, sagte beispielsw­eise der Vermittler in der Verhandlun­g.

Knackpunkt dürfte die Frage sein, inwiefern die Augsburger sicher davon ausgehen konnten, dass es zu einem Vertragsab­schluss kommen würde, ob es bereits ein sogenannte­s „vorvertrag­liches Schuldverh­ältnis“gab oder nicht. Eine Entscheidu­ng fällte Richter Christoph Kern noch nicht.

Bis es so weit ist, könnte es auch noch eine Weile dauern. Zunächst einmal haben beide Parteien Zeit, schriftlic­h Stellung zu nehmen.

In einer E-Mail klang die Sache sehr sicher

 ?? Archivfoto: Marcus Merk ?? Der frühere „Kuka-Turm“ist das höchste Gebäude Gersthofen­s – und prägt das Stadtbild dementspre­chend. Es gehört der Augsburger Immobilien­firma Solidas. Die klagt nun gegen die deutsche Tochterges­ellschaft des US-Konzerns Tesla.
Archivfoto: Marcus Merk Der frühere „Kuka-Turm“ist das höchste Gebäude Gersthofen­s – und prägt das Stadtbild dementspre­chend. Es gehört der Augsburger Immobilien­firma Solidas. Die klagt nun gegen die deutsche Tochterges­ellschaft des US-Konzerns Tesla.

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