Aichacher Nachrichten

Wer hat den Dachschade­n verursacht?

Justiz Ein Prozess dreht sich um die Frage, ob ein Handwerker absichtlic­h Fehler machte – um zu kassieren

- VON MICHAEL SIEGEL

Kleine Ursache, große Wirkung: Das zeigt ein Verfahren, das jetzt vor dem Amtsgerich­t begonnen hat. Es geht um einen Dachschade­n an einem Haus in Haunstette­n. Den soll ein Handwerker absichtlic­h angerichte­t haben, um so Zusatzeinn­ahmen für sich zu verursache­n. Bereits nach der Einvernahm­e der geschädigt­en Zeugin war für Richter Thomas Müller-Froelich klar: Die Sache ist noch nicht entscheidu­ngsreif, es braucht noch Nachermitt­lungen.

Im Sommer 2016 war eine Dachbaufir­ma in Haunstette­n mit Sanierungs­arbeiten beschäftig­t. Mitarbeite­r liefen die Nachbarsch­aft ab und fragten bei den Hausbesitz­ern nach, ob dort nicht auch etwas am Dach zu tun sei. Ja, sagte eine 62-jährige Kosmetiker­in, ihre Dachrinne könne von der Firma gereinigt werden, weil sie selbst dort nicht rankomme.

Einige Zeit später erschienen zwei (oder drei, die Zahl ist strittig) Handwerker und machten sich an die Arbeit. Der 46-jährige Angeklagte aus Altomünste­r (Landkreis Dachau) beschrieb gemeinsam mit seinem Rechtsanwa­lt Christian Fröha, was er und ein Kollege auf dem Dach getan hätten. Er schilderte auch, wie er laut Absprache mit der Hauseigent­ümerin zusätzlich zur Dachrinnen­reinigung auch Fenster und Kamine auf Reparaturb­edarf hin überprüft habe.

Nachdem er an einer Luke einige Dachziegel beiseitege­schoben habe, sei er auf eine untypische Ausbesseru­ngsstelle gestoßen: eine Bitumenbah­n unter den Ziegeln an der Luke. In dieser Bahn habe sich ein Kreuzschni­tt befunden. Das sei nicht unüblich, weil sich Fachleute anhand solcher Schnitte einen Einblick über die Situation unter Planen verschafft­en, sie würden den Schnitt aber danach verkleben. Nein, er selbst habe diesen Schnitt nicht angebracht, so der 46-Jährige auf Nachfrage des Richters. Er führe üblicherwe­ise kein dafür nötiges Hakenmesse­r mit sich.

Um die Hausbesitz­erin zu informiere­n, habe man sie herbeigeru­fen. So habe sich die Frau durch einen Blick aus der Dachluke zumindest einen seitlichen Eindruck von der Schadstell­e machen können. Wie besprochen, habe er der Frau eine handschrif­tliche Zusammenst­ellung von aus seiner Sicht nötigen Sanierungs­arbeiten an mehreren Stellen übergeben. Die Netto-Kosten bezifferte er auf rund 4400 Euro. Danach sei von der 62-Jährigen nichts mehr zu hören gewesen, erst wieder, als die Polizei in ihrem Namen auftauchte, um eine Anzeige wegen Sachbeschä­digung und Betrugs zu bearbeiten.

Die Hausbesitz­erin bestätigte vor Gericht generell das Vorgehen, sie habe sich aber teilweise von den Dacharbeit­ern überrumpel­t gefühlt. Die Kostenzusa­mmenstellu­ng von 4400 Euro habe sie sehr überrascht, nachdem erst wenige Jahre vorher das Dachgescho­ss des Hauses ausgebaut worden sei. Sie habe daraufhin einen befreundet­en Architekte­n zurate gezogen. Von einer anderen Dachbaufir­ma habe man den Sachschade­n durch den Schnitt schätzen lassen, 1100 Euro wurden genannt. Der Architekt habe die Schadstell­e provisoris­ch ausgebesse­rt, nachdem er die Mängel zunächst fotografie­rte. Schließlic­h habe sie Anzeige gegen den Handwerker erstattet.

Nachdem sich kurzfristi­g der mutmaßlich­e zweite Mann auf dem Dach als Zeuge beim Gericht abmeldete, weil ihm sein Zug davongefah­ren sei, stand für Richter MüllerFroe­lich fest, dass man nicht um einen weiteren Verhandlun­gstermin herumkomme­n würde. Das Verfahren wurde bis dahin ausgesetzt. Erst dann nach Nachermitt­lungen wird feststehen, ob der Angeklagte sich der Sachbeschä­digung und des versuchten Betrugs schuldig gemacht hat.

Parallel zu diesem Verfahren vor dem Strafgeric­ht streiten die Parteien auch zivilrecht­lich. Dabei muss herausgefu­nden werden, wer wem was für welche Arbeiten und welchen Schaden zu bezahlen hat. Eine komplizier­te Angelegenh­eit also.

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