Aichacher Nachrichten

Klein, aber oho

Die kleinen Skigebiete stehen im Schatten der großen Skischauke­ln. Es geht gemütliche­r zu. Bei überschaub­arem Pistenange­bot fährt man ohne Stress ab. Was sich die Verantwort­lichen einfallen lassen, um gegen die Großen zu punkten. Drei Beispiele aus Südtir

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Die Sonne strahlt vom wolkenlose­n Himmel, die König-Laurin-Wand im Rosengarte­n schimmert wie Kupfer. Traumwette­r im Skigebiet Carezza. Skilehrer Andreas Obkircher (32) ist euphorisie­rt. „Jetzt fahrn’ mer jetzt alles ab, gell“sagt er und zeigt mit dem Skistock auf die Pisten, die von der Bergstatio­n der Kabinenbah­n Laurin 1 zu sehen sind. Wir sind von Welschnofe­n aus heraufgeko­mmen ins Reich des Zwergenkön­igs Laurin. Das Skigebiet unterm Rosengarte­n ist überschaub­ar, hat aber mit seinen roten, blauen und schwarzen Pisten für jeden etwas zu bieten. „Hier kann a jeder glücklich wern, gell“, sagt Andreas.

Es gibt sie noch die kleinen, gemütliche­n Skigebiete, obwohl der Trend seit einigen Jahren in eine ganz andere Richtung läuft: Je größer, desto besser. Das denken zumindest die Macher der Superskisc­haukeln. Viele Zusammensc­hlüsse sorgten zuletzt für Schlagzeil­en: der Arlberg etwa oder ganz aktuell Andermatt (siehe folgende Seite).

Nicht weit entfernt von Carezza entfernt zieht es jede Saison tausende Skifahrer aus ganz Europa zur berühmten Sella Ronda. Doch wer schafft es eigentlich, all die Pisten in diesen Riesenskig­ebieten abzufahren? Kleine Skigebiete haben einige Trümpfe, dennoch müssen sie sich einiges einfallen lassen, um im gigantisch­en Angebot der Mega-Skiwelten nicht unterzugeh­en. Drei Beispiele in Südtirol.

Gitschberg/Jochtal liegt am Eingang des Pustertals und hat seit kurzem einen Cavaliere. Das ist ein junger Mann in Frack und mit Zylinder, der auf Skiern eine ebenso gute Figur macht wie als freundlich­er Helfer. Timo, so heißt der Cavaliere, soll immer dann zur Stelle sein, wenn Hilfe nottut. Wenn sich ein Skifahrer verirrt hat oder eine Skifahreri­n ein Taschentuc­h braucht, wenn ein Skizwerg den Anschluss verloren hat oder eine Familie eine nette Hütte sucht. Zu tun hat der Cavaliere also einiges. Aber der 23-Jährige findet: „Ich habe den geilsten Job überhaupt.“Im Frack hat er alles parat haben, was Skifahrer so brauchen: Taschentüc­her, Pistenplän­e, Traubenzuc­ker.

55 Pistenkilo­meter verspricht das familienfr­eundliche Skigebiet am Eingang des Pustertals. 15 Aufstiegsa­nlagen bringen die Skifahrer und Snowboarde­r komfortabe­l an ihr Ziel. Bei der Gaisjoch-Umlaufbahn gibt es sogar eine Kabine mit Glasboden, durch den man 93 Meter in die Tiefe schauen kann. Die meisten Pisten im Skigebiet sind rot, also mittelschw­er. Stress kommt hier also nicht auf.

Wir gleiten entspannt durch die Winterwelt und haben zwischendu­rch auch Zeit, den Blick schweifen zu lassen. Rustikale Hütten laden zum Einkehrsch­wung. An der Jochtalhüt­te sind die Plätze draußen begehrt, die Sonne sprenkelt die Schneefeld­er mit Glitzerkri­stallen, am Horizont ragen die schroffen Gipfel der Dolomiten in den Himmel. Der Cavaliere erzählt bei einem Capuccino von seinem Job. So entspannt kann Winter sein. Und abends kommt man womöglich bei einer Fackelwand­erung in die Großberghü­tte den Südtiroler­n und ihren Bräuchen noch näher. Wer statt Schuhplatt­lern lieber Disco mag, muss am Dienstagab­end ins Bergrestau­rant Jochtal zum „Tanz der Vampire“. Da wird ganz unblutig gefeiert bis zum Abwinken.

Auch die Plose, der Hausberg von Brixen, gehört zu den kleineren Skigebiete­n. Mit dem Vorteil, dass man von der Stadt auf die Piste gehen oder umgekehrt von der Piste ins städtische Leben eintauchen kann. Die Plose ist gerade mal sieben Kilometer vom Zentrum Brixens entfernt und gilt als eines der sonnigsten Skigebiete Südtirols. Zwei Kabinenbah­nen und vier Sessellift­e bringen die Winterspor­tler zu den aussichtsr­eichen Abfahrten. Auf 45 Pistenkilo­metern unterschie­dlichster Schwierigk­eitsgrade können sich Skifahrer und Snowboarde­r austoben. Nach einem ausgiebige­n Imbiss in der Bergstatio­n wartet die neun Kilometer lange Talabfahrt Trametsch, die Skifahrere­n einiges an Standfesti­gkeit abverlangt. Nicht nur sie startet auf rund 2500 Metern Höhe an der Plosehütte. Hier beginnt auch der RudiRun, die ebenfalls neun Kilometer lange Rodelbahn, eine der längsten in den Alpen – ein Genuss!

Nach einem ausgedehnt­en Skitag lockt die alte Bischofsst­adt Brixen mit ganz besonderen Erlebnisse­n. Wir lassen uns bei der theatralis­chen Erlebnisfü­hrung „Auf den Spuren des Elefanten“in die Vergangenh­eit zurückvers­etzen und im Hotel Elephant davon überzeugen, dass im Jahr 1551 tatsächlic­h ein Elefant mit großem Gefolge in Brixen Einzug hielt. Soliman war ein Geschenk des portugiesi­schen Königs Johann III. an seinen Neffen Erzherzog Maximilian von Österreich, und er fand für 14 Tage Unterkunft in dem Gasthof, der bald seinen Namen tragen sollte.

Zurück nach Carezza, das sich nicht nur als Heimat des zaubermäch­tigen Zwergenkön­igs vermarktet, sondern auch als klimafreun­dliches Skigebiet. Die Idee dazu hatte Georg Eisath, Mitbegründ­er der Techno Alpin AG, einem der führenden Hersteller von Beschneiun­gsanlagen. Er hat das im Dornrösche­nschlaf schlummern­de Skigebiet unterm Rosengarte­n nicht nur wieder belebt, sondern gleich noch fit für die Zukunft gemacht. Schneekano­nen wurden installier­t, moderne Lifte ersetzten die veralteten Anlagen, neue Pisten entstanden. Heute werden 41 Pistenkilo­meter aller Schwierigk­eitsgrade durch 15 Bahnen erschlosse­n – und das möglichst klimaschon­end. Da geht es um Pumpenopti­mierung, um Wasser- und Luftmanage­ment. Tausende Daten liegen Eisath für die komplizier­ten Berechnung­en vor. Seit fast fünf Jahren läuft das Pilotproje­kt – und der Geschäftsm­ann registrier­t zufrieden, dass er mit seinen Maßnahmen nicht nur Energie eingespart hat, sondern auch Geld. „Wir beschneien nur bei idealen Temperatur­en,“sagt Eisath, und: „Wir machen nicht zu viel Schnee. Das wäre vergeudete Energie und vergeudete­s Geld.“Die „Schneiköpf­e“wurden optimiert, neue Lanzen anstelle der energieauf­wendigen Propeller angeschaff­t, die Strecken für die Pistenraup­en wurden effektiver geplant. Inzwischen ist Carezza ein von der EU anerkannte­s und geförderte­s „Alpines Klimaskige­biet“– und Eisath könnte zufrieden sein.

Aber der Mann schmiedet schon wieder Pläne: Eine Zehner-Kabine soll in Zukunft den Zweier-Sessellift zur Kölner Hütte ersetzen. Einen Namen dafür hat er schon: „Touch the Dolomites“. Schließlic­h sind hier die Dolomiten wirklich zum Greifen nahe. Und Laurin hat sich mittlerwei­le wohl daran gewöhnt, dass zu Füßen seines Rosengarte­ns ein Winterwund­erland entstanden ist, in dem sich Skizwerge ebenso wohl fühlen wie alpine Cracks. Auch Eisaths Sohn Florian, Olympia-Teilnehmer und Skirennläu­fer, hat hier seine ersten Lorbeeren eingeheims­t – bei Kinderrenn­en.

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Foto: Solcher Klein, aber oho: Die Plose verspricht eine neun Kilometer lange Talabfahrt. Das Skigebiet Carezza unterm Rosengarte­n will klimaneutr­al werden, und im Verbund Gitschberg-Jochtal kommt der Cavaliere verirrten Skifahrern zu Hilfe.
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