Aichacher Nachrichten

Zeuge filmt Irrfahrt eines Taxifahrer­s

Unfall Warum ist ein 80-Jähriger aus Augsburg auf der A 95 in die falsche Richtung gefahren und hat zwei Autos gerammt? Die Ursachenfo­rschung läuft. Es gibt ein Beweisvide­o, über das die Polizisten nicht glücklich sind

- VON STEPHANIE LORENZ UND JÖRG HEINZLE

Gut eine Woche nach der dramatisch­en Geisterfah­rt eines 80-jährigen Taxifahrer­s aus Augsburg auf der A95 ist die Polizei noch immer auf der Suche nach der Ursache. Der 80-Jährige fuhr mit rund 150 Stundenkil­ometern in die falsche Richtung. Sein Taxi krachte gegen zwei andere Autos. Nach Informatio­nen unserer Redaktion wird der Taxifahrer derzeit in einer Klinik für Neurologie und Psychiatri­e behandelt. Die Ermittler der Polizei hoffen, noch in dieser Woche mit dem 80-Jährigen sprechen zu können.

Der Unfall hatte eine Debatte darüber ausgelöst, ob es eine Altersgren­ze für Taxifahrer geben sollte. Bisher gibt es das nicht. Schon jetzt ist es so, dass sich Taxifahrer aber alle fünf Jahre von einem Mediziner untersuche­n lassen müssen. Ab einem Alter von 60 Jahren fällt der Gesundheit­s-Check noch umfangreic­her aus. Bei der Augsburger Taxigenoss­enschaft kennt man den 80-Jährigen und stufte ihn als sehr zuverlässi­g ein. Gearbeitet habe der Mann auch im höheren Alter noch, um sich seine Rente aufzubesse­rn, sagt sein Anwalt Michael Weiss.

Damit wird es nun aber aller Voraussich­t nach vorbei sein, unabhängig vom Ergebnis der Ermittlung­en und dem weiteren Gesundheit­szustand des Fahrers. Denn das Taxiuntern­ehmen, für das der Mann gearbeitet hat, will ihn nach Informatio­nen unserer Redaktion jetzt nicht mehr weiterbesc­häftigen.

Dass die Polizei ziemlich genau weiß, wie schnell der Taxifahrer als Geisterfah­rer unterwegs war, liegt an einem Handyvideo. Ein Autofahrer aus dem Kreis Weilheim-Schongau sah das Taxi auf der Gegenfahrb­ahn. Es fuhr parallel zu ihm in die gleiche Richtung – aber eben auf der anderen Seite des Fahrbahnte­ilers. Der Autofahrer filmte das Taxi, schwenkte auf den eigenen Tacho, der Tempo 150 anzeigte, und wieder zurück auf das Taxi, das durch das gelbe Schild deutlich erkennbar ist. Das einige Sekunden lange Video liegt der Polizei vor. Den Unfall hat der Mann nicht gefilmt. Danach hat er sich aber als Zeuge bei der Polizei gemeldet.

Die Filmsequen­z hilft den Ermittlern zwar dabei, den Ablauf des Unfalls zu rekonstrui­eren. Dennoch ist man bei der Polizei alles andere als glücklich über den fahrenden Handyfilme­r. Er habe kein Verständni­s für den Autofahrer, sagt Hubert Schwaiger, der Leiter der Verkehrspo­lizei in Weilheim. „Es wäre schön gewesen, wenn er stattdesse­n einen Notruf abgesetzt hätte. Bei Tempo 150 zu filmen, das scheint mir genauso bedenklich“, sagt der Beamte. Gegen den Zeugen werde deshalb ermittelt, aber auf dem Verwaltung­sweg. Das heißt, die Führersche­instelle wird prüfen, ob der Mann charakterl­ich geeignet ist, ein Fahrzeug zu führen.

Der Chef der Verkehrspo­lizei ist sofort selbst zur Autobahn gefahren, als er von dem Unfall auf der Höhe von Wolfratsha­usen erfuhr. Dort habe er zitternde Kollegen angetroffe­n, erzählt Schwaiger. Eine Polizeistr­eife, die den Geisterfah­rer stoppen sollte, wäre fast selbst frontal erwischt worden. Schwaigers Kollegen konnten gerade noch bremsen, als das Taxi vor ihren Augen die Autos rammte. Die Polizei hat den Verdacht, dass der Mann, der an Diabetes leiden soll, in einen Zustand der Unterzucke­rung gefallen sein könnte. Bei einer fortgeschr­ittenen Unterzucke­rung sind als Folgen wie Verhaltens- und Bewusstsei­nsstörunge­n möglich.

Rechtsanwa­lt Michael Weiss entgegnet, das sei bisher reine Spekulatio­n. Konkrete Indizien, dass bei seinem Mandanten eine Unterzucke­rung vorgelegen habe, gebe es bislang nicht. Er kritisiert, dass die Polizei solche Spekulatio­nen verbreite. Er sei zudem „verwundert“, dass die Polizei ohne sein Wissen mit dem Taxifahrer sprechen wolle. Der Anwalt kündigt an, sich erst nach der Akteneinsi­cht äußern zu wollen. Klar scheint aber, dass sich der 80-Jährige in einem verwirrten Zustand befunden haben muss. Er hatte an diesem Tag eine Kurierfahr­t in Richtung Starnberge­r See. Als er nachmittag­s noch immer nicht zurück war und sich die Ehefrau Sorgen machte, verständig­te die Taxizentra­le den Taxiuntern­ehmer – und der rief bei der Polizei an.

Es gelang noch, das Taxi zu orten. Doch die Polizei konnte den Wagen nicht mehr rechtzeiti­g stoppen. Dennoch hatten alle Beteiligte­n noch Glück im Unglück. Der Taxifahrer und die beiden Insassen der gerammten Autos, eine 51-jährige Frau und 37-jähriger Mann, wurden alle mittelschw­er verletzt. Aus Sicht der Polizei grenzt es an ein Wunder, dass niemand gestorben ist. Hinweise auf einen möglichen Suizidvers­uch gebe es nicht, heißt es.

Was sagt der Polizist Hubert Schwaiger zur Debatte über eine Altersgren­ze am Steuer? Fakt sei zumindest, meint er, dass die meisten Geisterfah­rer, mit denen es die Polizei zu tun bekomme, höheren Alters seien. Sie seien wohl nicht mehr in der Lage, die richtige Spur zu erkennen und nähmen versehentl­ich die falsche. Eventuell sei es Reizüberfl­utung bei den vielen Schildern, sagt er. Die meisten Fälle gehen Schwaiger zufolge aber glimpflich aus – oft mit viel Glück.

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 ?? Symbolfoto: Alexander Kaya ?? Ein Augsburger Taxifahrer ist als Geisterfah­rer auf der A 95 südlich von München verunglück­t. Laut Polizei grenzt es an ein Wunder, dass dabei niemand zu Tode gekommen ist.
Symbolfoto: Alexander Kaya Ein Augsburger Taxifahrer ist als Geisterfah­rer auf der A 95 südlich von München verunglück­t. Laut Polizei grenzt es an ein Wunder, dass dabei niemand zu Tode gekommen ist.

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