Aichacher Nachrichten

Familie kommt Model-Casting seltsam vor

Geschäftsm­odell Eine Berliner Agentur hat in einem Augsburger Hotel Frauen und Männer gecastet. Für eine Bewerbungs­mappe wurden 600 Euro verlangt. Manche Besucher fanden das dubios. Was die Firma selbst dazu sagt

- VON INA MARKS

Die elfjährige Tochter der Familie Richter hat einen Traum, den wohl einige Mädchen in diesem Alter haben: Schauspiel­erin oder Model werden. Als Mitte November eine Modelagent­ur zu einem Casting ins Hotel Dorint einlädt, gehen die Eltern mit ihrer Tochter dorthin. Doch dann kommt dem Familienva­ter die Veranstalt­ung seltsam vor.

Warum genau sie die Einladung zu dem Casting im Briefkaste­n hatten, kann der 36 Jahre alte Vater nicht mehr sagen. Nur, dass sie ihrer Tochter zuliebe mit ihr an dem Sonntagmit­tag Mitte November zu dem Casting gingen. Wie er erzählt, fand es in Seminarräu­men des Hotels statt. In einem Zimmer warteten bereits einige Menschen. „Von vier Jahre bis 60 Jahre, Männlein, Weiblein – da war alles eingeladen“, erzählt Sebastian Richter. Ihm sei das komisch vorgekomme­n. „Ich hatte den Eindruck, dass nicht wirklich nach Talenten gesucht wurde“, schildert der Augsburger. Noch dubioser fand er das anschließe­nde Gespräch, das in einem anderen Raum geführt wurde. Als die Familie einen Vertrag unterschre­iben sollte, schrillten bei ihm endgültig die Alarmglock­en.

„Man wollte für Fotos, die von meiner Tochter gemacht werden sollten und für das Erstellen einer Sedcard (Anmerkung der Redaktion: eine Art Bewerbungs­mappe mit Fotos) 600 Euro“, berichtet Richter. Als er der jungen Mitarbeite­rin der Agentur Fragen stellte und vor ihr auf seinem Handy die Agentur googelte, sei diese unfreundli­ch geworden. Zudem habe sie zeitlichen Druck gemacht. Auch sei ihm nicht klar geworden, warum die Agentur, die auf der Einladung stand, eine andere war, als die im Vertrag. Als Richter letztendli­ch anmerkte, er glaube nicht, dass das alles mit rechten Dingen zugehe, habe die Dame ihr Buch zusammenge­klappt und das Gespräch beendet. Die Familie wurde nach draußen begleitet. Richter sagt, er hatte das Gefühl, er sollte nicht mehr mit den anderen Leuten im Wartezimme­r in Kontakt treten. Die Familie hat letztendli­ch wohlüberle­gt reagiert. Vor allem, wenn man sich die Empfehlung­en der Verbrauche­rzentrale Berlin ansieht. Auf deren Homepage wird unter dem Motto „Germany’s next Betrugsmas­che“vor übereilten Modelvertr­ägen gewarnt.

Eine seriöse Agentur werde keine Einwände haben, wenn ein Vertrag mit nach Hause genommen, gründlich durchgeles­en und erst dann unterschri­eben werde, so die Verbrauche­rzentrale. Ein Jurist erklärt gegenüber unserer Redaktion, dass es generell schwierig ist, Betrüger in dieser Szene rechtlich zu belangen. „Es handelt sich erst um einen Betrug, wenn die Firma tatsächlic­h noch nie Models vermittelt hat.“Staatsanwa­ltschaften würden sich in solchen Angelegenh­eiten schwer tun, weil meist doch irgendeine Vermittlun­g nachweisba­r sei. „Nicht alles ist strafbar, was an wirtschaft­lichen Geschäften gemacht wird“, ergänzt der Jurist. Die Agentur, die vor wenigen Wochen in das Hotel nach Augsburg eingeladen hatte, betont selbst ihre Seriosität.

Tatsächlic­h gebe es in der Branche schwarze Schafe, sagt Wolfgang Brandt, Geschäftsf­ührer der Orlando Media GmbH aus Berlin, die „Models of Germany“betreibt. Für diese Seite habe man in Augsburg nach neuen Gesichtern gesucht. „Wir distanzier­en uns von unseriösen Agenturen“, betont Brandt. Zwar sei man erst seit einem Jahr auf dem Markt, aber über „Models of Germany“habe man allein in einem Monat über 50 Models vermitteln können. Auf Vermittlun­g lege man großen Wert. „Wir suchen Schauspiel­er, Models, Komparsen. Viele unserer Auftraggeb­er kommen aus dem Werbeberei­ch.“600 Euro für eine Sedcard findet er gerechtfer­tigt. „Die Teilnehmer stehen zwei Jahre lang kostenlos in unserer Kartei. Das Einzige was berechnet wird, sind die Fotos. Dafür engagieren wir Fotografen und Visagisten.“

Bis zu 60 Fotos würden, so Brandt, bei einem Shooting gemacht, bearbeitet und bei „Models of Germany“auf die Homepage gestellt. „Außerdem bekommen die Leute ihre Bilder auf einem Stick mit.“Mit dem Tag in Augsburg sei er zufrieden gewesen. „Es kamen zwischen 70 und 100 Leute zum Casting.“Manch einer überlegte es sich kurz davor aber noch anders. Nicht nur die Familie Richter. Auch eine 33-jährige Frau sah letztendli­ch von einem Besuch ab, wie sie der Redaktion schrieb. Sie habe gehört, dass dieses Casting eine Abzocke sei. „Darum nahm ich nicht teil.“

Informiere­n Verbrauche­rzentralen geben auf ihren Internetse­iten Tipps, wie man erkennt, ob eine Agentur seriös arbeitet oder nicht.

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