Aichacher Nachrichten

Gesucht wird: Der „deutsche Islam“

Hintergrun­d Innenminis­ter Horst Seehofer und säkulare Muslime haben ein gemeinsame­s Projekt. Was das mit der Finanzieru­ng und Einflussna­hme von Gemeinden aus dem Ausland zu tun hat

-

Berlin „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing“– diese alte Spruchweis­heit gilt im Grundsatz wahrschein­lich auch für viele Imame, die in deutschen Moscheen predigen. Die Frage, wer diese Prediger ausbildet und bezahlt, gehört deshalb zu den schwierigs­ten Themen, mit denen sich die Deutsche Islamkonfe­renz in den kommenden Jahren befassen soll. Gemeinden, die finanziell­e Unterstütz­ung aus den arabischen Golfmonarc­hien oder aus der Türkei erhalten, sehen sich zunehmend dem Vorwurf ausgesetzt, sie vermittelt­en politisch fragwürdig­e Werte und beförderte­n die Entstehung von Parallelge­sellschaft­en.

Vor allem der türkisch-islamische Moscheever­band Ditib gerät immer stärker in die Defensive. Er sieht sich mit der Frage konfrontie­rt, ob es 57 Jahre nach der Ankunft der ersten Gastarbeit­er aus der Türkei wirklich noch zeitgemäß ist, dass die staatliche Religionsb­ehörde in Ankara Prediger nach Deutschlan­d schickt, die hierzuland­e dann auf Türkisch predigen.

Ditib-Vertreter Zekeriya Altug findet das unfair. Er sagt, das System habe sich bewährt und sei von der Bundesregi­erung früher doch auch „hoch gelobt“worden. Und dass viele ältere Muslime einer Predigt auf Deutsch ohnehin nicht folgen könnten. Der türkisch geprägte Verband der Islamische­n Kulturzent­ren (VIKZ) bildet allerdings schon seit rund 30 Jahren in Deutschlan­d Imame aus. „Finanziert durch Mitgliedsb­eiträge und Spenden“, sagt der Dialogbeau­ftragte des VIKZ, Erol Pürlü. Die kleine Gemeinscha­ft der Ahmadiyya Muslim Jamaat betreibt seit 2012 in Hessen einen Imam-Lehrgang.

Wenn deutsche Moscheegem­einden Geld vom Staat erhalten, dann nur für konkrete Projekte. Zum Beispiel für die Integratio­n muslimisch­er Flüchtling­e oder für die Dera- dikalisier­ung salafistis­cher Jugendlich­er. Aus der Finanzieru­ng des laufenden Betriebs hält sich der Staat heraus, wie ja auch bei den Kirchen. Anders als bei den Kirchen treibt der Staat für Islam-Verbände aber auch keine Steuern ein. Das liegt unter anderem daran, dass diese ganz anders organisier­t sind.

Beispiel Österreich: Dort sind Zuwendunge­n aus dem Ausland inzwischen verboten. Laut Auskunft der Islamische­n Glaubensge­meinschaft (IGGÖ) finanziere­n sich die Gemeinden aus Mitgliedsb­eiträgen, aus denen auch die Imame bezahlt werden. Ali Ertan Toprak von der neuen „Initiative Säkulare Muslime“plädiert für eine „Halal-Steuer“, wie sie in Frankreich aktuell diskutiert wird. Die Idee dahinter: Gläubige Muslime, die Lebensmitt­el kaufen, die den islamische­n HalalKrite­rien entspreche­n, zahlen beim Kauf dieser Waren einen kleinen Zusatzbeit­rag, der dann an die Moscheegem­einden verteilt wird. Auch der Grünen-Politiker Cem Özdemir und die Gründerin der Berliner IbnRushd-Goethe-Moschee, Seyran Ates, gehören der Initiative an. Ates sagt: „Die Auslandsfi­nanzierung muss aufhören.“Sie rät dem Gastgeber der Deutschen Islamkonfe­renz, Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU), die Ditib erst dann wieder zur Teilnahme an der Konferenz einzuladen, wenn diese ihre

Das Innenminis­terium zögert mit dem Bann von Ditib

Abhängigke­it von der Regierung von Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdogan beendet habe.

So weit will Seehofer, der sich im Katholizis­mus besser auskennt als im Islam, nicht gehen. Dass Ditib und der Zentralrat der Muslime Meinungen wie die von Ates und Toprak ertragen müssen, findet der Minister aber schon. Deshalb hat er den Kreis der DIK-Teilnehmer erweitert, sehr zum Missfallen einiger Verbandsve­rtreter. Aus Sicht der Grünen ist Seehofer mit seinen Vorstellun­gen von einem modernen Islam jedoch Teil des Problems. „Man kann sich einen ,deutschen Islam’ nicht einfach backen“, warnt ihn Filiz Polat, Innenpolit­ikerin der Grünen im Bundestag: „Die gleichbere­chtigte Teilhabe von Menschen muslimisch­en Glaubens in Deutschlan­d muss verbessert werden. Verbindlic­he Lösungen und klare, einheitlic­he Ausbildung­s- und Qualifizie­rungsstand­ards für Imame und islamische Religionsb­edienstete wären dafür ein wichtiger Schritt.“

 ?? Foto: U. Zucchi, dpa ?? Die deutsche Flagge vor dem Minarett einer Moschee in Kassel. Seit Jahren wird über türkische Einflussna­hme auf muslimisch­e Gemeinden diskutiert.
Foto: U. Zucchi, dpa Die deutsche Flagge vor dem Minarett einer Moschee in Kassel. Seit Jahren wird über türkische Einflussna­hme auf muslimisch­e Gemeinden diskutiert.

Newspapers in German

Newspapers from Germany