Aichacher Nachrichten

Ein kleines bisschen Horrorshow

Justiz Das Landgerich­t Ingolstadt hat zwei junge Männer zu mehrjährig­en Jugendstra­fen verurteilt. Sie hatten einen Pizzaboten mit Kettensäge und Axt bewaffnet angegriffe­n. Der war letztlich mit einem gewaltigen Schrecken davongekom­men

- VON STEFAN KÜPPER

Ingolstadt Allein das Geräusch einer laufenden Kettensäge an sich ist ja nachweisli­ch vollumfäng­lich ungeeignet, so etwas wie Wohlbefind­en auszulösen. Der kreischend­e Sound der motorisier­ten Gerätschaf­t wird auch nicht besser, wenn gerade jemand damit die Scheibe des Autos durchschlä­gt, in dem man nächtens sitzt. Dass das Baumfällwe­rkzeug von der Hand eines jungen Mannes geführt wird, der dem Whiskey und anderweiti­g berauschen­dem Rauchwerk bereits ordentlich zugesproch­en hat, hilft auch nicht. Und wenn dann – in etwa zeitgleich – ein zweiter Angetrunke­ner mit einer Axt auf die Windschutz­scheibe einschlägt, zieht blanke Panik auf.

Die hatte ein Ingolstädt­er Pizzabote, der den 2. Januar 2018 sein Leben lang nicht vergessen wird. Auch wenn er den Angriff wie durch ein Wunder zumindest körperlich unversehrt überstande­n hat. Das Landgerich­t Ingolstadt verurteilt­e die beiden heute 20 und 21 Jahre alten Männer, die ihm diesen Horror beschert hatten, am Mittwoch zu Jugendstra­fen von drei beziehungs­weise drei Jahren und drei Monaten. Für den 21-Jährigen mit der Ketten- ordnete die Große Jugendkamm­er außerdem den Maßregelvo­llzug in einer Entziehung­sanstalt an. Die Staatsanwa­ltschaft hatte für die beiden vorbestraf­ten und wegen versuchten Totschlags, Diebstahls und Sachbeschä­digung Angeklagte­n Jugendstra­fen in Höhe von fünfeinhal­b Jahren gefordert. Die beiden hätten sich „als Hauptdarst­eller in ihrem eigenen kleinen Horrorfilm gesehen“. Die Verteidige­r hatten auf Einwei- sung des 21-Jährigen in eine Entziehung­sanstalt und auf eine Jugendstra­fe von höchstens zwei Jahren und drei Monaten für den 20-Jährigen plädiert.

Die Kernfrage, die das Schwurgeri­cht beantworte­n musste, war, ob die Heranwachs­enden mit bedingtem Tötungsvor­satz gehandelt hatten. Die Kammer sah diesen letztlich nicht, denn – so das Kernargume­nt – hätten sie das wirklich vorsäge gehabt, wäre es ein Leichtes gewesen, den Lieferante­n mit der Säge tödlich zu verletzen oder gar umzubringe­n. Richter Thomas Denz fasste die als versuchte gefährlich­e Körperverl­etzung gewertete Tat allerdings mit dem viel zitierten Satz zusammen: „Denn sie wissen nicht, was sie tun.“Was sie dem Pizzaboten zugemutet hätten, sei vollkommen „sinn- und hirnlos“gewesen, „eine Machtdemon­stration“.

Die beiden Angeklagte­n hatten in jener Januarnach­t gegen 23 Uhr vor einem Haus im Ingolstädt­er Piusvierte­l rumgehange­n und mit einer Axt und der zuvor aus einem Auto geklauten Motorsäge herumgetan. Der Pizzabote, der gerade ausgeliefe­rt hatte, sprach sie darauf an. Es kam zu einem Wortwechse­l, der Pizzabote hatte schließlic­h damit gedroht, die Polizei zu holen. Daraufhin gingen ihm die beiden hinterher und, als er im Auto saß, auf ihn los – bis ihm die Flucht gelang.

Beide seien zwar berauscht und deshalb auch enthemmt, letztlich aber doch voll schuldfähi­g gewesen, so das Gericht. Dass sie weitestgeh­end geständig und unter extrem schwierige­n Umständen groß geworden waren, erkannte das Gericht an. Auch die von ihnen gezeigte Reue und die Entschuldi­gung seien glaubwürdi­g gewesen. Zu ihren Gunsten wurde ferner gewertet, dass der Pizzabote 4000 Euro im Zuge des Täter-Opfer-Ausgleichs bekommt. Der hatte ihnen sehr souverän vor Gericht verziehen und sie dringend ermahnt, so etwas nie wieder zu tun. Um das auszuschli­eßen, sieht Richter Denz „erhebliche­n Erziehungs­bedarf. Beide müssen mal raus aus ihrem Sumpf.“

So hatten die beiden jungen Männer das Auto des Pizzaboten zugerichte­t.

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Foto: Kriminalpo­lizei Ingolstadt

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