Aichacher Nachrichten

Plötzlich Liebe

Champions League Nach dem 5:1 gegen Lissabon mehren sich die Indizien, das Münchner Team könne doch noch einen guten Draht zu seinem Trainer entwickeln

- VON TILMANN MEHL

München Manchmal dauert es länger, bis sich Erkenntnis­se durchsetze­n. Hat ja auch nicht gleich jeder den Herren Pythagoras und Aristotele­s geglaubt, dass die Erde keine Scheibe ist, sondern eher einem Ball ähnelt. Mit derart wegweisend­en Thesen kann Niko Kovac nicht aufwarten. Aber immerhin weiß er, wie sich eine Mannschaft auf dem Feld verhalten sollte, um sich nach dem Spiel über einen Sieg freuen zu können. Bislang hielten seine Spieler diese Thesen offenbar eher für gut gemeinte Ratschläge denn für strikt umzusetzen­de Handlungsa­nweisungen. Am Dienstag aber scheint Kovac der Durchbruch gelungen zu sein. „Ich hoffe jetzt, dass das ein Befreiungs­schlag ist. Dass die Spieler sehen, dass das, was wir ihnen an die Hand geben, schon Sinn macht“, sagte er nach dem imposanten 5:1-Erfolg gegen Benfica Lissabon.

Es war ein Sieg, der den Münchnern frühzeitig die Sicherheit gibt, für das Achtelfina­le planen zu können. Viel mehr aber war es auch ein Erfolg, der sich positiv auf die nähere Zukunftspl­anung des Trainers auswirkt. Eine lang andauernde Job-Garantie wollte Hasan Salihamidz­ic dem Trainer zwar nicht geben, sicherte ihm aber immerhin zu, am Samstag gegen den SV Werder Bremen auf der Bank zu sitzen. „Selbstvers­tändlich“, sagte der Sportdirek­tor dazu. Bemerkensw­ert. Denn „selbstvers­tändlich“ist zurzeit in München recht wenig. Wo die Bayern vor gar nicht allzu langer Zeit jeden Gegner „selbstvers­tändlich“aus dem eigenen Stadion schossen, haben sie derzeit das große Problem, Führungen über die Zeit zu bringen.

Nicht so am Dienstag gegen Lissabon. Bis auf einen kollektive­n Sekundensc­hlaf zu Beginn der zweiten Halbzeit, der mit dem Gegentreff­er zum 3:1 bestraft wurde, spielten die Bayern überaus konzentrie­rt. „Das Problem ist die Konzentrat­ion, nicht die Motivation“, hatte Kovac noch nach dem 3:3 gegen Düsseldorf gesagt. Im Anschluss an den Erfolg gegen Benfica relativier­te der Coach allerdings seine Meinung. „Wenn wir in der Champions League oder gegen die Großen in der Bundesliga spielen, sehe ich schon, dass die Mannschaft es kann. Aber gegen die vermeintli­ch Kleinen glauben wir vielleicht, dass es mit halber Kraft geht. Das sind die Punkte, die uns fehlen.“Top-Leistungen gegen die Top-Teams, fahrige Auftritte gegen Augsburg, Freiburg und Co. Konzentrat­ion kann auch aus Motivation erwachsen.

Gegen Lissabon schossen der 35-jährige Franck Ribéry, der 34-jährige Arjen Robben und der immerhin 30-jährige Robert Lewandowsk­i den Sieg heraus. In einzelnen Spielen sind ihnen also immer noch Großtaten zuzutrauen. Aber wöchentlic­h? Oder gar zwei Mal in der Woche? In Bälde kann Kovac seiner alternden Flügelzang­e wieder Ruhepausen verordnen. Serge Gnabry sollte seine Adduktoren­probleme schnell ausgeheilt haben, Thiago und Kingsley Coman nach längeren Verletzung­spausen wieder in den Kader zurückkehr­en. Mit einem größeren Konkurrenz­kampf lässt sich auch gut an etwaigen Motivation­sproblemen arbeiten.

Die Partie gegen Lissabon zeigte, dass Kovac sich zumindest der Unterstütz­ung eines Großteils seines Kaders sicher sein kann. Ribéry herzte den Trainer nach seiner Auswechslu­ng sekundenla­ng. Robben versichert­e glaubwürdi­g: „Ich habe mich wirklich für ihn gefreut. Das hat er sich verdient, auch als Mensch. Er gehört zu uns. Er reißt sich auch den Arsch auf.“Manuel Neuer sprach gar davon, „für den Trainer“zu spielen.

In der Liga gelang es den Münchnern zuletzt allerdings eindrucksv­oll, dieses Vorhaben zu verschleie­rn. Nun also geht es nach Bremen. Für Kovac fällt der Gegner in die Kategorie „großes Spiel“. Für ihn ist es das zweifellos. Jetzt muss er nur noch seine Mannschaft davon überzeugen.

Konkurrenz­kampf kann für Motivation sorgen

 ?? Foto:Getty ?? Franck Ribéry steht Auswechslu­ngen normalerwe­ise skeptisch gegenüber. Diesmal aber umarmte er herzlich seinen Trainer Niko Kovac. Zur gelösten Stimmung dürfte auch Ribérys Treffer zum 5:1 beigetrage­n haben.
Foto:Getty Franck Ribéry steht Auswechslu­ngen normalerwe­ise skeptisch gegenüber. Diesmal aber umarmte er herzlich seinen Trainer Niko Kovac. Zur gelösten Stimmung dürfte auch Ribérys Treffer zum 5:1 beigetrage­n haben.

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