Gelungener Neustart mit alter Seifentradition
Kosmetik Das zweite Leben des Naturkosmetikherstellers Fadi Aslan und seiner Familie beginnt in Hollenbach nach der Flucht aus Aleppo. In der Stadt gab es früher etwa 200 Seifenhersteller. Jetzt produziert die Familie die Seifen in Derching
Hollenbach Das zweite Leben der syrischen Familie Fadi und Nour Aslan nahm vor drei Jahren in Hollenbach seinen Lauf. Mit ihrem kleinen Sohn Antoine war das Ehepaar aus Aleppo geflohen und gelangte über Umwege nach Deutschland. Zurück ließen sie ihre Angehörigen, Freunde und Bekannte. Ein gutes Leben, zwei interessante Berufe, die finanzielle und emotionale Geborgenheit waren mit einem Schlag weg. Drei Jahre sollte es dauern, bis der Syrer Fadi Aslan in Deutschland ein zweites Mal seinem und dem Leben seiner Familie neue Perspektiven eröffnen konnte. Seit einigen Monaten ist der gelernte Chemiker Chef seines eigenen Betriebes, in dem er die berühmten Aleppo-Seifen herstellt.
Seit Kriegsbeginn liegt sein Unternehmen Naturkosmetik in Aleppo brach. So wie die meisten Industriebetriebe der im Norden Syriens gelegenen Millionenstadt musste auch Fadi Aslan seine Angestellten entlassen. „In Aleppo gab es 200 Fabriken, die Seifen herstellten. Heute ist der Industriebereich kaputt“, sagt er. Schon während seines Chemiestudiums hatte sich Aslan dazu entschlossen, die uralte Tradition der „Savon d’Alep“weiter zu führen. Die echte, sogenannte syrische Lorbeerseife, gehört zu den weltweit bekannten ältesten Seifen und wurde angeblich bereits im achten Jahrhundert in und um Aleppo produziert. In der Hoch-Zeit seines Unternehmens umfasste Fadi Aslans Produktpalette 20 verschiedene Naturkosmetik-Artikel, die alle ausschließlich auf der Basis natürlicher Rohstoffe und ohne jegliche Zusatzstoffe hergestellt waren. Seine Cremes, Duschseifen und Shampoos verkauften sich gut.
Seit fünf Monaten geht es für Fadi Aslan auch in Hollenbach voran. In angemieteten Räumen in Derching steht seit Kurzem ein neuer, großer Kessel, in dem die Seifen angerührt Je nach Rezeptur benötigt er verschiedene Öle. Mandelöl bezieht er aus Griechenland, das Lorbeeröl kommt aus der Türkei, Frankreich liefert Lavendel- und Zitronenöl, Deutschland das Traubenkernöl. Zurzeit hat er primär flüssige Dusch-und Handseifen im Angebot.
Kostproben der geplanten Hartseifen reiht er auf dem Wohnzimmertisch auf. „Ich bin dabei, auch Hartseifen als Shampoo und als Handseife herzustellen“, erklärt er. Damit liegt er voll im Trend des Umweltschutzgedankens und der Abfallvermeidung. „Wir vermeiden überflüssige Verpackungen und biewerden. ten Nachfüllseifen in Glasflaschen an“, erklärt Aslan. Seine rein pflanzlichen, mild duftenden Seifen, sind als Körperpflegemittel für die Kinderpflege gut geeignet und schützen vor trockener Haut. „Man braucht keine zusätzlichen Cremes“, versichert Nour Aslan. Sie hilft beim Aufkleben der Etiketten auf die Schaumspender-Flaschen und beim Versand. Der Verkauf läuft primär über ihren Web-Shop, zahlreiche Naturkost-und Bioläden im Landkreis bieten ebenfalls ihre Produkte an. Ihre ersten Abnehmer seien allerdings die vielen Freunde und Bekannten gewesen, die sie mittlerweile in und um Hollenbach haben, heißt es.
Die Aslans haben es geschafft, auch dank der Betreuung und Unterstützung der vielen ehrenamtlichen Helfer, beteuern sie. Sie haben die vielen Gelegenheiten, die Deutschland bietet, wahrgenommen und genutzt, versichert Fadi Aslan und er geht sogar einen Schritt weiter: „Es ist eine Chance, eine neue Sprache, eine neue Kultur und eine neue Mentalität kennenzulernen“, sagt er. Das AkademikerEhepaar hat mit Sicherheit viele Integrationshürden souveräner gemeistert als viele andere Geflüchtete. Nour war Französisch-Lehrerin an einem Gymnasium, Fadi spricht fließend Englisch – das war beim Erlernen der deutschen Sprache hilfreich. Im kleinen Zimmer in ihrer Unterkunft in Hollenbach haben sie mithilfe von Kinderbüchern und Kinderliedern ihre ersten deutschen Sätze gelernt. Antoine ging in den örtlichen Kindergarten, Nour hat auf freiwilliger Basis vor Ort Französisch-Unterricht gegeben. Fadi wurde in den Elternbeirat des Kindergartens gewählt und kickte in der Hollenbacher Fußballmannschaft. Die Anerkennung als Flüchtlinge folgte nach ein paar Monaten, das Ehepaar besuchte Integrationskurse in Augsburg. Der angehende Geschäftsmann belegte diverse kaufKleine männische Kurse in der IHK und bestand alle Prüfungen. Er machte den Führerschein und hat ein eigenes Auto. Vor knapp zwei Jahren kam der kleine Josef zur Welt. Nach wiederholten Umzügen in Hollenbach und Igenhausen hat die Familie seit Neuestem eine schöne Wohnung mitten in Hollenbach bezogen. Seit seiner Geschäftsgründung hält Fadi Aslan Vorträge über Naturkosmetik und ist mit der Volkshochschule Aichach im Gespräch. Die gelungene Integration hat ihren Preis. Sicherheit und Erfolg waren keine Fremdworte für die Aslans, in Deutschland erleben sie sie als neue Herausforderung. Am Wohnzimmertisch erzählen sie von früher, wie und warum sie ihre Heimat verlassen mussten. Nour kam mit dem kleinen Sohn über Italien nach Deutschland. Bei Fadi dauerte es drei Monate, bis er via Libanon, die Türkei, Griechenland und Polen Frau und Kind in Augsburg wieder traf. Rückblickend versucht er, seine existenzielle Notlage in einfache Worte zu fassen: „Es war schon schwierig. Auf dem Boot von der türkischen Küste bis nach Griechenland waren 50 Menschen, ich hatte nur einen Rucksack mit den notwendigsten Dingen. Der Unterschied zwischen dem, was ich war und was jetzt ist, ist mir bei der nächtlichen Überfahrt sehr bewusst geworden.“
Zurzeit treibt eine vergleichsweise kleine Sorge die Aslans um: Beide Söhne besuchen die örtliche Schule beziehungsweise den Kindergarten und sprechen Deutsch. Sie sollen selbstverständlich auch ihre Muttersprache, das Arabische, beibehalten. Das sei nicht mehr so einfach, meint die Mutter. Ihrem älteren Sohn falle das Deutsche mittlerweile leichter. ⓘ
Aleppo-Naturseifen Die Naturseifen sind zu beziehen über den Web-Shop www.solonaturkosmetik.de, in einzelnen Naturkostläden oder telefonisch über 0151/ 289 98 890.