Arbeiter wollen Geld zurück
Insolvenz Zwischen Fassungslosigkeit, Angst und Wut: Beschäftigte der Gersthofer Backbetriebe und von Lechbäck demonstrieren nach Betriebsversammlung vor den Toren. Ofen ist definitiv aus
Gersthofen „Gebt uns unser Geld, gebt uns unser Geld!“, schreit Abdulkadir Bilgili vor der aufgebrachten Menge. Seine Stimme überschlägt sich. Vor wenigen Minuten haben die 400 Beschäftigten der Gersthofer Backbetriebe in einer Betriebsversammlung erfahren, dass der Ofen definitiv aus ist. Es ist das Ende der Großbäckerei. Und das Ende für viele Mitarbeiter. Keiner von ihnen weiß, wie es jetzt weitergeht. Einer von ihnen ist Abdulkadir Bilgili. „Was soll ich denn machen?“, fragt er. Als Jugendlicher hat er mit 16 Jahren bei den Gersthofern angefangen. 1984 war das. Jetzt ist er 51 Jahre alt. „Ich bin mit der Firma groß geworden. Die Firma ist mit uns gewachsen“, sagt er. „Und plötzlich soll dann alles vorbei sein?“Zur Fassungslosigkeit über das plötzliche Aus mischt sich Wut.
„Was ist mit unseren Familien?“, rufen sie. Und: „Was ist mit unserer Abfindung?“Oder: „Wo ist das Insolvenzgeld für uns arme Leute geblieben?“Plakate und Transparente richten sich an Philipp Haindl, den Geschäftsführer der Serafin-Unternehmensgruppe. Sie hatte vor vier Jahren die Backbetriebe und das Filialnetz von Lechbäck gekauft. In den vergangenen Monaten hat sich die finanzielle Situation zugespitzt.
Vor einer halben Stunde haben Geschäftsführung und Insolvenzverwalter Max Liebig den Mitarbeitern der Großbäckerei eröffnet, dass der Betrieb eingestellt ist. Endgültig. „Es hat sich bereits seit Längerem abgezeichnet, aber jetzt haben sich auch die letzten Hoffnungen zerschlagen. Der Hauptabnehmer für unsere Produkte, der in der Vergangenheit für mehr als 50 Prozent des Umsatzes stand, hat die Zusammenarbeit beendet. Damit ist die Betriebsstilllegung unausweichlich geworden“, sagte Liebig. „Wir bedauern diese Entwicklung sehr. Die Insolvenz ist jedoch nicht die Ursache, sondern nur die Wirkung der bereits seit Längerem andauernden Unternehmenskrise.“Die Mitarbeiter, die täglich 400000 Backwaren herstellten und damit in der Hauptsache Aldi und Norma belieferten, müssen sich in den nächsten Wochen bei der Agentur für Arbeit melden. Während die rund 80 Mitarbeiter der Filialen noch Insolvenzgeld erhalten, sind die Beschäftigten der Backbetriebe-GmbH „freigestellt“. Das heißt: Sie bekommen nur noch Arbeitslosengeld. Der Hintergrund: Im September ging das Unternehmen unter den sogenannten Schutzschirm, um sich neu aufzustellen. Die Löhne wurden mit dem Insolvenzgeld bezahlt. Laut Gewerkschaft Nahrung-GenussGaststätten sparten sich die Backbetriebe so mehrere Millionen Euro. „Wo ist das Geld geblieben?“, fragt Gewerkschafter Tim Lubecki vor der Menge am Werkstor. SerafinGeschäftsführer Philipp Haindl teilt auf Nachfrage mit: „Sobald es Klarheit über die Ergebnisse der nun anstehenden Sozialplan-Verhandlungen gibt, und wir belastbar die Auswirkungen auf die Mitarbeiter abschätzen können, werden wir wie bereits kommuniziert einen finanziellen Betrag zur Abmilderung der Folgen auf die Mitarbeiter beisteuern.“