Aichacher Nachrichten

Steiler Aufstieg, tiefer Fall

Geschichte Willi Egger, der ehemalige Dritte Bürgermeis­ter Augsburgs, ist tot. Mit seinem Namen sind wichtige Etappen der Stadtgesch­ichte verbunden – und eine Affäre, die die Kommunalpo­litik am Lech über Jahrzehnte beeinfluss­te

- VON DIETER MITULLA

Der frühere Dritte Bürgermeis­ter und Sportrefer­ent der Stadt Augsburg, Willi Egger, ist tot. Wie seine Familie am Samstag per Todesanzei­ge in unserer Zeitung bekannt gab, wurde der langjährig­e SPDKommuna­lpolitiker 88 Jahre alt.

Willi Egger wurde am 14. August 1931 in Augsburg geboren. Über Gewerkscha­ft und Naturfreun­de kam er Anfang der 1950er Jahre zur SPD. Dort machte er Parteikarr­iere, wurde Vize im Unterbezir­k, Stadtrat, Fraktionsv­orsitzende­r und schließlic­h 1972 Bürgermeis­ter.

1972 war das Jahr, in dem an der Kanustreck­e in Augsburg das olympische Feuer entzündet wurde – und Egger stand als Sportbürge­rmeister im Rampenlich­t. Als Sportrefer­ent war Egger auch unumstritt­en. Er setzte sich für Neu- und Ausbauten von Sportstätt­en ein, war seit 1950 bei der TSG Augsburg aktiv und wurde deren Ehrenmitgl­ied. Viele Jahre aktiv war er auch bei der Radsportge­meinschaft Augsburg.

Der Aufstieg des Kommunalpo­litikers endete jäh Anfang der 80er Jahre, als unsere Zeitung eine bundesweit beachtete Affäre aufdeckte, deren Auswirkung­en über viele Jahre bis in die jüngste Zeit die Augsburger Stadtpolit­ik beeinfluss­te. Bei dem damals sogenannte­n „Fall Egger“ging es im Prinzip darum, dass Egger in seiner Eigenschaf­t als Sozialrefe­rent 1977 zusammen mit seinem Anglerfreu­nd Max Helmer den „Verein Jugendhilf­e“gründete. Der Verein spendierte ihm nicht nur einen Sechszylin­der-BMW als Dienstwage­n, sondern mietete auch zum „Fantasiepr­eis“von 30000 Mark monatlich, wie der Mietervere­in damals kritisiert­e, ein Gebäude in Lechhausen an, das Egger und sein Geschäftsf­ührer Helmer erworben hatten.

Der Pflegesatz für Jugendlich­e betrug dort 146 Mark pro Kopf und Tag – beinahe doppelt so viel wie im evangelisc­hen Kinderheim oder im katholisch­en Waisenhaus damals üblich. Verwahrzel­len für Jugendlich­e vermietete der Verein für einen Quadratmet­erpreis von 250 Mark an das städtische Jugendamt und schließlic­h zog dort noch das Frauenhaus ein, bei dem der Verein Jugendhilf­e als Untervermi­eter an die Arbeiterwo­hlfahrt fungierte – und reichlich kassierte: 11000 Mark Miete für 360 Quadratmet­er, erheblich mehr als bei einer vergleichb­aren Einrichtun­g in Nürnberg (damals 5000 Mark für 880 Quadratmet­er).

Schließlic­h erwarb die Vereinsfüh­rung noch für 260000 Mark ein „Ferienhaus“an der Costa Blanca. Man habe „im Allgäu nichts Passendes gefunden“und dann eben bei dem „für uns günstigen Angebot in Spanien zugegriffe­n“. Die Immobilie gehörte übrigens zuvor dem Schlagersä­nger Roy Black, der einst von Helmer gemanagt wurde.

1984 ging Egger nach einem schweren Unfall beim Hochseefis­chen in der Ostsee „aus gesundheit­lichen Gründen“in den Ruhestand. Danach lebte er zurückgezo­gen in einem Reihenhaus in der Neuburger Straße, zuletzt dann in einem Lechhauser Seniorenhe­im.

Die politische Aufarbeitu­ng des „Falls Egger“hatte jedoch noch jahrelang Auswirkung­en auf die Kommunalpo­litik in Augsburg. Hatten politische Beobachter damals zunächst damit gerechnet, dass die Affäre den damals amtierende­n SPDOberbür­germeister Hans Breuer bei der Kommunalwa­hl 1984 das Amt kosten könnte, so trat exakt das Gegenteil ein.

Erbittert gestritten wurde dafür in der CSU: Der damals aufstreben­de Bezirksvor­sitzende Hermann Knipfer geißelte öffentlich die seiner Ansicht nach „lustlose“Aufarbeitu­ng der Affäre durch seine Parteifreu­nde im Augsburger Stadtrat, die durch die 1978 ausgehande­lten „interfrakt­ionellen Verträge“in die Stadtregie­rung eingebunde­n waren. Auf einem turbulente­n Parteitag der Augsburger CSU im November 1981 wurde die Fraktionss­pitze um Hermann Berlin und Dr. Ludwig Kotter von damaligen Parteichef Knipfer dafür gescholten, sie habe in der Affäre Egger zu wenig Härte gezeigt. Egger wurde eine Verquickun­g öffentlich­er und privater Interessen vorgeworfe­n. Knipfer konnte die Mehrheit der Parteitags­delegierte­n auf seine Seite ziehen.

Berlin und Kotter gaben daraufhin die Bildung der Christlich-Sozialen Mitte (CSM) bekannt. Ihrer Stadtratsf­raktion gehörte fast die gesamte Führungsma­nnschaft der Augsburger CSU an. 1982 wurde die CSM ins Vereinsreg­ister eingetrage­n. 1984 wurden die CSM-Mitglieder dann aus der CSU ausgeschlo­ssen. Zur Kommunalwa­hl im selben Jahr traten CSU und CSM getrennt an – die CSU bekam 20, die CSM zehn Sitze. Die Christlich Soziale Mitte regierte nach der Wiederwahl von Breuer mit der SPD weiter, die CSU blieb einfluss- und bedeutungs­los. Nach Breuers Wiederwahl gab es – vor allem auf Druck aus der Landesleit­ung und vom Parteivors­itzenden Franz-Josef Strauß persönlich – Bestrebung­en zu einer Wiedervere­inigung der C-Fraktionen. Die ließ jedoch bis zum Jahr 1989 auf sich warten, bis der damalige CSU-Bezirksvor­sitzende Stefan Höpfinger Knipfer aus der CSU drängte. Bei der Kommunalwa­hl 1990 zeitigte die Wiedervere­inigung dann aber Wirkung: Die Augsburger wählten den CSU-Mann Dr. Peter Menacher zum Oberbürger­meister und beendeten damit eine jahrzehnte­lange Vormacht der SPD im Augsburger Rathaus.

Info Die Beisetzung von Willi Egger findet auf Wunsch der Familie im engsten Familienkr­eis statt.

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Willi Egger

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