Ohrfeigen für Stiefsohn: Mann vor Gericht
Prozess Angeklagter aus dem Raum Aichach steht unter großem psychischen Druck. Dann brennen ihm die Sicherungen durch. Was die Richterin jetzt von ihm fordert
Aichach Die Sicherung brannte einem 44-Jährigen aus dem Raum Aichach im August 2018 durch. Er stürmte ins Zimmer seines 15-jährigen Stiefsohnes, ohrfeigte ihn zwei Mal und schrie ihn an, dass er verschwinden solle. Vor Jugendrichterin Eva-Maria Grosse gab der 44-Jährige das unumwunden zu. Er musste sich am Dienstag wegen Körperverletzung vor dem Jugendgericht Aichach verantworten. Der Vorfall hat eine Vorgeschichte.
Der Angeklagte stand offenbar unter großem psychischen Druck. Der 15-Jährige kam und ging seit einigen Monaten, wie er wollte; er schwänzte die Schule und ging sogar mit einem Messer auf seine Mutter los. „Da hat sich wahnsinnig viel aufgebaut in mir“, sagte der Angeklagte über die psychische Belastung, die er angesichts der familiären Situation empfand.
An dem genannten Abend im August war der 44-Jährige mit einem Freund unterwegs, trank viel und schüttete ihm sein Herz wegen seines Stiefsohnes aus. Wieder daheim, rauchte er noch eine Zigarette. „Und dann hat es bei mir den Schalter umgelegt“, sagt er über das, was dann passierte.
Er ging hoch in das Zimmer des 15-Jährigen, packte ihn am Kragen und schrie ihn an: Er solle verschwinden. Dann schlug der Angeklagte dem Jungen zwei Mal mit der flachen Hand ins Gesicht. Unumwunden gab der 44-Jährige zu: „An dem Abend konnte er nichts dafür.“Der 15-Jährige hatte nichts gemacht. Aber dem Angeklagten waren die Sicherungen durchgebrannt.
Am nächsten Tag entschuldigte er sich dafür bei dem Jungen. Der 15-Jährige bestätigte das. „Ich bin nicht nachtragend“, sagte er. Er lebt inzwischen in einer betreuten Wohngemeinschaft und kommt nur am Wochenende heim. Beide versuchen, den Rat eines Psychologen zu beherzigen, Distanz zu wahren und sich aus dem Weg zu gehen. „Es eskaliert nichts mehr“, sagte der Angeklagte zum aktuellen Verhältnis.
Ganz „ohne anwaltlichen Schubs“, wie Verteidigerin Carina Grübl es formulierte, suchte sich der 44-Jährige therapeutische Hilfe. Erst bei der Suchtfachambulanz wegen seines Alkoholproblems. Demnächst will er eine psychotherapeutische Behandlung beginnen.
Staatsanwalt Konstantin Huber hielt dem Angeklagten zugute, dass das problematische Verhältnis zu seinem Stiefsohn heute nicht mehr besteht: „An der Front ist wohl nichts mehr zu erwarten.“Gegen den 44-Jährigen sprach jedoch aus Hubers Sicht die lange Vorstrafenliste, in der auch öfter Körperverletzung auftaucht. Zuletzt hatte er deswegen erst im Oktober vor Gericht gestanden. Huber forderte daher eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung. Als Auflage plädierte er für eine Therapie wegen der Alkohol- und Aggressionsproblematik des Angeklagten sowie eine Geldstrafe von 2000 Euro.
Verteidigerin Grübl wies darauf hin, dass ihr Mandant ungeschönt alles zugegeben hatte. „Er bemüht sich stark, seine Probleme in den Griff zu bekommen.“Sie sprach sich für eine dreimonatige Bewährungsstrafe aus und stellte die Auflagen ins Ermessen des Gerichts.
Jugendrichterin Grosse verurteilte den Angeklagten zu sechs Monaten auf Bewährung. Als Auflage muss er insgesamt 1500 Euro an die Suchtfachambulanz der Caritas Aichach zahlen, seine Gespräche dort fortsetzen und eine stationäre Therapie machen. Neben den vielen Punkten, die Grosse zugunsten des Angeklagten wertete, sprach einer sehr gegen ihn: „Es wiegt für mich sehr schwer, dass Sie ein Kind angehen, als es nichts tut, und ihm noch sagen, es soll verschwinden.“Der 44-Jährige nahm das Urteil an.
Beide gehen sich jetzt möglichst aus dem Weg