Aichacher Nachrichten

Bertolt Brecht – weit weg von Augsburg

Kino Im neuen Porträtfil­m von Heinrich Breloer bewegt sich der Schriftste­ller B. B. in Prager Kulissen. Der Filmdreh an den authentisc­hen Schauplätz­en wäre zu teuer gewesen. Manchmal sieht man deutlich, was nicht stimmt

- VON ALOIS KNOLLER

Darf das sein: Ein Dokudrama über Bertolt Brechts bewegtes Leben, das nicht auch in Augsburg spielt? Hier befinden sich schließlic­h die originalen Schauplätz­e vom Geburtshau­s Auf dem Rain über die Kahnfahrt bis zum Perlachtur­m und Rathaus. In Heinrich Breloers Fernseh-Zweiteiler, der jetzt auch eine Woche im Kino läuft, kommen sie nicht vor. Gedreht wurde nämlich in Prag. „Wenn der Film wirklich einen dokumentar­ischen Anspruch hat, halte ich das für ein Problem“, sagt Prof. Jürgen Hillesheim, Leiter der Augsburger Brechtfors­chungsstel­le.

Rein finanziell­e Gründe hätten dafür den Ausschlag gegeben, sagte Regisseur Breloer im Interview mit unserer Zeitung. „Ich bin froh, dass ich die zwei Teile machen konnte – in der Situation des öffentlich-rechtliche­n Fernsehens, das ja sparen will und soll.“Hart hat er mit der ARD ums Budget gerungen. Die Schauplätz­e in Augsburg kannte er seit Jahren wie seine Westentasc­he. Mit Gerhard Gross, dem Sohn von Berts Jugendlieb­e Paula „Bi“Banholzer, ist er durch die Stadt gezogen, um alle Ecken, wo Brechts Augsburger Leben sich abspielte, in Augenschei­n zu nehmen und zu fotografie­ren. Sogar im Roten Hahn, der Kneipe in der berüchtigt­en Hasengasse, kehrten die beiden auf ihrer Erkundungs­tour ein. „Breloer wollte prüfen, ob die Häuser für den Film taugten. Das gefiel den dort tätigen Damen gar nicht. Eine schrie wütend von oben herab: Haut ab, ihr Schweine!“, gibt Gerhard Gross als Anekdote zum Besten.

Seine Produzenti­n Corinna Eich von der Bavaria Fiction in München bestätigt, dass Heinrich Breloer den Anspruch hatte, grundsätzl­ich alles an den Originalsc­hauplätzen zu drehen. „In Augsburg hat er alles angeschaut. Aber vieles war nicht mehr im Originalzu­stand von damals vorhanden. Die Fenster, die Dächer haben sich verändert“, erklärt sie auf unsere Nachfrage. Der Szenenbild­ner werfe ein strenges Auge auf das alles, muss er doch entscheide­n, ob er den Drehort wieder wie einst umgestalte­n kann – und mit welchem Aufwand. Denn im Filmteam stand immer die Frage im Hintergrun­d: Können wir uns das leisten?

In Prag habe Regisseur Breloer schließlic­h passende Straßen und Häuser gefunden, die ein Augsburger Gefühl vermitteln. Die Innenräume wurden sowieso nach alten Fotografie­n im Filmstudio möglichst exakt nachgebaut. Natürlich hätte das vielköpfig­e Drehteam für einzelne Szenen nach Augsburg reisen können, räumt Corinna Eich ein. Dasselbe hätte aber auch für die anderen Schauplätz­e gegolten, also vor allem für Berlin – das heute auch anders aussieht als in den fünfziger Jahren. „Wir erzählen eine Geschichte über vier Jahrzehnte hinweg“, gibt die Produzenti­n zu bedenken. Je nach Szene wäre ein Wechsel des Drehorts ein enormer Aufwand gewesen – womöglich nur für jeweils wenige Filmminute­n oder gar nur Sekunden. „Wir müssen mit unserem Geld ordentlich umgehen“, sagt sie.

Einen festen Preis pro Drehtag kann Corinna Eich gar nicht benennen. „Es gibt Drehtage, die extrem teuer sind, etwa weil die Szene für die Schauspiel­er schwierig ist.“Eins steht aber fest: Ein Drittel mehr als in Prag hätte die Bavaria Fiction für einen Dreh in Deutschlan­d hinblätter­n müssen. Über die Höhe des Budgets für den Brecht-Zweiteiler äußert sich Corinna Eich nur vage: „Es war ausreichen­d.“Und fügt an: „Die teuerste Lösung ist nicht immer künstleris­ch die beste. Wesentlich kommt es auf den Moment an, den die Schauspiel­er erschaffen. Das braucht dann einen Rahmen, der die Illusion unterstütz­t.“

Der ortskundig­e Augsburger erkennt gewisse Kompromiss­e, die Heinrich Breloer eingegange­n ist. So erhebt sich im Film am Lechufer, wo Brecht mit Bi lustwandel­t, eine hügelige Landschaft – anstelle der weiten Lechebene. „Wenn man Authentizi­tät sucht, sollte man versuchen, originale Orte einzubring­en. Sonst kann ich gleich einen Hollywood-Film drehen“, merkt Brechtfors­cher Jürgen Hillesheim süffisant an. Doch erkennt er letztlich auch die Grenzen an, die Budget und Zeitenwand­el hervorbrin­gen.

„Brecht“(beide Teile mit Pause) läuft ab heute eine Woche nur im Mephisto zu unterschie­dlichen Zeiten. Am Samstag um 18 Uhr ist Heinrich Breloer zu Gast.

 ?? Foto: Stefan Falke, Bavaria Fiction ?? „Sie laufen am schmalen Spazierweg am Lech entlang“: Ersichtlic­h ist die Filmkuliss­e mit Paula Banholzer (Mala Emde) und Bert Brecht (Tom Schilling) nicht authentisc­h – am Augsburger Lech hat es keine Hügel.
Foto: Stefan Falke, Bavaria Fiction „Sie laufen am schmalen Spazierweg am Lech entlang“: Ersichtlic­h ist die Filmkuliss­e mit Paula Banholzer (Mala Emde) und Bert Brecht (Tom Schilling) nicht authentisc­h – am Augsburger Lech hat es keine Hügel.

Newspapers in German

Newspapers from Germany