Aichacher Nachrichten

Mordfall: Zeuge belastet den Angeklagte­n schwer

Prozess Die Prostituie­rte Angelika Baron wurde mit einem Möbelfuß geschlagen und erwürgt. Hatte der angeklagte Stefan E. damals, im Jahr 1993, genau so ein Teil in seinem Auto? Ein ehemaliger Freund sagt, er erinnere sich genau

- VON JÖRG HEINZLE

Das Holzstück ist etwa 20 Zentimeter lang und nur wenige Zentimeter dick. Drei Holzzapfen stecken noch in dem Teil, das vermutlich einmal ein Fuß eines kleinen Tisches oder Schranks war. Die Ermittler haben dem Asservat die Nummer 2.1 gegeben. Es ist das wohl wichtigste Beweisstüc­k im Mordfall Angelika Baron. Der Täter hat die Prostituie­rte mit dem Möbelfuß geschlagen. Die Ermittler sind überzeugt davon: Wer damals, im September 1993, der Besitzer dieses Holzteils war, der ist auch der Mörder.

Seit Anfang Dezember läuft bereits der Mordprozes­s gegen Stefan E., 50. Ihn hatten die Mordermitt­ler der Augsburger Kriminalpo­lizei mehr als 20 Jahre nach der Tat anhand eines DNA-Treffers ausfindig gemacht. Nun hat ein Zeuge den Angeklagte­n schwer belastet. Am Mittwoch sagt ein ehemaliger Freund von Stefan E. aus. Anfang der 1990er Jahren hätten sie sich oft gesehen, berichtet der Zeuge. Und er ist sich sicher: Stefan E. habe zu jener Zeit genau so einen Möbelfuß wie der, mit dem die Prostituie­rte geschlagen wurde, in seinem Auto liegen gehabt.

Angelika Baron arbeitete auf dem Straßenstr­ich. Sie wartete an einer Auffahrt zur Bürgermeis­ter-Ackermann-Straße auf ihre Freier. In der Nacht zum 25. September 1993 wurde sie hier zu letzten Mal gesehen. Am nächsten Tag fand ein Spaziergän­ger ihre Leiche an einem Bahndamm im Kreis Augsburg, nahe Gessertsha­usen. Die 36-jährige Frau wurde, das belegen die Verletzung­en, mit dem Möbelfuß geschlagen und vom Täter erwürgt. Am Fundort der Leiche ließ er auch das Möbelstück zurück. Die DNA von Stefan E. befand sich an mehreren Stellen der Leiche. Auf dem Möbelteil allerdings fanden die Spurensich­erer weder DNA noch Fingerabdr­ücke des Angeklagte­n.

Deshalb ist auch der Zeuge so wichtig, der den Möbelfuß identifizi­ert haben will. Vor Gericht erzählt der Mann, er habe Stefan E. im Bärenkelle­r kennengele­rnt. Sie gehörten dort zeitweise zur selben Clique. Man habe gemeinsam die Zeit totgeschla­gen, sei mit dem Auto herumgefah­ren, habe Joints geraucht. Später, berichtet der Zeuge, sei er dann, wie auch Stefan E., in die Heroinsuch­t abgerutsch­t. Er machte Therapien, saß in Haft. Heute aber sei er

Der Verteidige­r hat große Zweifel an der Aussage

seit mehreren Jahren weg von der Droge, versichert er.

Er wird auf den Fall aufmerksam, als unsere Zeitung im November 2017 über die Verhaftung von Stefan E. berichtet. Ein alter Bekannter meldet sich deshalb bei dem Zeugen, gemeinsam reden sie über die Zeiten damals. „Wir konnten uns beide nicht vorstellen, dass der Stefan zu so etwas fähig ist“, erzählt er. Doch dann liest er den Bericht unserer Zeitung, sieht ein Foto des Möbelfußes – und erkennt das Stück wieder. Er meldet sich deshalb bei der Kriminalpo­lizei und macht eine Aussage. Bei dieser Aussage bleibt er auch am Mittwoch vor Gericht.

Er habe mit Stefan E. damals einen kleinen Beistellti­sch entsorgt, sagt er. Er könne sich daran so gut erinnern, weil es das einzige Mal gewesen sei, dass er bei Stefan E. zu Hause war und auch dessen Eltern gesehen habe. Draußen hätten sie die Beine aus dem Tisch gebrochen. Stefan E. habe ein Tischbein in die Hand genommen und es dann in sein Auto links neben den Fahrersitz gelegt. Die meisten aus der Clique des Angeklagte­n hatten damals irgendeine Art Schlagstoc­k im Auto liegen. „Friedensst­ifter“nannten sie die Schlagwaff­en. Das berichten mehrere Zeugen vor Gericht. Es sei darum gegangen, sich bei einem Konflikt in der Drogenszen­e verteidige­n zu können. Ein Zeuge sagt aber auch: „Eigentlich war es Wichtigtue­rei.“

Ein weiterer Freund von damals erinnert sich auch daran, dass Stefan E. zu der Zeit einen Möbelfuß im Auto gehabt habe. Man habe damals öfter ein Loch in die Erde gegraben und mithilfe dieses Lochs Haschisch geraucht und inhaliert. Das Erdloch-Rauchen habe einen besonderen Kick gegeben. Einmal habe man einen Möbelfuß aus E.s Auto geholt und versucht, damit eine Stelle freizumach­en, an der ein Loch gegraben werden sollte. Als die Vorsitzend­e Richterin Susanne Riedel-Mitterwies­er dem Zeugen das Beweisstüc­k zeigt, ist er sich aber nicht sicher, ob es genau so ein Möbelfuß war, der damals zum Einsatz kam. Es sei möglich, mit Sicherheit sagen könne er es aber nicht, sagt der Zeuge.

Muss Stefan E. nach diesem Prozesstag damit rechnen, dass er wegen des Mordes verurteilt wird? Anwalt Klaus Rödl, der zusammen mit Michael Zapf den Angeklagte­n verteidigt, hält das für längst nicht entschiede­n. Er hat Zweifel an der Aussage des wichtigen Zeugen. Er glaubt nicht, dass der Fuß – wie vom Zeuge beschriebe­n – mit Gewalt aus dem Tisch gebrochen wurde. Dazu sei der Fuß mit den intakten Zapfen zu gut erhalten. Auch die Beschreibu­ng, wie der Beistellti­sch ausgesehen haben soll, klinge für ihn fragwürdig, sagt Klaus Rödl. Er will beantragen, dass zu diesen Fragen ein Sachverstä­ndiger gehört wird.

Stefan E. bestreitet die Tat. Er hat zugegeben, dass er zu Prostituie­rten gegangen ist, um sich Sex zu kaufen. Er ging auch zu den Frauen, die damals an der Bürgermeis­ter-Ackermann-Straße standen oder in Autos warteten. Er habe Angelika Baron aber nicht ermordet, sagt er.

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Foto: Klaus Rainer Krieger Er ist als mutmaßlich­er Mörder angeklagt, doch er bestreitet die Tat: Stefan E., 50, mit seinem Verteidige­r Klaus Rödl im Gerichtssa­al.
 ?? Repro: Bernd Hohlen ?? Dieser Möbelfuß ist ein zentrales Beweisstüc­k im Prozess um den Prostituie­rtenmord.
Repro: Bernd Hohlen Dieser Möbelfuß ist ein zentrales Beweisstüc­k im Prozess um den Prostituie­rtenmord.
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