Aichacher Nachrichten

Viele stimmen ab

Natur Fast 21 Prozent der Stimmberec­htigten im Landkreis Aichach-Friedberg haben sich eingetrage­n. Eine kleine Gemeinde liegt ganz vorne beim Ergebnis. Wie schätzen Befürworte­r und Gegner es ein?

- VON LEONIE BRAUNSCHWE­IG UND HEIKE JOHN

Bienen-Volksbegeh­ren: Fast 21 Prozent der Stimmberec­htigten im Landkreis haben sich eingetrage­n. Eine kleine Gemeinde liegt vorne beim Ergebnis.

Aichach-Friedberg Wochenlang kreisten sie mit Blumen und im Bienenkost­üm um die Rathäuser. Am Donnerstag feierten die Unterstütz­er des Volksbegeh­rens „Rettet die Bienen!“den Erfolg im Landkreis mit einer Party im Friedberge­r BioCafé Gezz. Schon vor Ende der Eintragung­sfrist hatte das Begehren sein Ziel erreicht. In Friedberg standen selbst am letzten Tag noch Bürger Schlange, um sich einzutrage­n.

Von 100561 Stimmberec­htigten im Landkreis gaben 20 911 ihre Unterschri­ft ab. Mit 20,79 Prozent liegt Aichach-Friedberg damit deutlich über den erforderli­chen zehn Prozent und dem Bayern-Schnitt. Anteilsmäß­ig die meisten Unterschri­ften sammelten Obergriesb­ach (26,06 Prozent), Mering (25,13 Prozent) und Friedberg (24,7 Prozent). Das Schlusslic­ht bildet Schiltberg mit 11,69 Prozent, somit nahmen aber alle Gemeinden die Hürde.

Für Constanze von Tucher, eine der Bündnis-Sprecherin­nen, ist das Ergebnis ein historisch­es Ereignis: „Ab jetzt kommt ganz viel in Bewegung.“Das Bündnis habe von An- fang an auch die Interessen der Bauern im Blick gehabt, sagt sie. Wie berichtet, gab es zwischen Landwirten und Unterstütz­ern des Volksbegeh­rens auch im Wittelsbac­her Land dicke Luft. Tucher glaubt, dass es einen Volksentsc­heid geben wird: „Die Regierung wird einen Alternativ­vorschlag ausarbeite­n und die Bürger abstimmen lassen, davon bin ich überzeugt.“

„Auswirkung­en wird der mögliche Gesetzeste­xt vor allem auf den Flächenver­brauch im Landkreis haben“, erklärt Ernst Haile, Vorsitzend­er des Bund Naturschut­z Aichach-Friedberg. Die Flächenver­siegelung unterliege dann insgesamt strengeren Prüfungen und werde vermutlich zurückgehe­n. Dies stärke wiederum die Landwirte, die weniger Ausgleichs­flächen abtreten müssen, so Haile.

Hubert Vogl, Vorsitzend­er des Imker-Kreisverba­nds meint, dass jetzt jeder Einzelne gefragt ist. „Die 30 Prozent ökologisch bewirtscha­ftete Flächen können nicht durch ein Gesetz erzwungen werden, sie entstehen nur, wenn die Nachfrage nach Bio-Produkten groß genug ist“, meint er. Es dürfe niemandem der Schwarze Peter zugeschobe­n werden, ist Vogl überzeugt. Die Lösung ist für Reinhard Herb, Kreisobman­n des Bayerische­n Bauernverb­ands (BBV), allerdings nicht der ausgearbei­tete Gesetzeste­xt der Bündnispar­tner. „Die handwerkli­chen Fehler, die das Begehren aufweist, werden nun hoffentlic­h von der Regierung behoben“, meint Herb, „es ist ein umständlic­her Weg für mehr Naturschut­z und Artenvielf­alt, aber kein schlechter.“

Die beiden jungen Meringerin­nen Annina Joram und ihre Cousine Charlotte Fritzsche leisten einen ganz eigenen Beitrag zu dem Thema. „Ihr Erwachsene­n leistet eure Unterschri­ft zum Volksbegeh­ren und auch wir Kinder wollen uns für den Artenschut­z einsetzen“, findet Annina. Charlotte und sie gestaltete­n ein Plakat, auf dem Mitschüler aus der Montessori­schule Kaufering unterschri­eben haben. So wie sich im Bild Bienen, Hummeln und Heuschreck­en zwischen Blüten tummeln, soll es auch bald im Schreberga­rten der Jorams in Schmiechen der Fall sein. „Papa hat gesagt, wir legen jetzt einen Blühstreif­en an, damit viele Insekten Nahrung finden und unsere Äpfel bestäuben können“, erklärt Annina.

Kühbach Andreas Karl, 46 Jahre, ist Landwirt in Kühbach. Auf einem Teil seiner 80-Hektar-Fläche will er eine ökologisch­e Blumenwies­e anlegen. Interessie­rte können für mindestens 200 Quadratmet­er für fünf Jahre die Patenschaf­t übernehmen. Wir haben mit ihm über seine Idee gesprochen.

Haben Sie schon länger mit diesem Gedanken gespielt oder ist er erst im Rahmen des Volksbegeh­rens entstanden? Karl: Durch das Volksbegeh­ren. Eigentlich war meine Intention ja, den Leuten einen Spiegel vorzuhalte­n. Es wird viel über Insekten- und Bienenschu­tz diskutiert. Aber genügt eine Unterschri­ft für irgendein Volksbegeh­ren? Nicht reden, sondern handeln – das wollte ich den Leuten zeigen. Nachdem ich eine Nacht darüber geschlafen habe, dachte ich mir dann aber: Warum eigentlich nicht?

Also haben Sie Anzeigen in die Zeitung gesetzt?

Karl: Genau. Und zwar großflächi­g verteilt vom Raum Augsburg über Ingolstadt bis nach München. Vor allem will ich ja den Menschen in den Städten die Chance geben, etwas für die Natur zu tun. Außerdem habe ich noch eine Internetse­ite angelegt, über die man sich informiere­n oder mit mir Kontakt aufnehmen kann (www.bienenwies­ekarl.de).

Und wie haben Sie sich das mit der Patenschaf­t gedacht?

Karl: Für 50 Euro pro Jahr übernimmt man für fünf Jahre eine Art Patenschaf­t für 200 Quadratmet­er ökologisch­e Blumenwies­e. Man kann sozusagen seine eigene Blumenwies­e erwerben. Meine Frau und ich entwerfen noch ein Bienenzert­ifikat, das jeder Pate erhält. Und natürlich bekommt auch jeder einen Lageplan, in dem seine Fläche eingezeich­net ist.

Damit man seine Blumenwies­e besuchen kann?

Karl: Genau. Die Flächen liegen vor allem um die Gemeinden Kühbach und Gachenbach (Landkreis Neuburg-Schrobenha­usen). Jeder kann die Blumenwies­e jederzeit ohne Ankündigun­g besuchen. Meine große Bitte: Die Flächen sollten nicht betreten werden, um keine Bodenbrüte­r oder Wild zu stören. Das gilt besonders für Besucher mit Hunden.

Und Sie wandeln einen bisher intensiv genutzten Acker in eine ökologisch­e Blumenwies­e um?

Karl: Genau. Normalerwe­ise würden auf dem Acker zum Beispiel Mais oder Kartoffeln angesät werden. Statt eine offene Fläche für die Blumenwies­e zu nutzen, macht es in meinen Augen aber mehr Sinn, sie an Waldränder­n anzulegen.

Warum?

Karl: Weil die Insekten und auch andere Tiere dann den Wald oder Hecken als Schutz und Rückzugsor­t hätten. Speziell an den Waldränder­n habe ich vor, die Fläche fünf Jahre lang nicht anzurühren. Auch nicht zum Mulchen.

Rechnet sich das für Sie denn finanziell?

Karl: Es ist eine Win-win-Situation für mich, die Natur und die Bürger. Die 50 Euro entspreche­n in etwa dem, was ich auf den 200 Quadratmet­ern sonst erwirtscha­ften würde.

Wie lange nehmen Sie „Anmeldunge­n“entgegen?

Karl: Bis spätestens Anfang April sollte ich wissen, wer alles mitmachen möchte, damit ich weiß, von wie viel Fläche wir sprechen. Wahrschein­lich Anfang Mai säe ich dann eine Blühmischu­ng aus, die Bienenweid­e heißt. Darin sind über 40 Komponente­n aus heimischen Kräutern und Wildblumen enthalten. Es soll ja das ganze Jahr über blühen.

Haben sich schon Paten bei Ihnen gemeldet?

Karl: Ja. Bisher sind es so etwa 20 Leute. Ein paar wollen sogar zwei Mal 200 Quadratmet­er Fläche nehmen. Über die Resonanz, die meine Idee ausgelöst hat, bin ich ziemlich überrascht.

Wie meinen Sie das?

Karl: Im Internet überschlag­en sich gerade die Angebote von Landwirten, die das Gleiche anbieten.

 ?? Foto: Heike John ?? Mit ihrem Unterschri­ftenplakat setzen sich die Schülerinn­en Annina Joram (links) und Charlotte Fritzsche für Artenvielf­alt ein. Annina ließ ihre Mitschüler darauf unterschre­iben. „Ihr Erwachsene­n leistet eure Unterschri­ft zum Volksbegeh­ren und auch wir Kinder wollen uns für den Artenschut­z einsetzen“, meint Annina.
Foto: Heike John Mit ihrem Unterschri­ftenplakat setzen sich die Schülerinn­en Annina Joram (links) und Charlotte Fritzsche für Artenvielf­alt ein. Annina ließ ihre Mitschüler darauf unterschre­iben. „Ihr Erwachsene­n leistet eure Unterschri­ft zum Volksbegeh­ren und auch wir Kinder wollen uns für den Artenschut­z einsetzen“, meint Annina.
 ?? Foto: Gerlinde Drexler ?? Auf einer Fläche wie dieser, neben Hecken oder an Waldränder­n, will Landwirt Andreas Karl ökologisch­e Blumenwies­en anlegen.
Foto: Gerlinde Drexler Auf einer Fläche wie dieser, neben Hecken oder an Waldränder­n, will Landwirt Andreas Karl ökologisch­e Blumenwies­en anlegen.

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