Immer der Stress mit den Strebs
Erschließungsbeiträge Es gibt im Landkreis viele Straßen, die nie richtig gebaut worden sind. Gemeinden können von Anwohnern dafür bald kein Geld mehr verlangen. Das macht Probleme
Aichach-Friedberg Die Straße hat Schlaglöcher, sie ist ein einziger Flickenteppich, die Ränder sind ausgefranst, und ein Gehweg existiert sowieso nicht: Beim Saumweg in Gebenhofen gibt’s so richtig viele Aufreger. Trotzdem winken die Anwohner dankend ab beim geplanten Neubau. Sie fordern die Gemeinde Affing stattdessen auf, den Bau zu verschieben. Denn ab 1. April 2021 darf eine Kommune für einen Altfall wie den Saumweg keine Straßenerschließungsbeiträge, also „Strebs“, mehr verlangen (siehe Info-Kasten).
Stress mit den Strebs haben zur Zeit viele Kommunen. In Affing sind es um die 15 Straßen, die noch nie nach den Regeln der Technik gebaut worden sind. Verwaltungschef Tilo Leister sagt: „Das holt uns jetzt halt ein.“
In Affing grübeln die Gemeinderäte gerade, wie sie damit umgehen sollen (wir berichteten). Die Straßen schnell noch bauen? Das wäre unpopulär; abgesehen davon ist fraglich, ob das in einer Hochkonjunkturphase zeitlich überhaupt noch zu schaffen ist. Den Straßenbau verschieben? Dann würde Affing viel Geld verlieren. Im Fall des Saumwegs wären es 90 Prozent der 140000 Euro Baukosten.
Nachbar Aindling hat das Problem für sich bereits gelöst. Im Markt gehe es um über 25 Straßen, berichtet Verwaltungsleiter Walter Krenz. Schon im September 2018 hat der Gemeinderat beschlossen, auf den kurzfristigen Neubau und damit auch die Erschließungsbeiträge zu verzichten. So hält es auch Todtenweis mit acht Straßen. Petersdorf, die dritte Gemeinde der Verwaltungsgemeinschaft (VG) Aindling, hat sich noch nicht entschieden. Hier geht es um 19 Fälle.
Viel kleiner ist das Problem in Aichach. Helmut Baumann, stellvertretender Bauamtsleiter, spricht von lediglich einer Handvoll Fällen, die man dem Stadtrat als Einzelfallentscheidung vorlegen müsse. Im Regelfall habe die Stadt die Erschließungsanlagen fertiggemacht, „damit man’s abrechnen kann“.
Doch warum gibt es die Altfälle überhaupt? Haben die Kommunen geschlafen? Das trifft allenfalls auf Einzelfälle zu. Laut Krenz ist der springende Punkt meist die Frage: „Muss man den Aufwand betreiben?“Denn mal handelt es sich nur um ein kleines Wegstück zum Ortsausgang, mal um eine Zufahrt zu wenigen Grundstücken, mal um einen alten Feldweg. Oft verzichteten Gemeinden deshalb auf diesen „Aufwand“.
Häufig erhielten die Zufahrten einfache Spritzgussdecken, die dann über Jahrzehnte blieben. Der Bürger war damit in der Regel zufrie-
den, blieb er doch verschont von den Erschließungskosten. Selbst Kiesstraßen würden akzeptiert, erzählt Helmut Baumann. Walter Krenz spricht von einer „weit verbreiteten Praxis, insbesondere im ländlichen Bereich“.
So war’s auch in Pöttmes. Dort fallen laut Geschäftsstellenleiter Stefan Hummel 20 Straßen unter die „Fristen-Regelung“. Der Marktgemeinderat wird sich in einer der nächsten Sitzungen mit dem Thema beschäftigen. Das Bauamt hat eine Prioritätenliste erstellt, welche Straßen am dringendsten saniert werden müssten. Die Anwohner des neu erschlossenen Baugebiets an der Karitzstraße in Gundelsdorf können nach aktuellem Stand nicht mehr auf den Ablauf der Frist hoffen. Hummel: „Die Karitzstraße ist jetzt schon fertig. Da fehlen nur noch
zwei oder drei Bäume.“Momentan führe „kein Weg daran vorbei“, die Straße abzurechnen, sagt Hummel.
Rechtlich ist die Sache nicht einfach. Auf der einen Seite sagt das Bayerische Innenministerium, Kommunen seien „nicht verpflichtet, bis zum April 2021 alle Straßen (...) erstmalig technisch herzustellen und somit eine Abrechnung (...) zu ermöglichen“. Der Bayerische Gemeindetag hingegen betont, Gemeinden müssten prinzipiell Erschließungsbeiträge erheben. Affings Bürgermeister Markus Winklhofer wies deshalb im Gemeinderat darauf hin, dass Affing nicht auf Einnahmen verzichten dürfe. Verwaltungschef Leister ist nun „gespannt, ob ein Gerichtsurteil“kommt. Auch sein Aindlinger Kollege Krenz spricht von einer rechtlich schwierigen Situation. Die
Gemeinde müsse deshalb einen sorgfältigen Abwägungsprozess dokumentieren. In Aindling ist der fünf Seiten lang. Kern der Argumentation: Der Ausbauzustand der Straßen sei ausreichend, mehr sei nicht erforderlich, berichtet Krenz.
Im Fall des Gebenhofer Saumwegs wäre das kein stichhaltiges Argument. Dessen Zustand ist erbärmlich. Trotzdem wären die Anlieger „notfalls“, wie sie sagen, nur bereit, eine Reparatur mit einer Asphalt-Splitt-Decke selbst zu finanzieren. Das koste 18 000 Euro.
Die Gemeinde Hollenbach hat keinen Saumweg und kein Problem. Altfälle gibt es hier nicht. Verwaltungschef Richard Baur kann sich entspannt zurücklehnen: „Bei uns ist die Regel: Wir hören nicht mittendrin auf. Alle Erschließungen sind abgerechnet.“