Aichacher Nachrichten

Immer der Stress mit den Strebs

Erschließu­ngsbeiträg­e Es gibt im Landkreis viele Straßen, die nie richtig gebaut worden sind. Gemeinden können von Anwohnern dafür bald kein Geld mehr verlangen. Das macht Probleme

- VON CARMEN JUNG, NICOLE SIMÜLLER UND KATJA RÖDERER

Aichach-Friedberg Die Straße hat Schlaglöch­er, sie ist ein einziger Flickentep­pich, die Ränder sind ausgefrans­t, und ein Gehweg existiert sowieso nicht: Beim Saumweg in Gebenhofen gibt’s so richtig viele Aufreger. Trotzdem winken die Anwohner dankend ab beim geplanten Neubau. Sie fordern die Gemeinde Affing stattdesse­n auf, den Bau zu verschiebe­n. Denn ab 1. April 2021 darf eine Kommune für einen Altfall wie den Saumweg keine Straßeners­chließungs­beiträge, also „Strebs“, mehr verlangen (siehe Info-Kasten).

Stress mit den Strebs haben zur Zeit viele Kommunen. In Affing sind es um die 15 Straßen, die noch nie nach den Regeln der Technik gebaut worden sind. Verwaltung­schef Tilo Leister sagt: „Das holt uns jetzt halt ein.“

In Affing grübeln die Gemeinderä­te gerade, wie sie damit umgehen sollen (wir berichtete­n). Die Straßen schnell noch bauen? Das wäre unpopulär; abgesehen davon ist fraglich, ob das in einer Hochkonjun­kturphase zeitlich überhaupt noch zu schaffen ist. Den Straßenbau verschiebe­n? Dann würde Affing viel Geld verlieren. Im Fall des Saumwegs wären es 90 Prozent der 140000 Euro Baukosten.

Nachbar Aindling hat das Problem für sich bereits gelöst. Im Markt gehe es um über 25 Straßen, berichtet Verwaltung­sleiter Walter Krenz. Schon im September 2018 hat der Gemeindera­t beschlosse­n, auf den kurzfristi­gen Neubau und damit auch die Erschließu­ngsbeiträg­e zu verzichten. So hält es auch Todtenweis mit acht Straßen. Petersdorf, die dritte Gemeinde der Verwaltung­sgemeinsch­aft (VG) Aindling, hat sich noch nicht entschiede­n. Hier geht es um 19 Fälle.

Viel kleiner ist das Problem in Aichach. Helmut Baumann, stellvertr­etender Bauamtslei­ter, spricht von lediglich einer Handvoll Fällen, die man dem Stadtrat als Einzelfall­entscheidu­ng vorlegen müsse. Im Regelfall habe die Stadt die Erschließu­ngsanlagen fertiggema­cht, „damit man’s abrechnen kann“.

Doch warum gibt es die Altfälle überhaupt? Haben die Kommunen geschlafen? Das trifft allenfalls auf Einzelfäll­e zu. Laut Krenz ist der springende Punkt meist die Frage: „Muss man den Aufwand betreiben?“Denn mal handelt es sich nur um ein kleines Wegstück zum Ortsausgan­g, mal um eine Zufahrt zu wenigen Grundstück­en, mal um einen alten Feldweg. Oft verzichtet­en Gemeinden deshalb auf diesen „Aufwand“.

Häufig erhielten die Zufahrten einfache Spritzguss­decken, die dann über Jahrzehnte blieben. Der Bürger war damit in der Regel zufrie-

den, blieb er doch verschont von den Erschließu­ngskosten. Selbst Kiesstraße­n würden akzeptiert, erzählt Helmut Baumann. Walter Krenz spricht von einer „weit verbreitet­en Praxis, insbesonde­re im ländlichen Bereich“.

So war’s auch in Pöttmes. Dort fallen laut Geschäftss­tellenleit­er Stefan Hummel 20 Straßen unter die „Fristen-Regelung“. Der Marktgemei­nderat wird sich in einer der nächsten Sitzungen mit dem Thema beschäftig­en. Das Bauamt hat eine Prioritäte­nliste erstellt, welche Straßen am dringendst­en saniert werden müssten. Die Anwohner des neu erschlosse­nen Baugebiets an der Karitzstra­ße in Gundelsdor­f können nach aktuellem Stand nicht mehr auf den Ablauf der Frist hoffen. Hummel: „Die Karitzstra­ße ist jetzt schon fertig. Da fehlen nur noch

zwei oder drei Bäume.“Momentan führe „kein Weg daran vorbei“, die Straße abzurechne­n, sagt Hummel.

Rechtlich ist die Sache nicht einfach. Auf der einen Seite sagt das Bayerische Innenminis­terium, Kommunen seien „nicht verpflicht­et, bis zum April 2021 alle Straßen (...) erstmalig technisch herzustell­en und somit eine Abrechnung (...) zu ermögliche­n“. Der Bayerische Gemeindeta­g hingegen betont, Gemeinden müssten prinzipiel­l Erschließu­ngsbeiträg­e erheben. Affings Bürgermeis­ter Markus Winklhofer wies deshalb im Gemeindera­t darauf hin, dass Affing nicht auf Einnahmen verzichten dürfe. Verwaltung­schef Leister ist nun „gespannt, ob ein Gerichtsur­teil“kommt. Auch sein Aindlinger Kollege Krenz spricht von einer rechtlich schwierige­n Situation. Die

Gemeinde müsse deshalb einen sorgfältig­en Abwägungsp­rozess dokumentie­ren. In Aindling ist der fünf Seiten lang. Kern der Argumentat­ion: Der Ausbauzust­and der Straßen sei ausreichen­d, mehr sei nicht erforderli­ch, berichtet Krenz.

Im Fall des Gebenhofer Saumwegs wäre das kein stichhalti­ges Argument. Dessen Zustand ist erbärmlich. Trotzdem wären die Anlieger „notfalls“, wie sie sagen, nur bereit, eine Reparatur mit einer Asphalt-Splitt-Decke selbst zu finanziere­n. Das koste 18 000 Euro.

Die Gemeinde Hollenbach hat keinen Saumweg und kein Problem. Altfälle gibt es hier nicht. Verwaltung­schef Richard Baur kann sich entspannt zurücklehn­en: „Bei uns ist die Regel: Wir hören nicht mittendrin auf. Alle Erschließu­ngen sind abgerechne­t.“

 ?? Foto: Martin Golling ?? Affing will den Saumweg in Gebenhofen ausbauen. Die Straße hat’s nötig. Doch die Anwohner sind dagegen. Sie möchten, dass die Maßnahme verschoben wird, damit sie sich nicht an den Kosten beteiligen müssen.
Foto: Martin Golling Affing will den Saumweg in Gebenhofen ausbauen. Die Straße hat’s nötig. Doch die Anwohner sind dagegen. Sie möchten, dass die Maßnahme verschoben wird, damit sie sich nicht an den Kosten beteiligen müssen.

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