Aichacher Nachrichten

Geht’s um PFC, braucht’s vor allem Geduld

Gesundheit Der Geduldsfad­en aber ist der Marktgemei­nde Manching Ende 2018 gerissen – sie verklagte die Bundesrepu­blik. In Neuburg hält der Faden noch. Was rund um den Fliegerhor­st Zell aktuell geplant ist

- VON MANFRED RINKE UND STEFAN KÜPPER Archivfoto: Annette Zoepf

Neuburg/Manching Irgendwann im vergangene­n Dezember waren Bürgermeis­ter Herbert Nerb und sein Gemeindera­t mit ihrer Geduld am Ende. Und Manching erhob als erste Kommune in Deutschlan­d wegen der PFC-Belastung Klage gegen die Bundesrepu­blik Deutschlan­d. „Ich kann für Manching nur hoffen, dass sich da jetzt was tut“, sagt Günter Steinwand, der Ortssprech­er von Bruck und Maxweiler.

Auch auf und im Umfeld des Nato-Flugplatze­s in Zell wurden, wie berichtet, Belastunge­n von Boden und Grundwasse­r mit PFC (perund polyfluori­erte Chemikalie­n) nachgewies­en. Diese können – da ist sich die Wissenscha­ft einig – giftig sein. Und auch in Neuburg wissen Günter Steinwand und seine Ortssprech­erkollegen Andreas Weis (Marienheim) und Roland Habermeier (Zell), wie schleppend sich das Ganze hinzieht, wie unbefriedi­gend aus ihrer Sicht die Informatio­ns- und Aufklärung­sarbeit bei der Bundeswehr ist. Allerdings hat sich seit August vergangene­n Jahres, als erstmals auch die Belastung im und um den Nato-Flugplatz öffentlich bekannt wurde, einiges getan.

Zur Erinnerung: Neben den nachgewies­enen, kontaminie­rten Stellen auf dem Fliegerhor­st Zell wurde der vom Bayerische­n Landesamt für Umwelt festgelegt­e Schwellenw­ert in zwei von acht untersucht­en landwirtsc­haftlichen Brunnen überschrit­ten und schließlic­h auch im Zeller Weiher erhöhte Werte festgestel­lt. Schuld an allem ist der mit PFC versetzte Löschschau­m, der an Standorten der Bundeswehr bis 2011 eingesetzt wurde. Dass der Schaum, der über den Boden auch ins Grundwasse­r eingedrung­en ist, ein Gesundheit­srisiko darstellen könnte, hat damals niemand gewusst.

Nachdem die Gefahr vor allem für das Grundwasse­r erkannt war, geht es nun an die Aufarbeitu­ng – und die erfordert Geduld, wie nicht nur die Neuburger Ortssprech­er mittlerwei­le wissen. Der aktuelle Stand vor Ort: Wasserwirt­schaftamt, Bundeswehr und Landratsam­t haben rund 30 Gartenbrun­nen im Umfeld des Flugplatze­s ausgesucht, die noch im ersten Quartal beprobt werden sollen. Die Ausschreib­ung dafür hat das Staatliche Bauamt gemacht, nächste Woche soll die Ausschreib­ung durch sein und ein Übersichts­plan vorliegen, der die Lage der Privatbrun­nen zeigt. Sollten Belastunge­n festgestel­lt werden, wird es genauere Untersuchu­ngen geben. „Wir warten jetzt darauf, was da rauskommt“, sagt Günter Steinwand. Mit seinen Kollegen aus Marienheim und Zell will er im März auch nach Manching fahren, wenn die Bürgerinit­iative, die sich in Manching gegründet hat, wieder einen Stammtisch abhält. „Da können wir nur was lernen von denen“, sagt Steinwand. Vor allem, sich in Geduld zu üben. In Manching hatte man Ende 2018 genug davon. Der Gemeindera­t beschloss einstimmig, den Bund zu verklagen, nachdem man sich über Wochen um einen entspreche­nden Termin mit der Bundeswehr bemüht hatte, wie Rainer Hofer, Leiter des Manchinger Ordnungsam­tes, das Vorgehen schildert. Es geht der Marktgemei­nde bei der Feststellu­ngsklage um „Beseitigun­gs-, Schadens- und Aufwendung­sersatzans­prüche“wegen der PFC-Belastunge­n, die in Manching von dem von der Bundeswehr betriebene­n Flugplatz ausgehen und vor allem die Ortsteile Lindach und Westenhaus­en betreffen.

Was ist das Ziel? Hofer sagt, dass es Manching in erster Linie auf eine Sanierung ankomme. Denn der Markt könne nicht für die entstanden­en und die mutmaßlich noch ausstehend­en Schäden aufkommen. Man habe mit der Klage einer drohenden Verjährung von Ansprüchen vorbeugen wollen.

Die Rechtsauff­assung der Bundeswehr und die des Marktes Manching unterschie­den sich, was die Fristen betreffe, erklärt Hofer. „Deshalb haben wir Schadenser­satzansprü­che jetzt geltend gemacht.“Wie hoch der Streitwert ist, sagt Hofer nicht. Die Klage ist noch Ende 2018 beim Landgerich­t Ingolstadt eingereich­t worden. Das Verfahren, so viel ist sicher, wird ebenfalls Geduld kosten. Derzeit läuft nach Angaben des Landgerich­ts Ingolstadt die Klageerwid­erungsfris­t.

Auch wenn es allen betroffene­n Haus- und Gartenbesi­tzern sowie den Landwirten zu lange dauert, hat sich inzwischen – in der vielschich­tigen und komplizier­ten Gemengelag­e – wieder etwas bewegt:

Ende Januar hat es in Sachen PFC erneut einen Runden Tisch gegeben. Wie das Landratsam­t Pfaffenhof­en danach mitteilte, habe die Bundeswehr nun „erste Schritte“zur Sanierung bei der Landesbaud­irektion Bayern beauftragt. Dazu zähle – der Behördenmi­tteilung zufolge – auch die Prüfung einer „vorgezogen­en Abstromsic­herung“. Für den sogenannte­n Hotspot in der Liegenscha­ft – die alte Feuerwache – werde derzeit das dazu notwendige Konzept erarbeitet. Erste Maßnahmen dazu würden nach aktuellem Kenntnisst­and 2020 umgesetzt.

Unabhängig davon laufen die Arbeiten am Gesamtsani­erungskonz­ept gemäß den Vorgaben des Bodenschut­zgesetzes. Es geht ja nicht nur um die drei Hauptschad­enspunkte „Alte Feuerwache“, „Landebahn Süd“und „Feuerlösch­übungsbeck­en“.

2020. Das sei immerhin eine Jahreszahl, sagt der Manchinger Ordnungsam­t-Chef Hofer. „Die ist uns wichtig.“Man respektier­e das im Bundes-Bodenschut­zgesetz vorgegeben­e Verfahren. Aber: „Wenn nun an bestimmten Stellen – wie der alten Feuerwache auf dem Flugplatz – der Schaden zweifelsfr­ei erwiesen ist, dann sind wir der Meinung, dass man da auch kurzfristi­g was machen kann.“Nach wie vor fließe dort im Augenblick das verschmutz­te Wasser einfach weiter. „Wir wollen deshalb so schnell wie möglich eine Abstromsic­herung.“

Im Mai soll es laut Landratsam­t einen Ortstermin mit dem Staatssekr­etär im Verteidigu­ngsministe­rium, Thomas Silberhorn, geben. Wie es danach weitergeht, darauf sind vor allem die Vertreter der inzwischen zwei Manchinger Bürgerinit­iativen gespannt.

Sie machen schon lange Druck. Eine ihrer grundlegen­den Forderunge­n lautet: „Wir wollen, dass die vor sieben Jahren begonnene und bis heute fortwähren­de PFC-Verunreini­gung vom Flugplatz Manching sofort gestoppt wird.“Die Abstromsic­herung soll nach dem Willen der BI sofort kommen. Und es soll „endlich eine Zeitschien­e“für die Gesamtsani­erung her, betont deren Vorsitzend­er Michael Weichenrie­der erneut.

Denn die im Mai 2018 vom Landratsam­t erlassene Allgemeinv­erfügung gilt ja nach wie vor. Und der zufolge dürfen betroffene Bewohner bis 2032 ihre Grundstück­e nicht mehr aus den eigenen Brunnen bewässern, müssen ausgehoben­e Erde selbst reinigen und das auch zahlen.

Auch die verschiede­nen notwendige­n PFC-Untersuchu­ngen sind noch nicht abgeschlos­sen. Eine ganze Reihe seien zwar gemacht – etwa auf Ackerfläch­en, bei Feld-und Gartenfrüc­hten und im Boden – aber laut Landratsam­t fehlen noch Daten zum Grund- und Oberfläche­nwassermon­itoring. Auch bei Gartenfläc­hen und Fischgewäs­sern stünden noch Ergebnisse aus. Wichtig ist sowohl den Bürgerinit­iativen als auch dem Markt Manching, dass das Monitoring auch in den kommenden Jahren beibehalte­n wird. Damit man weiter weiß, was Sache ist.

PFC ist nicht nur in Neuburg und Manching, sondern in ganz Deutschlan­d und weltweit ein Problem. In Ingolstadt ist das Gelände der früheren Bayernoil-Raffinerie belastet und wird schon seit 2016 aufwendig saniert. Ferner ist der Bereich um die Gunvor-Raffinerie am Ingolstädt­er Stadtrand – überlagern­d auf die Flur des Landkreise­s Eichstätt – betroffen. Insgesamt eine Mammutaufg­abe und gewiss ist: Es braucht vor allem eines – Geduld.

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Rund 30 Gartenbrun­nen sollen im ersten Quartal dieses Jahres auf Grundstück­en um den Nato-Flugplatz in Zell auf Belastunge­n mit per- und polyfluori­erte Chemikalie­n, kurz PFC, untersucht werden.

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