Aichacher Nachrichten

Ermittler bei Sportverei­n

Justiz Drei Funktionär­e des TSV Pöttmes und ein Außenstehe­nder stehen unter Verdacht. Vorwurf: Seit 2017 wurden vier Personen illegal beschäftig­t und Sozialvers­icherungsb­eiträge hinterzoge­n. Das weckt Erinnerung­en im Wittelsbac­her Land

- VON CHRISTIAN LICHTENSTE­RN Symbolfoto: Matthias Becker

Die Ermittlung­en des Zolls erschütter­n den TSV Pöttmes. Im Fokus stehen drei Funktionär­e und ein Außenstehe­nder. Das weckt Erinnerung­en.

Pöttmes/Augsburg Eine Razzia von Zollfahnde­rn bei einem Sportverei­n im Wittelsbac­her Land. Der Verdacht: Sozialvers­icherungsb­etrug. Das weckt starke Erinnerung­en an einen vergleichb­aren Fall im Landkreis, der Ende 2011 ins Rollen kam und überregion­al hohe Wellen im Amateurfuß­ball schlug. Vor rund zwei Wochen sind die Geschäftss­telle des TSV Pöttmes sowie Privatund Geschäftsr­äume von Vorstandsm­itgliedern, aber auch von Außenstehe­nden durchsucht und Unterlagen beschlagna­hmt worden. Laut Matthias Nickolai, Sprecher der Staatsanwa­ltschaft Augsburg, stehen insgesamt vier Männer unter Verdacht. Drei davon sind Vereinsfun­ktionäre, einer sei ein Außenstehe­nder. Es gehe im Ermittlung­sverfahren um die Beschäftig­ung von vier Personen, die nicht ordnungsge­mäß angemeldet worden sein sollen, sagte Nickolai auf Anfrage unserer Zeitung. Zeitraum der illegalen Beschäftig­ung: seit Mitte 2017. Bestätigt sich der Verdacht, dann sind Sozialvers­icherungsb­eiträge hinterzoge­n worden. In einer Steuerstra­ftat werde aktuell nicht ermittelt, so Nickolai. Im Verlauf eines Verfahrens würden aber natürlich alle Erkenntnis­se bewertet. Zur Schadenshö­he macht die Staatsanwa­ltschaft derzeit keine Angaben.

Die Folgen für die Beschuldig­ten und den TSV Pöttmes sind nicht absehbar. Das Verfahren kann eingestell­t werden – ohne Auflagen oder gegen eine Geldbuße. Es kann aber auch Anklage erhoben werden und sogar die Existenz eines Vereins gefährden. Das Beispiel dafür ist nur einige Kilometer entfernt im Landkreis. Mit einer Razzia begann vor rund sieben Jahren auch die Steueraffä­re des TSV Aindling. Die endete erst Mitte 2016 mit Freiheitss­trafen auf Bewährung bis zu einem Jahr gegen vier leitende Funktionär­e wegen Steuerhint­erziehung und Sozialvers­icherungsb­etrug sowie einer Wiedergutm­achung der Beschuldig­ten von insgesamt einer halben Million Euro. Nur mit diesem Geld konnte kurz darauf die drohende Insolvenz des Vereins abgewendet werden. Konkret ging es im Strafverfa­hren um die Bezahlung von Bayernliga­fußballern des TSV zwischen 2003 und 2011. Verein und Spieler „sparten“durch Zahlungen der Hand Steuern und Sozialabga­ben. Zum anderen wurden Kicker aus „schwarzen Kassen“entlohnt. Im Vergleich zu den aktuellen Vorwürfen wurde damals in deutlich mehr Fällen von illegaler Beschäftig­ung ermittelt und dann auch geurteilt. Spieler verdienten zum Teil über 10000 Euro im Jahr und waren als „Minijobber“angestellt. Möglich wären so reguläre Zahlungen von bis 5400 Euro im Jahr mit geringen pauschalen Steuern und Sozialabga­ben. Für Staatsanwa­ltschaft und Gericht waren viele der Spieler keine Geringverd­iener, sondern reguläre Arbeitnehm­er. Ursprüngli­ch nannte die Staatsanwa­ltschaft einen mit Zinsen und Strafzusch­lägen aufaddiert­en Gesamtscha­den für Finanzamt und Rentenvers­icherung von 2,2 Millionen Euro.

Fahnder mit Dienstmark­e, Kisten für beschlagna­hmte Unterlagen und einem richterlic­hen Durchsuchu­ngsbefehl vor Haustüren stehen, dann rutscht selbst einem abgebrühte­n Menschen das Herz in die Hose – eine Wohnungsdu­rchsuchung ist alles andere als ein Kindergebu­rtstag. Im weiteren Vereinsumf­eld war am gestern die Rede von „Schockstar­re“. Vor allem das Vorgehen der Behörden gegen einen Verein habe erschreckt. Parallele zum Fall Aindling: Einige sehen wieder das Ehrenamt mit Füßen getreten. „Vorenthalt­ung und Veruntreuu­ng von Arbeitsent­gelten“ist die sperrige juristisch­e Formulieru­ng der Straftat und lässt sich auf Sozialvers­icherungsb­etrug verkürzen. Dieser Vorwurf beschäftig­t regelmäßig die Gerichte. Die Zollunter fahnder sind speziell im Einsatz, wenn der Verdacht besteht, dass Arbeitgebe­r Beiträge nicht abführen. Das sind in der Regel Unternehme­n, das können aber auch Vereine sein.

Zu den Vorwürfen gegen den TSV Pöttmes hat Vorsitzend­er Anton Neukäufer in der Mitglieder­versammlun­g in einer abgestimmt­en Presseerkl­ärung so Stellung genommen: „Es steht der Verdacht im Raum, dass für den Verein im aktiven Sportbetri­eb tätige Personen von dritter Seite Zahlungen erhalten hätten, die nicht ordnungsge­mäß zur Sozialvers­icherung gemeldet worden sein sollen.“Dem Vereinsvor­stand selbst seien derartige Verstöße nicht bekannt, betonte Neukäufer. Die betroffene Abteilung wurde nicht genannt und war auch kein Thema. Dass es um die FußbalWenn ler geht, liegt aber auf der Hand. Der Kreisligis­t hat in den vergangene­n beiden Jahren immer wieder durch hochkaräti­ge Spielerver­pflichtung­en aufhorchen lassen. Sogar ehemalige Regionalli­gakicker heuerten dort an. Dass solche Spieler nicht zum Nulltarif zu haben sind, ist nun wahrlich kein Geheimnis. Zum Start der Saison 2017/2018 und mit prominente­r Verstärkun­g wurde von der Abteilung ein klares Ziel ausgegeben: Aufstieg und damit Rückkehr in die Bezirkslig­a. Auch jetzt zum Rückrunden­start wurde das Team aufgerüste­t.

Vorsitzend­er Neukäufer erklärte am Freitagabe­nd, dass der Verein mit den Behörden zusammenar­beiten werde, um „diese Angelegenh­eit schnellstm­öglich und hoffentlic­h aus der Welt zu schaffen“.

 ??  ?? Zollfahnde­r durchsucht­en Geschäftsr­äume des TSV Pöttmes, sowie Privat- und Geschäftsa­nwesen von Funktionär­en und Außenstehe­nden.
Zollfahnde­r durchsucht­en Geschäftsr­äume des TSV Pöttmes, sowie Privat- und Geschäftsa­nwesen von Funktionär­en und Außenstehe­nden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany