Verrannter Pianist
Der Klavierspieler vom Gare du Nord Mathieu hat enormes Talent und kriminelle Absichten
Der Bahnhof Paris-Nord fertigt europaweit die meisten Fahrgäste ab. Groß ist das Gewusel auf den Bahnsteigen. Wie ein seltsamer Ruhepol steht mittendrin ein Klavier, darüber ein Schild mit der Einladung, das eigene Können unter Beweis zu stellen. Am Piano sitzt ein junger Mann und spielt. Und wie er spielt! Pierre Geithner (Lambert Wilson), Leiter der Klassikabteilung des Französischen Konservatoriums, hört gebannt zu. Bis der unbekannte Virtuose vor heraneilenden Polizisten die Flucht ergreift.
Pierre geht dieses Erlebnis nicht aus dem Kopf. Er würde das Ausnahmetalent gern an seine Hochschule holen. Seit Jahren gehen die Immatrikulationen zurück und viel zu lange hat Paris keinen internationalen Wettbewerb mehr gewinnen können. Aber Mathieu Malinski (Jules Benchetrit) lehnt zunächst ab, als ihn Pierre auf dem Bahnhof wiederentdeckt und anspricht. Er entstammt dem kriminellen Milieu und setzt auf Beutezüge statt Bildung.
Als Mathieu geschnappt und zu gemeinnütziger Arbeit verurteilt wird, verschafft ihm Pierre eine Stelle als Putzmann im Konservatorium. Dem Jungen gefällt die Atmosphäre. Und besonders gefällt ihm die süße Studentin Anna (Karidja Touré). Wohl auch ihr zuliebe erklärt sich Mathieu schließlich bereit, ein Studium anzutreten. Die Unterrichtsmethoden der „Gräfin“(Kristin Scott Thomas), einer britischen Klavier-Koryphäe, gehen dem Sturkopf aber auf den Wecker. „Good Will Hunting“grüßt unverkennbar mit seinem Wischmopp aus der Ferne, wenn Regisseur Ludovic Bernard hier Nachwuchsförderung betreibt. Aber natürlich ist die Welt der Musik ungleich attraktiver als die der Mathematik. Auch wenn die Story mitunter sehr plakativ voranschreitet, wiegt die großartige Leistung des jungen Hauptdarstellers Jules Benchetrit den Makel auf.
» Der Klavierspieler vom Gare du Nord (1 Std. 46 Min.), Drama, F 2019 Wertung ★★★✩✩