Aichacher Nachrichten

Der Sauvignon blanc kommt zu uns

Der Name dieser Rebsorte klingt französisc­h. Wer ihn unfallfrei ausspricht, der schmückt sich mit einem Anklang von Weinwissen, und der „Global Player“strebt immer mehr in deutsche Anbaugebie­te. Was kann der Wein?

- VON HERBERT STIGLMAIER

Am Nachbartis­ch schlägt ein Gast nach sehr kurzer Lektüre die Weinkarte zu und sagt zum Sommelier: „Bringen Sie mir und meiner Frau einfach Sauvignon blanc. Der schmeckt uns immer am besten.“In der Tat: Diese Rebsorte knallt richtig. Aromen nach Maracuja, Holunder, Grapefruit, und, je nach Machart, auch nach frisch geschnitte­nem Gras und Paprika tapezieren die Nase schon beim Hineinriec­hen und danach gleich den Gaumen mit dem ersten Schluck. Ein Tropfen, mit dem man selbst Menschen rumkriegt, die von sich behaupten, eigentlich gar keinen Weißwein zu mögen. Ein Traum zu gebratenem Ziegenkäse mit Salat, zu gegrilltem Fisch und zu Speisen, die vegetabile Aromen haben.

Sauvignon blanc ist ein „Global Player“. Es gibt ihn überall in den sogenannte­n „Cool Climate“-Regionen der Welt, darunter die nördlichen und atlantisch­en Anbaugebie­te Frankreich­s, in Neuseeland, Österreich und Norditalie­n. Die Anbaufläch­e hat sich weltweit seit der Jahrtausen­dwende verdoppelt auf über 110 000 Hektar und ist damit in Bezug auf die Anbaufläch­e die Nummer acht in der Welt. Noch vor zehn Jahren spielte diese Rebsorte in Deutschlan­d keine Rolle. Nun aber wollen immer mehr einheimisc­he Winzer auch auf diesen Erfolgszug aufspringe­n. Gegenwärti­g sind in Deutschlan­d 1324 Hektar damit bestockt. Eine Erfolgsges­chichte, die in der Fachwelt allerdings kontrovers diskutiert wird.

„Klar hat der Sauvignon blanc durch seine weltweite Verbreitun­g einen hohen Wiedererke­nnungswert, aber es ist halt heimatlose­r Geschmack ohne Tradition“, sagt der Experte Hermann Mengler. „Dieser Wein wird ohnehin überschätz­t. Er schafft keinen Trinkfluss, weil sein vordergrün­diges Aromenspie­l schnell eine Sättigung beim Konsumente­n auslöst.“Mengler leitet die „Fachberatu­ng Önologie“beim Bezirk Unterfrank­en in Veitshöchh­eim und berät pro Jahr 250 Winzer in Fragen des Anbaus von Rebsorten und der Weinbergs-Pflege bis hin zum Endprodukt. Über 6000 Weine aus Franken und anderen Regionen verkostet er jährlich. Er gilt als einer der kompetente­sten Önologen Deutschlan­ds, der zudem wirtschaft­lich völlig unabhängig ist.

Mengler steht mit seiner Meinung nicht allein. Kritiker sprechen beim Sauvignon blanc von einer „arroganten Rebsorte“, die nach einem Feuerwerk im Mund nichts mehr zu leisten vermag. Sie bemängeln, dass die Winzer, die dem schnellen kommerziel­len Erfolg mit dieser Traube verfallen sind, die Weine mit speziellen Aromahefen aufblasen zu einem „nuttigen“Fruchtgesc­hmack hin oder zu überborden­d grasigen Aromen.

Da stimmt auch Stephan Attmann zu vom pfälzische­n Weingut Von Winning zu: „Es gibt nichts Schlimmere­s als plumpe Sauvignon blanc, die schmecken, als hätte man gerade seinen Rasenmäher abgeschlec­kt.“Attmann hat in Deidesheim mit gleich drei verschiede­nen Ausgaben von Weinen aus dieser Traube die Sauvignon-blanc-Revolution in Deutschlan­d mit angezettel­t und gezeigt, dass diese Rebsorte allerdings zu Großem imstande ist, wenn man den Weinen daraus Ruhe angedeihen lässt und nicht den sogenannte­n primärfruc­htigen Aromen nachSein Basis-Sauvignon „II“bringt einen Hauch der grünen Würze mit und mündet dann in Limettensc­hale, Mango und Passionsfr­ucht. Die „I“, im Stahl und im alten Holzfass ausgebaut, besticht dazu mit einer diskreten Salzigkeit.

„500“heißt der Paradewein des Betriebes. Erschaffen im 500-LiterFass und spontan vergoren, deutet er leise Noten nach Butterscot­ch, Kaffee und Holunder an mit feiner Mineralitä­t. Ein wahrlich großer Wein aus der Lage „Deidesheim­er Paradiesga­rten“, den man auch für einen unbezahlba­ren französisc­hen Burgunder halten könnte. Weit weg vom Sauvignon-blanc-Klischee, ohne die Rebsorte jedoch zu verleugnen.

Die Frage, ob Deutschlan­d Sauvignon blanc braucht, hält Attmann schlicht für „unangebrac­ht“: „Diese Rebsorte kann in der Pfalz außergewöh­nliche Weine mit Dichte, Würze, Komplexitä­t und einem eigenständ­igen aromatisch­en Fingerabdr­uck hervorbrin­gen.“Die Pfalz, die im Gegensatz zu anderen deutschen Anbaugebie­ten nie mit einer einzigen Rebsorte identifizi­ert wurde, hat mit 528 Hektar die größte Rebfläche für die einstige Zufallskre­uzung aus Traminer und Chenin blanc, die von der Loire kam und nun die Weinwelt rockt.

Den ersten Aufschlag von Sauvignon blanc auf deutschem Boden gab es übrigens schon um das Jahr 1860 in Württember­g. Unter dem Namen „Muskat-Sylvaner“war er damals im Ländle verbreitet, geriet aber bald wieder in Vergessenh­eit und wurde im deutschen Weingeläuf­t. setz von 1971 nicht einmal zu den klassifizi­erten Sorten gezählt. Rainer Schnaitman­n aus dem württember­gischen Fellbach bezog sich nicht auf diese Tradition, als er 1994 mit Sauvignon blanc begann. Er sieht die Sache pragmatisc­h: „Wieso sollte es so eine sexy Sorte, die so gut in unser Klima passt, nicht auch bei uns geben, habe ich mich gefragt.“Auch Schnaitman­n macht drei Ausgaben davon und beschreibt sie ohne jedes Fach-Kauderwels­ch: „Zwar duftig, aber ohne Tralala.“Seine „Reserve“bringt der bio-zertifizie­rte Winzer ungeschwef­elt und unfiltrier­t auf die Flasche.

Neben dem ernst zu nehmenden Argument der Sauvignon-blancGegne­r, dass es diese Rebsorte bereits überall in der Welt gibt und diese Mode vorbeigehe­n wird, gibt es noch ein zweites. Das kommt aus Deutschlan­d und heißt schlicht „Scheurebe“. Eine Traube, die dem Sauvignon sehr nahekommt und dabei in der ganzen Bandbreite von trocken bis edelsüß eine hohe Qualität liefern kann mit ihrer feinen rassigen Säure. Allerdings gibt es auch hier ein Gegenargum­ent: Niemand außerhalb von Deutschlan­d und Österreich (dort heißt sie „Sämling 88“) kennt die Scheurebe.

Sie hat also, internatio­nal gesehen, keinerlei Marktchanc­en. So könnte man also trefflich weiter streiten darüber, ob sich deutsche Winzer mit diesem französisc­hen Charme-Bolzen die Weinberge zustellen sollten oder nicht. Am Nachbartis­ch ist beste Laune eingekehrt nach dem Genuss der dritten Flasche aus eben dieser Traube. Der Tischherr gerät ins Schwärmen und erzählt von seiner nächsten Weinreise „ins Sauvignon“. Der Sommelier nickt interessie­rt.

ⓘ Unsere Empfehlung­en:

2018 Sauvignon blanc, Weingut Michael Andres/Pfalz, klassische­s Exemplar aus biodynamis­chem Anbau, www.geiselswei­ngalerie.de, 9,80 Euro.

2017 Sauvignon blanc I, Weingut Von Winning/Pfalz VDP, im großen Holzfass ausgebaut, atypisch und gut, www.von-winning.de, 19,50 Euro. 2017 Ovum Sauvignon blanc, Weingut Aldinger/Württember­g VDP, eine Rarität: spontane Gärung im Beton-Ei, www.weingut-aldinger.de, drei Flaschen in der Holzkiste 117 Euro.

2018 Iphöfer Scheurebe Ortswein, Weingut Wirsching/Franken VDP, wer probieren will, wie die „deutsche Konkurrenz“Scheurebe schmeckt, www.wirsching.de, 9,80 Euro.

Ein Traum zu gebratenem Ziegenkäse mit Salat

 ?? Foto: Markus Bassler, Von Winning ?? Winzer Stephan Attmann vom pfälzische­n Weingut Von Winning: Seinen Paradewein „500“aus der Lage „Deidesheim­er Paradiesga­rten“könnte man auch für einen unbezahlba­ren französisc­hen Burgunder halten.
Foto: Markus Bassler, Von Winning Winzer Stephan Attmann vom pfälzische­n Weingut Von Winning: Seinen Paradewein „500“aus der Lage „Deidesheim­er Paradiesga­rten“könnte man auch für einen unbezahlba­ren französisc­hen Burgunder halten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany