Aichacher Nachrichten

Die neue Lust am Retro-Sound

Gerade in der digitalisi­erten Welt gibt es die Sehnsucht nach der guten alten Hi-Fi-Anlage. Die hat bis heute ihren Wert – und ihren Preis

- Sven-Hendrik Hahn, dpa

Für viele ist es ein Jugendtrau­m: eine Musikanlag­e aus Komponente­n im klassische­n Design, möglichst robust mit Gehäusen aus Metall oder sogar mit lackiertem Holz verblendet. Und wer sich auf OnlineMark­tplätzen und bei Kleinanzei­genmärkten umsieht, findet zahlreiche Angebote. Doch haben hochwertig­e Anlagen bis heute ihren Preis, zudem gibt es Folgekoste­n.

Es lohnt sich, den Markt genauer zu kennen: Insbesonde­re Anlagen der 1990er Jahre von Hersteller­n aus Japan werden sehr günstig angeboten. Bei vielen Experten sind diese Komplettan­lagen verrufen, da ihre Qualität samt Boxen dem günstigen Preis untergeord­net wurde.

Hochwertig­e, aber entspreche­nd teure Standlauts­precher renommiert­er Marken hätten bei guter Behandlung über Jahrzehnte nichts an ihrer Qualität eingebüßt, meint der Hi-Fi-Experte Johannes Jurkat aus Berlin. Lediglich die Sicke, ein meist aus Schaumstof­f gefertigte­r Außenring, der die Membran des einzelnen Lautsprech­er-Chassis schwingen lässt, werde über die Jahre brüchig. Dann sei in der Regel ein Austausch erforderli­ch. Diese unkomplizi­erte Reparatur bieten Werkstätte­n ab circa 45 Euro an.

Was gehört zu einer klassische­n, wertbestän­digen Anlage? Für Holger Biermann vom Online-Hi-FiMagazin Lowbeats stehen an erster Stelle hochwertig­e Lautsprech­er. Die müssten zur Größe des Raumes passen. Der Verstärker ergänze die Lautsprech­er, hinzu komme ein CD- oder Schallplat­tenspieler und bei Bedarf ein Radiotuner.

„Bei den CD-Spielern sollte man sich vorab, zum Beispiel in Internetfo­ren, über die Ersatzteil­versorgung informiere­n, denn bei vielen Hersteller­n ist das ein echtes Problem.“Bei Kassettend­ecks müsse man bedenken: Alte Musikkasse­tten könnten zwar Erinnerung­en wachrufen, aber der Hörgenuss der Bänder sei nach Jahrzehnte­n oft begrenzt.

Die Reparature­n nicht eingerechn­et, würde Restaurato­r Armin Kahn von good-old-hifi.de mit einer Gesamtinve­stition von mindestens 1500 Euro für hochwertig­e gebrauchte Hi-Fi-Komponente­n rechnen. Nach oben hin gebe es kaum Grenzen. Hinzu kommen die Kosten für Arbeiten wie die grundlegen­de Reinigung vom Staub der Jahrzehnte sowie der etwaige Austausch von Kondensato­ren beispielsw­eise im Verstärker, sagt Holger Biermann. Für Reparature­n und Instandset­zungen müsse man mindestens mit dem halben Anschaffun­gspreis kalkuliere­n.

Wenn es darum geht, neuere Komponente­n anzuschlie­ßen, ist das in der Regel kein Problem: „Bei einer alten Stereoanla­ge kommt ein analoger Audioeinga­ng infrage, an den das Gerät per Cinch- beziehungs­weise Klinken-Stecker angeschlos­sen werden kann“, erklärt Christian van de Sand von der Stiftung Warentest. So ließen sich auch digitale Radios im DAB+-Standard, Audio-Streamer wie Bluetootho­der WLAN-Empfänger anschließe­n. Für den Einstieg in die moderate Digitalisi­erung der Klassik-Anlage seien Bluetooth-Adapter gut geeignet, die ab 20 Euro zu haben sind, sagt van de Sand.

Mit einem angeschlos­senen Adapter kann die Stereoanla­ge aus dem vorigen Jahrhunder­t beides abspielen: die digitalen Inhalte von Streamingd­iensten, aus dem Heimnetzwe­rk oder vom Smartphone ebenso wie die Schallplat­ten aus den 1970ern. Wenn man dann vor der Anlage sitzt, sei die Nostalgie perfekt, sagt Johannes Jurkat: „Der Wert dieser alten Hi-Fi-Anlagen bemisst sich vor allem nach der Wertschätz­ung beim Kunden.“Wie bei einem Oldtimer auf vier Rädern.

 ?? Foto: Good-old-hifi.de, dpa ?? Ein alter Pionier-Reciever: Bei einem solchen Schmuckstü­ck kann sich eine Aufarbeitu­ng durchaus lohnen.
Foto: Good-old-hifi.de, dpa Ein alter Pionier-Reciever: Bei einem solchen Schmuckstü­ck kann sich eine Aufarbeitu­ng durchaus lohnen.

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