Die Seelenlandschaften der Dichterin
Ausstellung Im Haus St. Ulrich zeigt die Künstlerin Marlis Glaser ihre Gemälde zu Gedichten von Else Lasker-Schüler
Und immer wieder Zypressen. Als zugeneigtes Baum-Paar, als dialogisches Gegenüber, als Begegnung. Die oberschwäbische Malerin Marlis Glaser liebt dieses Naturmotiv, seit sie sich mit der Lyrik von Else Lasker-Schüler (1869–1945) beschäftigt. Eine umfangreiche Werkgruppe ist seit 2003 daraus geworden – und sie ist noch nicht an ihr Ende gelangt. So finden sich in ihrer Ausstellung im weitläufigen Foyer von Haus St. Ulrich auch ganz neue Arbeiten aus 2019.
Schon die Dichterin, die vor 150 Jahren geboren wurde, schuf in Worten hoch suggestive Bilder. Etwa in dieser Art: „Nun blühn die Bäume seidenfein / Und Liebe duftet von den Zweigen“oder „Vögel werden Knospen an den Ästen / und Rosen flattern auf“. Lasker-Schülers Sprache bringt Bilder seelischer Landschaften zum Ausdruck. Insofern verbietet es sich von selbst, ihre Bildworte direkt und naturalistisch auf der Leinwand darzustellen. Marlis Glaser – akademisch als Künstlerin ausgebildet in Bremen und Hamburg – mischt stattdessen pastellige Töne an, belässt es bei Umrissen und Andeutungen der Dinge, erschafft in ihren Bildern gewissermaßen durchlichtete Seelenlandschaften, die intuitiv durchwandert werden wollen.
Allenfalls gibt sie Anhaltspunkte mit einem stilisierten Auge, einem Herzen, einem Mund. Oder sie malt einen purpur- und blutroten üppigen Blütenbaum als Inbegriff der glühenden Leidenschaft und vitalen Liebe – direkt bezogen auf ein Gedicht: „Und Else pflanzte einen Baum in Liebe“. Die deutsch-jüdische Dichterin aus Wuppertal-Elberfeld, die 1932 den Kleistpreis erhielt, aber schon 1933 vor den Nazis fliehen musste, starb in Jerusalem. Unermüdlich schuf sie lyrische Bilder für die Liebe. Sogar mit einem alten Tibetteppich („deine Seele, die die meine liebet / ist verwirkt mit ihr im Tibetteppich“) verglich sie die Zuneigung zweier Menschen. Marlis Glaser greift diese Verse auf und verwebt sie ebenso in einem Rausch der Farben und symbolträchtigen Formen. Einige Porträts deutsch-jüdischer Emigranten ergänzen die sehenswerte Ausstellung. Allen voran Else Lasker-Schüler, eine elegante Dame mit wachen Augen, zugewandt und liebreizend. Die Malerin legt übers halbe Gesicht einen blauen Schatten. „Hinter meinen Augen stehen Wasser, die muss ich alle weinen“, sagte die empfindsame Dichterin über sich.
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Vortrag Über Else Lasker-Schüler
spricht am Mittwoch, 19. Juni, um 18.30 Uhr im Haus St. Ulrich der Vorsitzende der Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft, Hajo Jahn, unter dem Titel „Die Verscheuchte“. Am Mittwoch, 26. Juni, 19.30 Uhr, stellen der Schauspieler Klaus Müller und der Tenor Yoed Sorek die Liebeslieder der Dichterin vor; Marlis Glaser erläutert dabei ihre Bilder. Laufzeit der Ausstellung bis 28. Juli, geöffnet Montag bis Samstag 8–20 Uhr, So. 8–14 Uhr. Zur Ausstellung ist auch ein Katalog (190 Seiten) erschienen.