Was Baron Montesquieu am Augsburger Wasser störte
Der Philosoph und Schriftsteller reiste im 18. Jahrhundert durch Deutschland und blieb einige Tage auch in Augsburg. Der Goldene Saal und die Häuser beeindruckten ihn, Lech und Wertach auch. Aber im Wirtshaus ärgerte er sich
Dass der berühmte Reiseschriftsteller Michel de Montaigne die Stadt Augsburg lobend erwähnt hat, ist bekannt. Dass sich aber ein noch viel berühmterer Schriftsteller und Staatsphilosoph, nämlich Baron de Montesquieu, über Augsburg geäußert hat, wurde erst vor wenigen Jahren bekannt, als „Meine Reise durch Deutschland“2014 bei Cotta erschien.
Sein berühmtestes Werk, „De l’esprit des lois – Vom Geist der Gesetze“hat die Grundgesetzgebung zahlreicher Staaten beeinflusst. Die Grundlagen der Gewaltenteilung und der europäischen Aufklärung gehen auf ihn zurück. So besuchte er auf seinen Reisen Staaten und Städte, um deren Verwaltungsformen zu studieren.
1728/29 reiste Montesquieu durch Deutschland und weilte vom 16. bis 23. August 1729 in Augsburg. „Die Stadt ist schön; gut gebaut, breite Straßen, große Häuser. Sie hat vielleicht 20 000 Einwohner, die Hälfte davon sind Bürger. Das Rathaus ist ein recht schönes Baubesonders der Saal.“Er stellt fest, dass die Augsburger Bürger hohe Steuern zu zahlen haben, da sich die Stadt große Ausgaben erlaubt, für Militär, den Unterhalt der Stadt, für Magistrat und Minister – „das alles kostet sehr viel“. Die Augsburger Parität, das heißt, alle städtischen Positionen, sind doppelt besetzt, sodass beide Konfessionen sich nicht benachteiligt fühlen, fand sein Wohlgefallen. So sieht er die Augsburger „viel glücklicher“als die Bewohner anderer Städte!
Das Wasser in Augsburg hat es Montesquieu offenbar besonders angetan: „Die Stadt Augsburg liegt nicht am Lech, ist aber nur eine Viertelstunde Weges davon entfernt. Sie liegt zwischen dem Lech und einem kleinen Fluss namens Wertach. Der Lech mündet in die Donau, was eine gute Verkehrsverbindung für Augsburg darstellt. Es gibt auch einen kleinen Sturzbach, der nahe der Stadt fließt und manchmal viel Unheil anrichtet. Wasser ist in den Häusern von Augsburg nicht rar. In fast jedem Haus gibt es zwei Arten von Wasser: Brunnenwasser oder Wasser aus dem Fluss, das durch eine Pumpe kommt und gegen Entgelt in den Häusern der Stadt verteilt wird. Wenn Sie in einer Herberge oder einer Poststation ein Glas Wasser zu trinken verlangen, bringt man Ihnen schlammiges Wasser zum Händewaschen. Wenn Sie zu verstehen geben, dass es Trinkwasser sein soll, kommt plötzlich der Gastwirt und sagt Ihnen, dass Ihnen das schlecht bekommen wird und dass es besser wäre, wenn Sie Wein oder Bier trinken würden. Da Sie darauf bestehen, bringt man Ihnen ein wenig, aber wirklich sehr wenig, um Ihrem Starrsinn zu genügen. Sobald Sie davon trinken, beginnt das ganze Dorf zu lachen.“
Ihm war wohl nicht klar, was die Einheimischen schon wussten: dass Wasser aus Ziehbrunnen Krankheiten hervorruft. Es gab ja damals noch keine Toiletten, die Notdurft wurde in der Gosse entsorgt und Krankheitserreger konnten somit in das Grundwasser der Ziehbrunnen gelangen. So starben z. B. im August 1854 40 Menschen pro Tag an Cholera. Erst 25 Jahre später, nach mehreren Cholera-Epidemien in Augsburg, wurde von Deutschlands erswerk, tem Hygieniker Max Pettenkofer empfohlen, keimfreies Grundwasser aus dem Stadtwald als Trinkwasser in die Häuser zu pumpen. Das daraufhin entstandene Wasserwerk am Eiskanal mit neu von MAN entwickelten Pumpen ist heute ein technisches und künstlerisches Schaustück erster Güte.
Dass in Augsburg Trinkwasser und das Wasser zum Antrieb von Wasserrädern und Mühlen getrennt transportiert wurde, war zur damaligen Zeit eine Besonderheit. Das Aquädukt an der Freilichtbühne führte das Wasser durch eine Holzwand getrennt in die Stadt. Augsburgs Brunnenmeister waren auch für andere Kenntnisse berühmt: Weil die Stadt höher lag als Lech und Wertach wurden hier früh Techniken zur Hebung des Wassers genutzt. Augsburgs Brunnenmeister brachten es in ihrem Wissen so weit, dass sie europaweit als Experten gefragt waren. Für diese bis heute überlieferte Technik, für sein ausgeklügeltes Kanalsystem und andere Bestandteile der Wasserversorgung bewirbt sich Augsburg wie berichtet um den Welterbe-Titel.