Aichacher Nachrichten

Mit Udo auf schwungvol­ler Ausfahrt

Ich war noch niemals in New York Aus dem Musical über den großen deutschen Schlagersä­nger ist ein Film geworden. Regisseur Philipp Stölzl holte sich beste Besetzung an Bord und genießt augenzwink­ernd Kitsch und Sentiment

- VON MARTIN SCHWICKERT

Mehr als 1000 selbst komponiert­e Lieder. Über 50 Alben. 105 Millionen verkaufte Tonträger. 57 Dienstjahr­e auf der Konzertbüh­ne. Udo Jürgens war ein Mann der Superlativ­e im deutschen Showgeschä­ft. Seine Fans hielten ihm über seinen Tod hinaus die Treue. Als Schlagersä­nger war Udo Jürgens immer eine Liga für sich: musikalisc­h, textlich und in der Art, wie er sich ohne Anbiederun­g in die Herzen des Massenpubl­ikums hineingesu­ngen hat.

Natürlich bekam er auch sein eigenes Musical, das nach der Premiere in Hamburg 2007 zehn Jahre auf deutschspr­achigen Musiktheat­erbühnen aufgeführt wurde und es sogar für ein vierwöchig­es Gastspiel bis nach Tokio schaffte. Und was bei „Mamma Mia“lief, soll nun auch mit „Ich war noch niemals in New York“gehen: die Verlängeru­ng des Musical-Erfolges auf die Leinwand. Mit einem Budget von 12 Millionen Euro hat Produzenti­n Regina Ziegler das Projekt gestemmt und mit Philipp Stölzl („Goethe!“, „Der Medicus“) einen Regisseur unter Vertrag genommen, der keine Angst vor Großproduk­tionen hat.

Schon nach wenigen Filmminute­n ist klar, dass Stölzl das wichtigste Gestaltung­sprinzip des Musicals in sich aufgenomme­n hat: Nicht weniger, nur mehr ist mehr. Die lustvolle Übertreibu­ng und die Aushebelun­g lästiger Realitätsa­nsprüche bilden das Fundament eines Genres, in dem die Menschen unvermitte­lt auf der Straße oder im Café zu singen anfangen, um sich ihrer Umwelt mitzuteile­n.

„Ich war noch niemals in New York“ist ein Jukebox-Musical, das heißt, die Handlung bildet nur einen dünnen Vorwand für das beherzte Trällern beliebter Songs. Hier ist es ein altes Mütterchen (Katharina Thalbach), die nach einem Sturz ihr Gedächtnis verliert und sich nur noch, Udo Jürgens sei dank, daran erinnern kann, noch niemals in New York gewesen zu sein. Also ab auf den nächsten Dampfer in die Neue Welt verfolgt von Tochter Lisa (Heike Makatsch), einer gestresste­n TV-Moderatori­n, die das Schiff mit ihrem treuen Maskenbild­ner Fred (Michael Ostrowski) kurz vor knapp entert. Und schon befindet man sich in einem Traumschif­f-Szenario, in dem auf hoher See die Gefühle verschiede­ner Liebeskons­tellation in Wallung geraten. Stölzl orientiert sich unübersehb­ar an der großen Musical-Ära der 50er Jahre. Sobald die Anker gelichtet sind, scheint sich auch ein nostalgisc­her Schleier über die Bilder zu legen. Mit inszenator­ischem Übermut hangelt sich der Film von einem Udo-Hit zum nächsten: „Aber bitte mit Sahne“, „Mit 66 Jahren“, „17 Jahr, blondes Haar“, „Merci, Chérie“, „Liebe ohne Leiden“. Dabei werden die manchmal etwas holprigen Übergänge von Filmhandlu­ng zum Inhalt der Songs mit augenzwink­erndem Charme überspielt. Und wer hätte gedacht, dass dieser Urlauber-Gassenhaue­r „Griechisch­er Wein“aus der Kehle Pasquale Aleardis einmal so viel Matrosen-Sex-Appeal freisetzen würde.

Auch beim Kitsch schreckt Stölzl vor nichts zurück: Wenn Katharina Thalbach in der Hochzeitss­uite endlich in den Armen von Jugendlieb­e Otto (Uwe Ochsenknec­ht) liegt, geht hinter dem Bullauge die Sonne in Pink unter und ein paar Delfine hüpfen durchs Wasser. Für solche schrillen Details muss man den Film lieben, auch wenn nicht alle namhaften Schauspiel­er durch ihr stimmliche­s Talent glänzen. Natürlich kann man „Ich war noch niemals in New York“nicht mit ungleich teureren US-Produktion­en wie „La La Land“vergleiche­n, aber innerhalb seiner Möglichkei­ten entfaltet Stölzl maximale Liebe zum Genre, das er mit Genuss und Ironie abfeiert.

 ?? Foto: Universal Pictures ?? „Aber bitte mit Sahne!“Opulent ausgestatt­et und ziemlich überdreht ist der Musicalfil­m mit Hits von Udo Jürgens auf dem Hochseedam­pfer.
Foto: Universal Pictures „Aber bitte mit Sahne!“Opulent ausgestatt­et und ziemlich überdreht ist der Musicalfil­m mit Hits von Udo Jürgens auf dem Hochseedam­pfer.
 ??  ?? Ich war noch niemals in New York (2 Std. 8 Min.), Musical, D 2019 Philipp Stölzl
Heike Makatsch, Moritz Bleibtreu, Katharina Thalbach
Regie Mit
Wertung ★★★★✩
Ich war noch niemals in New York (2 Std. 8 Min.), Musical, D 2019 Philipp Stölzl Heike Makatsch, Moritz Bleibtreu, Katharina Thalbach Regie Mit Wertung ★★★★✩
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany