Die Konjunktur-Party geht jetzt zu Ende
Deutschland könnte in eine milde Rezession schlittern. Das ist nach gut neun Jahren Dauer-Booms normal. Doch 2020 soll es schon wieder leicht aufwärtsgehen
Vom deutschen Maschinenbau-Präsidenten Carl Martin Welcker stammt ein treffender Vergleich zur konjunkturellen Lage. Nach seiner Einschätzung ist die Party noch nicht vorbei, aber man sollte nahe am Ausgang tanzen. Dort, so lässt sich das Bild weiter ausmalen, können sich Gäste schnell in Sicherheit bringen, wenn es nach den vielen fetten Jahren seit 2010 bergab geht.
Als Partyschreck und Stimmungstöter werden spätestens die deutschen Statistiker auftreten, wenn sie am 14. November über die Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes im dritten Quartal berichten. Volkswirte gehen davon aus, dass es ab diesem Tag amtlich ist: Demnach würde sich Deutschland in einer, wenn auch milden Rezession befinden. Dann ist es ratsam, noch einmal einen Tanz zu genießen, eingedenk der gigantischen Wirtschaftserfolge. Nun sollten Unternehmer ohne Hektik – wenn sie es nicht ohnehin schon längst getan haben – Vorbereitungen für magere Zeiten treffen. Zur Panik besteht kein Anlass. Denn nach der Prognose der Bundesregierung wird die heimische Volkswirtschaft 2019 insgesamt noch mit mickrigen, aber nicht katastrophalen 0,5 Prozent wachsen. Im kommenden Jahr könnte die Wirtschaft demnach um immerhin bescheidene 1,0 Prozent zulegen.
Die opulenten Jahre sind damit endgültig vorbei, was volkswirtschaftlich betrachtet normal ist. Die Erfahrung vieler Konjunkturzyklen zeigt, dass es immer wieder bergab geht. Dabei dauerte der zurückliegende Aufschwung mit gut neun Jahren ohnehin ungewöhnlich lange an. Dass er schier nicht enden wollte, ja als eine Art Kaugummi-Boom in die Geschichte eingehen wird, liegt in hohem Maße an der Politik der Europäischen Zentralbank. Die EZB hat, um die Schuldenländer zu stützen und den Euro zu retten, ein gigantisches Konjunktur-Dauerfeuer mit Nullzinsen entfacht. Wer zu viel Geld auf Konten parkt und die Wirtschaft nicht ankurbeln will, wird sogar bestraft. Doch selbst eine solch exzessive Geldpolitik kann nicht verhindern, dass Deutschland in die Krise rutscht. Dass hierzulande die Wirtschaft sogar geringer als in anderen europäischen Ländern wächst, hängt mit strukturellen Besonderheiten zusammen. Deutschland ist als extrem exportstarkes Land mehr als andere Staaten vom Wohlergehen der Schlüsselbranchen Maschinenbau und Autoindustrie abhängig. In der Autoindustrie war die Party bereits Ende 2018 vorbei. Die Diesel-Sünder taten sich schwer damit, den strengeren Abgasstandard WLTP zu erfüllen und setzten weniger Autos ab. Viele Fahrzeugkäufer sind verunsichert. Sie wissen nicht, ob sie sich schon ein E-Auto anschaffen sollen, obwohl die Lade-Infrastruktur vielerorts mangelhaft ist. Hinzu kommen die Drohungen von US-Präsident Trump, Strafzölle auf die Einfuhr europäischer Wagen in die USA zu erheben. Was fatal ist: Nun schwächelt auch der Maschinenbau. Produktionsrückgänge und Kurzarbeit sind die Folge. Ist das „besorgniserregend“, wie Kanzlerin Merkel in für sie ungewohnter Zuspitzung gesagt hat? Es ist zumindest ein Warnschuss. Besorgniserregend wird die Situation erst, wenn 2020 die Auftragseingänge deutlicher als bisher einbrechen. Das hängt im hohen Maße davon ab, ob Trump die Handelskonflikte eskaliert oder – wankelmütig, wie er ist – seinen Zornes-Tanz bändigt.
Unsere Maschinenbau- und Autofirmen werden zwar Arbeitsplätze für Leiharbeiter abbauen und Instrumente wie Kurzarbeit nutzen. Sie wollen aber anders als in der knüppelharten Rezession von 1993 mit aller Macht an ihren Stammbelegschaften festhalten. Der nächste Aufschwung kommt ja bestimmt.
Was ist eine Party ohne Tänzer?
Firmen setzen weiter auf ihre Mitarbeiter