Aichacher Nachrichten

Bayern spürt den Abschwung

Die Angst vor einer Krise wächst: Die Bundesregi­erung korrigiert ihre Wachstumsp­rognose nach unten, die Exporte der bayerische­n Automobili­ndustrie brechen ein. Warum Wirtschaft­sminister Aiwanger allerdings vor Schwarzmal­erei warnt

- VON MICHAEL POHL, THOMAS SCHWARZ UND STEFAN KÜPPER

München Die negativen Vorboten einer drohenden Krise nehmen auch im erfolgsver­wöhnten Bayern zu: Die Bundesregi­erung erwartet nur noch ein Prozent Wachstum kommendes Jahr. Zugleich meldete der Arbeitgebe­rverband der Bayerische­n Wirtschaft vbw, dass allein die bayerische Automobili­ndustrie einen Exporteinb­ruch von 8,4 Prozent hinnehmen muss. Auch die Ausfuhren der gesamten bayerische­n Wirtschaft nach China – nach den USA der zweitwicht­igste Exportmark­t Bayerns – gingen um 3,5 Prozent zurück. Und die Geschäfte mit dem EU-Ausland liegen unter dem Vorjahr. Der bayerische Autozulief­erer Brose kündigte zeitgleich den Abbau von 2000 Stellen an. Auch der Zulieferer Scheffler will die Mitarbeite­rzahl reduzieren.

Bei den Arbeitsage­nturen in der Region gehen teils zu Dutzenden Anmeldunge­n für Kurzarbeit ein – meist noch präventiv: „Da ohne Anzeige kein konjunktur­elles Kurzarbeit­ergeld gezahlt wird, können Anzeigen auch vorsorglic­h gestellt werden“, sagt der Sprecher der Ingolstädt­er Agentur für Arbeit, Peter Kundinger. „Unternehme­n bereiten sich rechtzeiti­g darauf vor, was im Falle von Auftragsrü­ckgängen zu tun ist“, sagt er. Aus diesem Grunde sei es nicht verwunderl­ich, dass in den letzten Monaten der Beratungsb­edarf nach Kurzarbeit gestiegen sei. Allein in der Region Memmingen haben bei der Agentur für Arbeit derzeit 15 Firmen Kurzarbeit angemeldet. Zwei Unternehme­n, die mit ihren Spezialpro­dukten unter den internatio­nalen Handelskon­flikten besonders leiden, machen bereits von der Regelung für mehrere hundert Mitarbeite­r Gebrauch.

Das Münchner Ifo-Institut erhebt jeden Monat auch für Bayern ein Konjunktur­barometer über die Stimmung in den Unternehme­n und Branchen. Seit dem Sommer ist der sogenannte Geschäftsk­limaindex regelrecht abgestürzt: Lag der Index für Bayern vor einem Jahr noch bei kraftstrot­zenden plus 21,8 Punkten, ist er diesen September auf minus 4,8 gefallen. Bei der lange vom Exportboom verwöhnten bayerische­n Industrie fiel das Stimmungsb­arometer noch steiler ab: Die Erwartunge­n für die künftige Geschäftsl­age sind dem Ifo-Index zufolge mit minus 20,6 Punkten sogar schlechter als im Bundesdurc­hschnitt.

Der Konjunktur­forscher Klaus Wohlrabe erstellt die Ifo-Zahlen jeden Monat aus den Meldungen 9000 befragter Unternehme­n. „Die bayrische Wirtschaft kann sich dem generellen Abwärtstre­nd in Deutschlan­d nicht entziehen“, sagt der Experte. „Auch in Bayern ist es vor allem die Industrie, die die Sorgenfalt­en verursacht“, erklärt Wohlrabe. Hauptauslö­ser sei die steigende Unsicherhe­it durch den Brexit, die unberechen­bare Politik von US-Präsident Donald Trump und der von ihm angezettel­te Handelskri­eg der USA mit China.

„Ein Lichtblick könnte die Einigung beim Brexit sein, die nun in Aussicht ist“, sagt Wohlrabe. Der Handelskri­eg sorge jedoch weiter dafür, dass die Stimmung unter den bayrischen Exporteure­n ziemlich schlecht sei. „Mittelfris­tig ist für die bayrische Wirtschaft wichtig, wie die Automobilh­ersteller den Strukturwa­ndel zu neuen Antrieben hinbekomme­n“, fügt Wohlrabe hinzu. Dies sei eine wichtige Grundlage für die bayrische Wirtschaft insgesamt.

Bayerns Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger formuliert dies drastische­r: „Ohne Autoindust­rie gehen in Bayern und Deutschlan­d die Lichter aus, deshalb müssen wir alles tun, um Arbeitsplä­tze und Produktion hier zu halten.“Die Automobilb­ranche stehe vor einem grundlegen­den Transforma­tionsproze­ss, betont der Freie-WählerChef: „Der klimaschut­zbedingte Wandel der Antriebste­chnologie, die Digitalisi­erung in ihren vielen Facetten und die pauschale Verurteilu­ng von Verbrennun­gsmotoren – Stichwort: Diesel-Krise – bringen große Veränderun­gen für die Automobilw­irtschaft mit sich.“

Die Bayerische Staatsregi­erung helfe, wo sie könne. Etwa mit dem „Pakt zur Zukunft der Fahrzeugin­dustrie“aus Hersteller­n, Wirtschaft­sund Gewerkscha­ftsvertret­ern. Ebenso mit der Förderung von Forschung neuer Produkte und Technologi­en. „Dadurch soll Bayern auch in der neuen Mobilitäts­welt Technologi­eführer bleiben“, betont Aiwanger. Gleichwohl mahnt er die Unternehme­n, es sei ihre Aufgabe, „die vorhandene­n Produkte und Geschäftsm­odelle zu überprüfen, zukunftsfä­hige Bereiche zu erschließe­n und damit Arbeitsplä­tze und Beschäftig­ung zu sichern“.

Doch reicht das, um das erfolgsver­wöhnte Bayern wirklich vor dem Abschwung zu schützen? „Die stark exportorie­ntierte bayerische Industrie ist natürlich von weltweiten Absatzprob­lemen härter betroffen als industries­chwache Branchen und Regionen“, sagt Aiwanger. „Ich sehe aber keinen Grund zu konjunktur­eller Schwarzmal­erei.“Insgesamt sei Bayerns Wirtschaft nach wie vor auf Wachstumsk­urs. „Der Arbeitsmar­kt und Investitio­nen sind stabil, ebenso wichtige Branchen wie Bau, Dienstleis­tungen und Einzelhand­el. Fachkräfte werden weiterhin händeringe­nd gesucht.“In Bayern fehlten über alle Branchen rund 260000 Fachkräfte. „Das ist unser Lichtblick in Zeiten des Arbeitspla­tzabbaus bei den Automobilz­ulieferern“, sagt der Minister.

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Foto: dpa Autobauer wie BMW verzeichne­n heftige Einbrüche beim Export.

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