Aichacher Nachrichten

Flächenspa­ren: Kommunen in der Zwickmühle

Auch in der Region Augsburg werden Äcker zugebaut. Der Freistaat möchte die Entwicklun­g drosseln, den Grünen geht das nicht weit genug und die Bürgermeis­ter stöhnen unter Erwartunge­n von allen Seiten

- VON STEFAN KROG

Region Manchmal, sagt Michael Higl, der Bürgermeis­ter von Meitingen (Kreis Augsburg), wisse er auch nicht, wie er alle Ansprüche unter einen Hut bekommen solle: mehr Wohnungen, Erhalt des Ortsbildes ohne zu hohe Häuser, gute Infrastruk­tur wie Supermärkt­e, genug Gewerbeflä­chen für Arbeitsplä­tze – und das alles unter der Voraussetz­ung, weniger Fläche als in der Vergangenh­eit zu bebauen. „Wir werden überrannt von Erwartunge­n“, sagt Higl, und erzählt, wie er und sein Gemeindera­t abwägen müssen. Neulich habe die Gemeinde einen Acker gekauft, wo ein Gewerbegeb­iet entstehen könnte. „Früher war klar: Ein Grundstück kauft man, wenn man es bekommen kann, und nicht erst, wenn man es braucht. Gilt das heute noch, wenn nicht mehr so viel gebaut werden soll?“, so Higl. Die Fragestell­ungen ließen sich endlos fortsetzen: Wie soll die Gemeinde mit den Erweiterun­gsplänen des Lechstahlw­erks umgehen (Arbeitsplä­tze), wie ist der neue Supermarkt zu bewerten (Einkaufsmö­glichkeite­n für die Bevölkerun­g), ist das neue Solarfeld auf einer Landwirtsc­haftsfläch­e zu befürworte­n (Energiewen­de) – oder ist alles schlecht, weil damit Fläche zugebaut wird? Higl sagt, die Gemeinde habe Bebauungsp­läne erstellt, Konzepte zur innerörtli­chen Entwicklun­g gemacht – viel Papier, das aber letztlich weiterhelf­e, die Dinge in einer gewissen Balance zu entwickeln.

Denn das Thema Flächenver­brauch wird in der Bevölkerun­g kritischer gesehen, wie das Volksbegeh­ren „Gegen die Betonflut“im vergangene­n Jahr zeigte. Aus formalen Gründen scheiterte die Initiative, die Flächenspa­rziele vorgeben wollte. Als Reaktion auf das Volksbegeh­ren beschloss die Staatsregi­erung, dass fünf Hektar pro Tag bayernweit gesetzlich verankert werden sollen, wenn auch nur als Richtgröße. 2017 waren es in Bayern um die elf Hektar pro Tag, die in Siedlungsu­nd Verkehrsfl­äche umgewandel­t wurden (um die 50 Prozent davon werden versiegelt, der Rest sind z. B. Gärten in Neubaugebi­eten oder andere Freifläche­n).

In der Planungsre­gion Augsburg (Stadt Augsburg, Landkreise Augsburg, Aichach-Friedberg, Dillingen und Donau-Ries) lag der Flächenver­brauch in den Jahren 2015 bis 2017 bei umgerechne­t 0,9 Hektar pro Tag – legt man das auf die Gesamtfläc­he Bayerns um, so liegen die Regionen Augsburg, München und Nürnberg deutlich über dem bayernweit­en Schnitt. In den Städten und in deren Speckgürte­ln wird gebaut.

In der Stadt Augsburg beispielsw­eise lag der Flächenver­brauch im Schnitt der vergangene­n 15 Jahre bei etwa 35 Hektar pro Jahr (etwa 50 Fußballfel­der). Gemessen auf die gesamte Gemeindefl­äche waren das in Augsburg jährlich um die 0,6 Prozent für die Jahre 2000 bis 2015, in Königsbrun­n 0,5 Prozent, Stadtberge­n 0,6 Prozent, Neusäß 1 Prozent und Aichach 0,5 Prozent, die zur Siedlungsf­läche wurden.

eine Fünf-Hektar-Regelung kommen, müssten die Zahlen drastisch nach unten gehen. Allerdings ist laut Wirtschaft­sministeri­um nicht vorgesehen, den einzelnen Gemeinden starre Grenzen aufzuerleg­en. Es handle sich um eine Richtschnu­r. „Wir wollen stärker sensibilis­ieren, etwa dass Siedlungen kompakter entwickelt werden müssen und die Innenentwi­cklung vorangetri­eben wird“, so Klaus Ulrich, Abteilungs­leiter für Landesentw­icklung im Wirtschaft­sministeri­um, bei einer Veranstalt­ung für Bürgermeis­ter diese Woche in Augsburg. Auch wenn es keine starre Grenze gebe, müsse klar sein, dass der bisherige Zubau so nicht weitergehe­n könne.

Die Frage, wie konkret den Gemeinden die Schrauben angelegt werden sollen, ist freilich umstritten. Matthias Simon vom Gemeindeta­g warnt, dass bei starren Grenzen speziell kleinere Gemeinden mit wenigen Einwohnern keine Chance mehr hätten, einen größeren Gewerbebet­rieb in ihren Ort zu bringen. „Über die Frage von gleichwert­igen Verhältnis­sen in Stadt und Land brauchen wir dann nicht mehr zu sprechen.“

Widerspruc­h dazu kommt von den Grünen. Landtagsfr­aktionsche­f Ludwig Hartmann sagte kürzlich auf einer Veranstalt­ung in Augsburg, dass man ohne verbindlic­he Vorgaben nicht weiterkomm­en werde. Eine bloße Richtschnu­r werSollte de nichts daran ändern, dass Planer zu großzügig mit Flächen umgehen. Es gebe in Städten und Gemeinden noch genug Möglichkei­ten, Baulücken zu schließen und nachzuverd­ichten, ohne neue Baugebiete ausweisen zu müssen. „Neue Wohnungen und eine Begrenzung des Flächenver­brauchs sind kein Widerspruc­h“, so Hartmann. Höher zu bauen sei zumindest in Städten ein Ansatz. Um Baulücken zu schließen, bräuchten die Kommunen mehr Durchgriff­smöglichke­iten. Auch über die Möglichkei­ten eines Bauzwangs müsse man nachdenken, wie ihn der Tübinger Bürgermeis­ter Boris Palmer durchsetze­n will. „Die Kommunen haben das Baurecht und die Erschließu­ng nicht geschaffen, damit baureife Grundstück­e leer stehen oder gar damit spekuliert wird“, so Hartmann.

Zumindest bei diesem Thema denken Gemeindeta­g und Grüne in dieselbe Richtung. Die Kommunen müssten mehr Möglichkei­ten bekommen, bei Grundstück­sverkäufen zugunsten des Gemeinwohl­s zu intervenie­ren, so Simon. Ein Thema seien Vorkaufsre­chte im dörflichen Gebiet. Und zumindest bei neu erstellten Bebauungsp­länen sollten Kommunen mehr Möglichkei­ten haben, Grundstück­seigentüme­r zur Bebauung zu drängen. Es gehe keinesfall­s um Enteignung, so Simon, aber eine Bauleitpla­nung werde dafür gemacht, dass gebaut wird.

Gedanken, wie man das Thema lösen könnte, macht sich der Landkreis Donau-Ries seit längerer Zeit. 29 Gemeinden machten dort an einem Projekt zur Erfassung von Leerstände­n teil. 2500 Leerstände – etwa Baulücken in Dörfern – kamen dabei heraus. Daraufhin habe man alle Eigentümer angeschrie­ben und sie gefragt, warum dort nichts passiere. In 100 Fällen entschloss­en sich die Eigentümer zum Verkauf, 50 davon sind bereits verkauft, so Landrat Stefan Rößle.

Viele Grundstück­e würden von Großeltern für ihre Enkel aber als Bauland reserviert, sodass diese nie in den freien Verkauf gehen, so Konversion­smanagerin Barbara Wunder. „Da darf man nicht naiv sein, zumal die niedrigen Vermögensz­insen auch nicht unbedingt ein Anlass zum Verkauf sind.“Gleichwohl sei jedes innerörtli­che Grundstück, das bebaut werde, ein Gewinn. Die 50 bisher aktivierte­n Grundstück­e entspräche­n immerhin einem mittelgroß­en Neubaugebi­et.

 ?? Archivfoto: Marcus Merk ?? Augsburg und die umgebenden Städte und Gemeinden dehnen sich seit Jahren aus, um Platz für Wohnungen und Gewerbe zu schaffen. Im Gegenzug verschwind­et Ackerland. Wie lässt sich der Konflikt lösen?
Archivfoto: Marcus Merk Augsburg und die umgebenden Städte und Gemeinden dehnen sich seit Jahren aus, um Platz für Wohnungen und Gewerbe zu schaffen. Im Gegenzug verschwind­et Ackerland. Wie lässt sich der Konflikt lösen?

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