Wenn Theater zum Härtetest wird
Julius Kuhn ist neues Ensemblemitglied am Staatstheater. Er hat ein besonderes Stück mitgebracht
Oft ist Glück einfach nur der Umstand, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein und dann auch noch die richtigen Leute zu treffen. Julius Kuhn hat das im vergangenen Jahr erlebt, als der Augsburger Intendant André Bücker am Nationaltheater Weimar als Gast inszenierte. Da war Kuhn seit vier Jahren als Schauspieler engagiert – zufrieden, aber doch mit dem Gefühl, dass es für ihn auch noch etwas anderes geben könnte. Und Bücker wusste, dass für die kommende Spielzeit am Staatstheater Augsburg noch ein Schauspieler gesucht wird. So sitzt Julius Kuhn nun in einem Augsburger Café, spielt mit dem Beutel seines Tees im Becher und strahlt einfach nur.
Sein Einstand am Staatstheater ist ja auch denkbar gelungen. In „Luzid“, jenem raffinierten Familienstück in der Brechtbühne, spielt er den jungen Lucas, der sich immer mehr in seinen Klarträumen verliert. Erst vom Ende her lässt sich das Stück verstehen, und so komplex und manchmal auch verwirrend dies für die Zuschauer ist, so groß ist die Herausforderung für die Schauspieler. „Ich muss unglaublich aufpassen, dass ich immer in der Perspektive der Figur bleibe“, erklärt Julius Kuhn. Sonst könne es durchaus passieren, dass er mit seinem Wissen um das Ende etwas vorwegnähme. Das erfordere hohe Konzentration, eröffne aber durch den ständigen Wechsel zwischen Traum und Wirklichkeit auch tolle Möglichkeiten. „Denn eine Traumszene muss man natürlich ganz anders spielen.“
Das Engagement am Staatstheater Augsburg ist für den in Braunschweig geborenen Julius Kuhn nun fast so etwas wie eine Heimkehr. In seiner Kindheit zog die Familie nach Ingolstadt. Seine Begeisterung für die Bühne entdeckte er hier als Statist des Stadttheaters. „Ich war sofort elektrisiert. Da gab es coole Kostüme und Requisiten und man konnte im Spiel etwas ausleben, das es im normalen Leben nicht gab“, erinnert sich Kuhn an diese Zeit. „Diese Atmosphäre hat etwas mit mir gemacht“. In fünf Theaterklubs gleichzeitig sei er während des Abiturs Mitglied gewesen und es gab keinerlei Zweifel, für welchen Beruf er sich entscheiden würde. Am Mozarteum in Salzburg bestand er die Aufnahmeprüfung und kam am Ende der Ausbildung an das Nationaltheater Weimar. Der Praxistest für die angehenden jungen Schauspieler war für viele eine Ernüchterung. „Weil sie große Ideale haben und dann sehen, dass es auch kleine Rollen und statt Shakespeare auch Weihnachtsmärchen gibt“, weiß Julius Kuhn.
Kuhn bekam im Anschluss an das Praktikum ein Engagement am Nationaltheater in Weimar. Eine Inszenierung von dort hat er nach Augsburg mitgebracht, Stefan Hornbachs Monolog „Der Schwalbenkönig“. Es ist ein Klassenzimmerstück, mit dem er direkt in die Schulen geht. Er schlüpft darin in die Rolle des Profifußballers Philip, der in der Zweiten Bundesliga spielt und von seiner Karriere erzählt. Es geht um Freundschaft, Mobbing, Homosexualität und Leistungsdruck.
Dass es für Kuhn „der Härtetest“ist, liegt aber nicht an diesen Themen, sondern daran, dass das Stück mit der „Verabredung Theater“spielt. „Die Schüler werden nicht vorbereitet und glauben, dass ich tatsächlich dieser Philip bin, der ihnen etwas über sein Leben erzählt.“Autogrammwünsche und Selfies mit Fußballern gebe es am Schluss öfters. Erst im Nachgespräch verrate er, wer er tatsächlich sei. „Da kann man es sich nicht einfach bequem machen, da geht es um hop oder top, weil man sich nicht durchretten kann“, ist seine Erfahrung, nachdem er mit der Inszenierung schon quer durch Thüringen getourt ist. Doch das gefällt Julius Kuhn, dafür ist er Schauspieler geworden. „So ist Theater, es kann alles passieren, das wird nie langweilig.“
In Augsburg hat er sich schon gut eingelebt, hat eine kleine Wohnung in der Nähe des Gaswerks gefunden und freut sich, dass seine Eltern nun öfter zu seinen Aufführungen kommen können. Familie ist ihm wichtig, möchte er gern selbst einmal haben. „An den Kollegen im Ensemble habe ich gesehen, dass das auch im Theater möglich ist“, freut er sich. Wie es scheint, ist Julius Kuhn wieder mal am richtigen Ort gelandet. ⓘ
Luzid wieder am Samstag, 19. Oktober, um 19.30 Uhr in der Brechtbühne im Gaswerk; im Anschluss gibt es ein Nachgespräch mit Christine Laubmeier und Christa Röger-Emerich (Ev. Beratungsstelle) sowie Regisseur David Ortmann.