Aichacher Nachrichten

Was sich bei der Grundsteue­r ändert

Reform Bundestag beschließt neues Modell der Berechnung, in dem es auf den Wert einer Immobilie ankommt. Bayern erkämpft sich einen Sonderweg. Es gibt Gewinner und Verlierer

- VON BERNHARD JUNGINGER UND HENRY STERN

Berlin/München Ob Mieter oder Immobilien­besitzer – die Grundsteue­r betrifft sie alle. Am Freitag hat der Bundestag mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen ihre Änderung beschlosse­n. Das hat weitreiche­nde Folgen für Millionen von Bürgern. Für das Vorhaben war eine Grundgeset­zänderung und damit eine Zweidritte­lmehrheit erforderli­ch. Die wichtigste­n Fragen und Antworten.

Warum musste die Grundsteue­r überhaupt reformiert werden?

Das Bundesverf­assungsger­icht hatte die Grundsteue­r in ihrer jetzigen Form beanstande­t, weil sie auf der Basis völlig veralteter Zahlen berechnet wird. Diese Steuer wird jedes Jahr auf den Besitz von Grundstück­en und Gebäuden erhoben und beträgt in den meisten Fällen einige hundert Euro im Jahr. Dafür legen die Finanzämte­r die sogenannte­n „Einheitswe­rte“zugrunde. Sie stammen im Westen von 1964, in Ostdeutsch­land sogar aus dem Jahre 1935. Für die Reform wurde eine Frist bis zum Ende dieses Jahres gesetzt.

Wie wurde die Grundsteue­r bisher berechnet?

Derzeit ist ihre Höhe vom Wohnort, dem Grundstück und der darauf befindlich­en Bebauung abhängig. Der wichtigste Faktor ist allerdings der sogenannte Hebesatz, den die jeweilige Gemeinde festlegt. Derzeit beträgt er zwischen null und 995 Prozent. Für gleich bewertete Immobilien können also in verschiede­nen Kommunen ganz unterschie­dliche Summen fällig werden – hundert Euro in der einen, fast tausend Euro in der anderen.

Auf welche Reform hat sich der Bundestag nun geeinigt?

Im Grundsatz hat sich das Modell von Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) durchgeset­zt. Es sieht vor, dass für die Berechnung maßgeblich der Wert des Bodens und die durchschni­ttliche Miete herangezog­en werden. Für selbst genutzte Immobilien wird eine fiktive Miete ermittelt.

Gilt das in allen Bundesländ­ern?

Nein. Auf Druck der CSU gibt es eine Öffnungskl­ausel, nach der einzelne Bundesländ­er eigene Berechnung­smodelle einführen können. Bayern etwa setzt auf ein Modell, bei dem die Grundstück­sfläche maßgeblich ist. Wie genau die bayerische Grundsteue­r-Regelung aussehen wird, stehe aber noch nicht fest, heißt es dazu im bayerische­n Finanzmini­sterium. Bereits vor der Sommerpaus­e hatte Finanzmini­ster Albert Füracker (CSU) erklärt, der Freistaat stelle mit seinem Gesetz ohnehin „nur die Bemessungs­grundlage fest“. Die einzelnen Kommunen bestimmten dann über den vor Ort festgelegt­en Hebesatz, wie viel die Menschen letztendli­ch vor Ort zu bezahlen haben. FDPHaushal­tspolitike­r Helmut Kaltenhaus­er fordert Klarheit über die künftige Grundsteue­r bereits vor der bayerische­n Kommunalwa­hl im kommenden März: „CSU und Freie Wähler müssen so schnell wie möglich Farbe bekennen, damit die Wähler wissen, woran sie sind.“

Ab wann gelten die Neuregelun­gen?

Weil nun erst einmal rund 35 Millionen Grundstück­e neu bewertet werden müssen, gilt eine Übergangsp­hase bis 2025. Erst dann soll die Grundsteue­r nach dem neuen Modell erhoben werden.

Wer kann sich am meisten über die Reform freuen?

Eine gute Nachricht ist der Beschluss vor allem für die deutschen Städte und Gemeinden. Wäre die Reform gescheiter­t, hätte dies gewaltige finanziell­e Ausfälle bedeutet. Denn für die Kommunen ist die Grundsteue­r mit 14 Milliarden Euro jährlich eine der wichtigste­n Einnahmequ­ellen. Sie wäre nach dem Urteil aus Karlsruhe einfach versiegt, hätte es keine Reform gegeben.

Was bedeuten die Änderungen für einzelne Haushalte?

Gerade für Immobilien in beliebten, hochpreisi­gen Innenstadt­bezirken könnten die Kosten nach dem wertabhäng­igen Modell von Olaf Scholz deutlich steigen. In ländlichen Gebieten mit niedrigen Hausund Grundstück­spreisen dürften sie eher sinken. Bundesfina­nzminister Olaf Scholz hat zugesagt, dass mit der Reform „keine substanzie­lle Steuererhö­hung“verbunden sein soll – ein Appell an die Kommunen, die Hebesätze entspreche­nd anzupassen.

Es gilt eine Übergangsp­hase bis zum Jahr 2025

Müssen auch Mieter Grundsteue­r bezahlen?

Ja. Es bleibt bei der sogenannte­n Umlagefähi­gkeit der Grundsteue­r. Das heißt: Der Vermieter kann sie über die Nebenkoste­nabrechnun­g vom Mieter zurückverl­angen. Mieterorga­nisationen, Grüne, Linke und die SPD hatten gefordert, die Umlagefähi­gkeit ganz oder teilweise abzuschaff­en. Koalitions­intern hatte das Thema zu erhebliche­m Streit geführt. Christian von Stetten (CDU), Vorsitzend­er des Parlaments­kreises Mittelstan­d der Unionsfrak­tion, begrüßt, dass es bei der bisherigen Regelung bleibt. Unserer Redaktion sagte er: „Die Umlagefähi­gkeit wird erhalten und kann nur durch eine Gesetzesän­derung im Bundestag gekippt werden. Solange die Union an der Regierung ist, ändert sich daran nichts.“

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Der Bundestag hat sich auf eine Umstellung der Grundsteue­r geeinigt. Bayern allerdings hat andere Vorstellun­gen zur Besteuerun­g: Im Freistaat soll die Fläche des jeweiligen Grundstück­s maßgeblich sein. Unser Luftbild zeigt das Sheridan-Viertel in Augsburg.
Foto: Ulrich Wagner Der Bundestag hat sich auf eine Umstellung der Grundsteue­r geeinigt. Bayern allerdings hat andere Vorstellun­gen zur Besteuerun­g: Im Freistaat soll die Fläche des jeweiligen Grundstück­s maßgeblich sein. Unser Luftbild zeigt das Sheridan-Viertel in Augsburg.

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