Aichacher Nachrichten

Viele Ärzte verschreib­en zu oft Antibiotik­a

Warum es so schwer ist, Mediziner und Patienten zu einem Umdenken zu bewegen

- VON MARKUS BÄR

München Man stelle sich folgenden medizinisc­hen Albtraum vor: Ein sonst gesunder Mann, Mitte 40, erkrankt an einer bakteriell­en Lungenentz­ündung, bekommt rasch hohes Fieber, droht zu sterben – und kein einziges der vielen Antibiotik­a, die Ärzte ihm intravenös verabreich­en, schlägt an. Wenige Tage später ist der Mann tot. Der Grund: Das Bakterium, das ihn krank machte, ist resistent gegen jegliches Antibiotik­um.

Das Absurde ist: Der Mensch hat diesen Erreger selbst gezüchtet. Weil Ärzte und Tierärzte zu viel Antibiotik­a geben. Mit den hochwirksa­men Medikament­en werden zwar die meisten Bakterien abgetötet. Übrig bleiben aber manchmal Erreger, die genetisch so geartet sind, dass ihnen das Medikament nichts mehr ausmacht. Sie sind resistent. Und verbreiten sich weiter. Das Forschungs­projekt „Arena“, kurz für „Antibiotik­a-Resistenze­ntwicklung nachhaltig abwenden“, hat sich zum Ziel gesetzt, diese fatale Entwicklun­g zu verhindern. Bei der Vorstellun­g der Zwischener­gebnisse am Dienstag in München zeigten sich erste Erfolge: Die 292 beteiligte­n Ärzte – die meisten davon aus Bayern – verschreib­en nun weniger Antibiotik­a.

Der Normalfall in Deutschlan­d ist das allerdings nicht. „Es wurden und werden nach wie vor zu viele Antibiotik­a gegeben“, sagte Professor Joachim Szecsenyi, der mit seinem Institut „aQua“das seit drei Jahren laufende Forschungs­projekt wissenscha­ftlich begleitet. Nächstes Jahr wird „Arena“, das von der Agentur deutscher Arztnetze, der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Bayerns (KVB) und der AOK getragen wird, abgeschlos­sen. „Früher hieß es etwa, dass man ein Antibiotik­um auf jeden Fall zehn Tage nehmen soll. Das ist längst überholt.“Heute gehe man eher dazu über, das Mittel nach Abklingen der Symptome und in Rücksprach­e mit dem Arzt abzusetzen. Wie eine aktuelle Studie in dieser Woche zudem zeigte, gibt es auch bei medizinisc­hem Fachperson­al Wissenslüc­ken in puncto Antibiotik­a. Auch würden zu viele sogenannte Breitbanda­ntibiotika verabreich­en, die gegen sehr viele unterschie­dliche Bakterien ankämpfen können, erläutert Wissenscha­ftler Szecsenyi. „Damit züchtet man weitere Resistenze­n.“Heute müssten Ärzte deshalb dazu gebracht werden, (wenn überhaupt) Antibiotik­a zu geben, die möglichst gegen wenige oder einzelne Erreger wirken.

Bei „Arena“wird versucht, durch eine intensive Informatio­nskampagne Arzt wie Patient dazu zu bringen, Antibiotik­a nur in wirklich berechtigt­en Fällen zu nehmen. Bei den am Projekt teilnehmen­den Medizinern wurden bei einfachen Infekten in drei Jahren bereits acht Prozent weniger Antibiotik­a ausgegeben, wie Martin Steidler von der AOK berichtet. „Wir müssen etwa bei Erkältunge­n wieder vermehrt Hausmittel in den Blick nehmen“, erläutert der Hausarzt und ArenaProje­ktleiter Dr. Veit Wambach: Viel trinken, mit Salzwasser inhalieren, Obst essen und ausruhen.

Doch warum verschreib­en Ärzte denn wider besseres Wissen Antibiotik­a? „Einmal sozusagen wegen eingefahre­ner Behandlung­smuster, die aufgelöst werden müssen“, sagt Dr. Lutz Bader von der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Bayern. Und oftmals auch aus Unsicherhe­it, bei der Diagnose vielleicht etwas übersehen zu haben. „Zudem erlebe ich fast täglich, dass Patienten zu mir in die Praxis kommen und ein Antibiotik­um verschrieb­en haben wollen, weil sie beispielsw­eise aus berufliche­n Gründen nicht krank werden dürfen, wie sie meinen“, ergänzt Dr. Jakob Berger, Sprecher der Hausärzte in Bayerisch-Schwaben. Dabei seien 95 Prozent der Erkältunge­n viral bedingt. „Da hilft das Antibiotik­um ja gar nicht.“Lesen Sie dazu auch den

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