Aichacher Nachrichten

Liegt die Zukunft in Afrika?

Auf dem Kontinent wachsen Bevölkerun­g und Wirtschaft so schnell wie fast nirgendwo auf der Welt. Die Bundesregi­erung wirbt jetzt für Investitio­nen. Doch Deutschlan­d komme 20 Jahre zu spät, sagt Unternehme­r Christian Dierig

- VON MICHAEL KERLER

Berlin/Augsburg Drei- bis viermal im Jahr reist Christian Dierig, 62, nach Westafrika. Sein Unternehme­n ist bekannt für Bettwäsche und Immobilien, ein Standbein ist aber auch der Handel mit Afrika. Die Dierig AG verkauft dort hochwertig­e Damaststof­fe, die in Ostdeutsch­land gewebt werden. In Mali und zum Teil im Senegal werden die Stoffe gefärbt, bestickt und vernäht. Es entstehen teure traditione­lle Gewänder für Männer – sogenannte Boubous, die in der Hitze kühl halten. Afrika ist ein Wachstumsm­arkt für die deutsche Wirtschaft, sagt Christian Dierig. „Wer als Mittelstän­dler dorthin geht, ist aber mutterseel­enallein auf sich gestellt“, kritisiert er. Und seine Kritik richtet sich vor allem an die Bundesregi­erung.

Die Regierung versucht derzeit, die deutsche Wirtschaft zu mehr Engagement in Afrika zu bewegen. Am Dienstag fand in Berlin mit zwölf afrikanisc­hen Partnerlän­dern die Investoren­konferenz „Compact with Africa“statt. Bundeskanz­lerin Angela Merkel warb für Investitio­nen: Afrika habe mehr Chancen als Risiken, sagte die CDU-Politikeri­n im Vorfeld. „Deshalb sollten wir alles daran setzen, mit Afrika zu kooperiere­n.“CSU-Entwicklun­gsminister Gerd Müller hat auf der Konferenz Vereinbaru­ngen für zahlreiche Projekte unterzeich­net, darunter für eine neue Fabrik für Biomen

Schokolade in Ghana und nachhaltig produziert­e Textilien. In einer Sonderinit­iative sollen zudem durch 50 weitere Vorhaben rund 70000 Arbeitsplä­tze und 32000 Lehrstelle­n entstehen. Kern der deutschen Zusammenar­beit mit Afrika ist der im Juni gestartete Entwicklun­gsinvestit­ionsfonds, der mit bis zu einer Milliarde Euro ausgestatt­et ist.

Die afrikanisc­hen Länder gehören mit im Schnitt über fünf Prozent Wachstum im Jahr zu den aufstreben­dsten Volkswirts­chaften der Welt, berichtet der Afrika-Verein der Deutschen Wirtschaft. Die Bevölkerun­g ist jung und wächst stark. „Die wirtschaft­lichen Perspektiv­en in Afrika sind gut“, sagt Anis Azouz, Afrika-Experte der Industrie- und Handelskam­mer Schwaben. Das innerafrik­anische Freihandel­sabkom

AfCFTA soll die Wirtschaft weiter beflügeln. „Von dem zu erwartende­n Aufschwung könnten auch schwäbisch­e Unternehme­r profitiere­n“, sagt Azouz. Auch hier handeln Firmen mit Afrika. Das Geschäft ist aber ausbaufähi­g: Bisher werden nur rund zwei Prozent des deutschen Außenhande­ls mit Afrika abgewickel­t.

Er habe die Menschen in Afrika als tüchtige Leute kennengele­rnt, sagt Unternehme­r Christian Dierig. „Leute, die es dort geschafft haben, bleiben gerne in Afrika und werden nicht fliehen, wenn es nicht sein muss. Der Kontinent ist im Aufbruch, ein großer Teil der Bevölkerun­g will raus aus dem Schlamasse­l.“Was man aber auch wissen muss: Das Rechtsvers­tändnis in Afrika sei unterschie­dlich. „Es gibt ein anderes Verständni­s von Verträgen“, berichtet Dierig. Wenn Kunden nicht zahlen, könnte es sein, dass auch Lieferante­n ungern bezahlt werden. Man sollte ein paar Monate in Afrika verbringen, um Kultur und Kontinent besser verstehen zu können, sagt er.

Der Unternehme­r begrüßt es, dass die Bundesregi­erung Afrika stärker entdeckt. Dierig befürchtet aber, dass die Bemühungen sehr spät kommen. „Deutschlan­d hat Afrika als Investitio­nsland 20 Jahre vernachläs­sigt“, sagt er. China, aber auch Russland hätten das Desinteres­se genutzt. Beide Länder bauen ihre Wirtschaft­sbeziehung­en nach Afrika mit Hochdruck aus. „Wir laufen hinterher“, sagt Dierig.

Um dies zu ändern, müsste die Bundesregi­erung ihr Personal in

Afrika aufstocken, argumentie­rt er. In Afrika gebe es keine Rechtssich­erheit. Umso stärker seien Mittelstän­dler aus Deutschlan­d auf die Unterstütz­ung der deutschen Botschafte­n in den afrikanisc­hen Ländern angewiesen. Hier liegt das Problem: „Es gibt nur wenig Unterstütz­ung deutscher Stellen in Ländern wie Mauretanie­n oder der Elfenbeink­üste“, berichtet Dierig. Die deutsche Botschaft in Mali sei nur dünn besetzt. „Der deutsche Mittelstan­d braucht aber Ansprechpa­rtner vor Ort in Afrika. Wir müssen deshalb mehr für die deutschen Botschafte­n tun; wir sind hoffnungsl­os hintendran“, kommentier­t er.

Und noch eine Lücke gibt es: Für deutsche Mittelstän­dler sei es schwierig, eine Exportkred­itversiche­rung für Afrika zu bekommen, sagt Dierig. Sein Unternehme­n handelt deshalb auf eigenes Risiko mit Afrika. Das ist manchmal fatal: Als in den Wirren des Mali-Konflikts der Laden eines Kunden mit Stoffen aus Augsburg in Brand geriet, konnte der Händler nicht zahlen. Dierig blieb auf dem Schaden sitzen. Eine staatliche Hermes-Bürgschaft würde deutsche Unternehme­r stärker absichern.

Dierig ist nicht allein mit der Kritik: „Schwäbisch­e Firmen bemängeln bei ihrem Afrikaenga­gement die nicht ausreichen­de Rückendeck­ung in Form von Exportvers­icherungen und Investitio­nsabsicher­ungen“, sagt auch IHK-Experte Azouz.

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Foto: Wolfgang Kumm, dpa Handschlag mit Afrika: Die Bundesregi­erung will die Wirtschaft­sbeziehung­en mit den Ländern dort forcieren. Rechts im Bild übrigens die Hand von Kanzlerin Angela Merkel.
 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Christian Dierig fährt seit rund 30 Jahren nach Afrika. Sein Unternehme­n ist dort bereits seit 60 Jahren aktiv.
Foto: Silvio Wyszengrad Christian Dierig fährt seit rund 30 Jahren nach Afrika. Sein Unternehme­n ist dort bereits seit 60 Jahren aktiv.

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