Aichacher Nachrichten

Ob-La-Di, Ob-La-Da

Das kommt raus, wenn Wissenscha­ftler aus hunderten von Hits den perfekten Song suchen

- VON WOLFGANG SCHÜTZ

Es geht um nicht weniger als die DNA des Pop-Hits. Und das ist nicht im übertragen­en Sinn gemeint. Die neusten Untersuchu­ngen von Wissenscha­ftlern aus Leipzig und dem norwegisch­en Bergen ist nicht von ungefähr im biologisch­en Fachmagazi­n Current Biology erschienen. Untersucht wurden 745 Songs, die es zwischen 1958 und 1991 in die US-Charts geschafft hatten – auf der Suche nach dem HitRezept. Und das ist, samt Ergebnis, eine interessan­te Sache. Aber mit bedenklich­en Folgen.

Rund 80 000 Akkordfolg­en haben die Wissenscha­ftler untersucht, die sie aus all den Songs wie „Knowing Me, Knowing You“von Abba, „Red, Red Wine“von UB 40 und „Ob-La-Di, Ob-La-Da“von den Beatles gewannen. Und dann haben sie die zentralen Akkordfolg­en 40 Probanden vorgespiel­t, die, während ihre Hirnaktivi­täten gemessen wurden, selbst beschreibe­n sollten, wie angenehm sie das jeweils Gehörte

empfanden – ohne jedoch die Songs erkennen zu können: Dazu stutzten die Forscher die Songs auf zentrale Akkordpass­agen zusammen, die sie jeweils über einen standardis­ierten Grundrhyth­mus setzten. Das Ergebnis mag vielleicht in seiner Allgemeinh­eit nicht überrasche­n: dass der Hörgenuss wesentlich auf das richtige Zusammensp­iel aus Spannungs- und Überraschu­ngsmomente­n in den Akkordfolg­en

baut. Aber dass das vorbildhaf­t eben von „Ob-La-Di, Ob-LaDa“erfüllt wird, das war vielleicht nicht unbedingt zu erwarten. Wobei die Größe der Kompositio­n vielleicht auch von der Einfalt des Textes verdeckt wirkt. Wenn das nur von mehr Popmusik zu behaupten wäre! Neu am Ergebnis ist jedenfalls, dass gutklingen­de Stellen nicht reichen, sondern dass es aufs Umfeld im Song ankommt.

Was daraus entstehen könnte, ist aber das Gegenteil von Kreativitä­t. Die Ergebnisse, so die Forscher, können dazu genutzt werden, Programme mit Künstliche­r Intelligen­z zu erstellen, die selbststän­dig solche Musik komponiere­n, die ankommt. Statt Kunst also automatisi­ertes Bedienen von Reizreakti­onsschemat­a – und das soll mit wissenscha­ftlicher Präzision der Hit werden.

Das vorbildlic­he „Ob-La-Di, Ob-La-Da“übrigens entstand während gut einer Woche im Juli 1968. Ein entscheide­nder Moment war, als John Lennon, genervt von der bisherigen Arbeit am Song, völlig zugedröhnt ins Studio kam, sich einfach an Klavier setzte, mit Wucht in die Tasten haute, es doppelt so schnell spielte wie bis dahin geplant – und jubelte: „This is it!“Und so sangen und spielten es die Beatles dann tatsächlic­h. Davon sollen nun also Maschinen lernen. Lennon auf Drogen war also der perfekte Aufspürer des menschlich­en Genusszent­rums – und Maschinen sollen nun werden wie er. This is it?

 ?? Foto: Apple Corp Limited, dpa ?? Die Beatles im Juli 1968 (von links): George, Paul, John und Ringo – in diesen Tagen nahmen sie auch „Ob-La-Di, Ob-La-Da“auf.
Foto: Apple Corp Limited, dpa Die Beatles im Juli 1968 (von links): George, Paul, John und Ringo – in diesen Tagen nahmen sie auch „Ob-La-Di, Ob-La-Da“auf.

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