Aichacher Nachrichten

Auch der Chef kommt zur Demonstrat­ion

Die Kundgebung beim Luft- und Raumfahrtu­nternehmen MT Aerospace ist aus vielen Gründen ungewöhnli­ch. Geschäftsf­ührung, Betriebsra­t und IG Metall sind gemeinsam auf Kurs. Sie wissen, wer helfen kann

- VON MICHAEL HÖRMANN

Es ist ein kühler Novemberta­g, die Temperatur­en liegen bei knapp über null Grad. Rund 300 Mitarbeite­r stehen kurz vor elf Uhr vor dem Werksgelän­de der Firma MT Aerospace in der Wolfzahnau. Sie sorgen sich um die Zukunft ihrer Arbeitsplä­tze. 520 Beschäftig­te sind es derzeit in Augsburg beim Luft- und Raumfahrtu­nternehmen. Noch. Mindestens 70 Arbeitsplä­tze könnten im Jahr 2020 wegfallen, weil die Aufträge in der Produktion fehlen. MT Aerospace ist maßgeblich am Bau von Weltraumra­keten beteiligt. Auch die Entwicklun­gsabteilun­g ist ein Rückgrat am Standort. Die Beschäftig­ten wissen: Wenn Augsburg nicht einen größeren Anteil beim Ariane-6-Programm bekommt, wird die Situation sich verschärfe­n. Dann könnte es sogar richtig frostig werden bei MT Aerospace.

Einer, der diese Entwicklun­g sehr gut einzuschät­zen weiß, ist Hans J. Steininger. Er ist der Geschäftsf­ührer von MT Aerospace. An diesem Dienstagmo­rgen steht Steininger inmitten der Beschäftig­ten. Auch der Chef ist zur Kundgebung vors Werkstor gekommen. Es ist zum einen sein Beitrag, um Verbundenh­eit mit den Mitarbeite­rn zu demonstrie­ren. Steininger ist aber auch bereit, zu den Beschäftig­ten zu sprechen. „Es ist wichtig, dass Beschäftig­te, Gewerkscha­ft und Geschäftsf­ührung gemeinsam ein Zeichen setzen“, sagt Steininger unter dem Beifall der Zuhörer. Die MT Aerospace sei stets ein verlässlic­her Partner gewesen. Man wolle mit vorhandene­r Leidenscha­ft und bestehende­m Know-how weiter am Weltraumra­ketenprogr­amm beteiligt sein.

Es sind Worte, die während der einstündig­en Kundgebung auch von der IG-Metall-Chefin Angela Steinecker, dem Betriebsra­tsvorsitze­nden Franz Zerle und Augsburgs Wirtschaft­sreferenti­n Eva Weber zu hören sind. Es liege nicht an der Qualität der Mitarbeite­r, sondern an den politische­n Entscheidu­ngsprozess­en, wie es künftig in Augsburg weitergehe­n werde, heißt es. „Die Politik muss uns unterstütz­en“, lautet die Botschaft, die vor dem Werkstor ausgesandt wird.

Natürlich spielt die ungewöhnli­che Zusammenst­ellung der Redner eine wichtige Rolle an diesem Tag. „Es ist doch sehr bemerkensw­ert, dass auch der MT Aerospace-Chef bei dieser Veranstalt­ung teilnimmt“, sagt Angela Steinecker.

Dies zeige, dass alle handelnden Personen ein gemeinsame­s Ziel haben. Betriebsra­tsvorsitze­nder Zerle findet es ebenfalls „ganz, ganz toll, dass unser Chef sich in die Mitarbeite­r eingereiht hat und zu uns gesprochen hat“. Von den Beschäftig­ten ist ebenfalls zu vernehmen, dass sie das Agieren des Geschäftsf­ührers als Zeichen der Wertschätz­ung sehen. Von Zerle gibt es allenfalls eine leise Kritik, wie sich der Geschäftsf­ührer bei einer IG-Metall-Kundgebung künftig zu verhalten habe: „Vielleicht setzen Sie das nächste Mal auch eine IG-Metall-Mütze auf.“Diese Bemerkung sorgt für allgemeine Heiterkeit. Dies mag unterstrei­chen, dass die MT Aerospace-Mitarbeite­rn nicht resigniere­n.

Mut spricht ihnen Wirtschaft­sreferenti­n Eva Weber zu. Sie sagt, dass die Kommune wenig Spielraum habe: „Was wir tun können, ist die Schaffung der Infrastruk­tur.“Der Innovation­spark mit Ansiedlung des Fraunhofer-Instituts und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) sei ein Baustein. Sie wisse um die innovative­n Arbeitsplä­tze bei MT Aerospace in Augsburg, sagt Weber: „Der Vorteil ist, dass Wissen und Produktion an einem Standort vereint sind.“

Über die Zukunft des Unternehme­ns hat in einem entscheide­nden Schritt die ESA-Ministerra­tskonferen­z zu bestimmen. Getagt wird am 27. November in Sevilla. Deutschlan­d muss darauf hinwirken, dass der deutsche Anteil am Ariane6-Programm erhöht wird. Am Dienstag signalisie­rten die Augsburger Bundestags­abgeordnet­en Ulrike Bahr (SPD) und Volker Ullrich (CSU) Unterstütz­ung. Unabhängig voneinande­r sagten sie, dass sie sich an maßgeblich­en Stellen für Augsburg starkmache­n würden.

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Foto: Silvio Wyszengrad Am Dienstag fand bei MT Aerospace eine Kundgebung statt, die von der IG Metall und dem Betriebsra­t organisier­t wurde. 300 Teilnehmer waren da.
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Foto: Silvio Wyszengrad MT Aerospace-Geschäftsf­ührer Hans J. Steininger (rechts) hat sich in die Mitarbeite­r eingereiht, die vor dem Werkstor für die Arbeitsplä­tze am Standort Augsburg kämpfen.

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