Auch der Chef kommt zur Demonstration
Die Kundgebung beim Luft- und Raumfahrtunternehmen MT Aerospace ist aus vielen Gründen ungewöhnlich. Geschäftsführung, Betriebsrat und IG Metall sind gemeinsam auf Kurs. Sie wissen, wer helfen kann
Es ist ein kühler Novembertag, die Temperaturen liegen bei knapp über null Grad. Rund 300 Mitarbeiter stehen kurz vor elf Uhr vor dem Werksgelände der Firma MT Aerospace in der Wolfzahnau. Sie sorgen sich um die Zukunft ihrer Arbeitsplätze. 520 Beschäftigte sind es derzeit in Augsburg beim Luft- und Raumfahrtunternehmen. Noch. Mindestens 70 Arbeitsplätze könnten im Jahr 2020 wegfallen, weil die Aufträge in der Produktion fehlen. MT Aerospace ist maßgeblich am Bau von Weltraumraketen beteiligt. Auch die Entwicklungsabteilung ist ein Rückgrat am Standort. Die Beschäftigten wissen: Wenn Augsburg nicht einen größeren Anteil beim Ariane-6-Programm bekommt, wird die Situation sich verschärfen. Dann könnte es sogar richtig frostig werden bei MT Aerospace.
Einer, der diese Entwicklung sehr gut einzuschätzen weiß, ist Hans J. Steininger. Er ist der Geschäftsführer von MT Aerospace. An diesem Dienstagmorgen steht Steininger inmitten der Beschäftigten. Auch der Chef ist zur Kundgebung vors Werkstor gekommen. Es ist zum einen sein Beitrag, um Verbundenheit mit den Mitarbeitern zu demonstrieren. Steininger ist aber auch bereit, zu den Beschäftigten zu sprechen. „Es ist wichtig, dass Beschäftigte, Gewerkschaft und Geschäftsführung gemeinsam ein Zeichen setzen“, sagt Steininger unter dem Beifall der Zuhörer. Die MT Aerospace sei stets ein verlässlicher Partner gewesen. Man wolle mit vorhandener Leidenschaft und bestehendem Know-how weiter am Weltraumraketenprogramm beteiligt sein.
Es sind Worte, die während der einstündigen Kundgebung auch von der IG-Metall-Chefin Angela Steinecker, dem Betriebsratsvorsitzenden Franz Zerle und Augsburgs Wirtschaftsreferentin Eva Weber zu hören sind. Es liege nicht an der Qualität der Mitarbeiter, sondern an den politischen Entscheidungsprozessen, wie es künftig in Augsburg weitergehen werde, heißt es. „Die Politik muss uns unterstützen“, lautet die Botschaft, die vor dem Werkstor ausgesandt wird.
Natürlich spielt die ungewöhnliche Zusammenstellung der Redner eine wichtige Rolle an diesem Tag. „Es ist doch sehr bemerkenswert, dass auch der MT Aerospace-Chef bei dieser Veranstaltung teilnimmt“, sagt Angela Steinecker.
Dies zeige, dass alle handelnden Personen ein gemeinsames Ziel haben. Betriebsratsvorsitzender Zerle findet es ebenfalls „ganz, ganz toll, dass unser Chef sich in die Mitarbeiter eingereiht hat und zu uns gesprochen hat“. Von den Beschäftigten ist ebenfalls zu vernehmen, dass sie das Agieren des Geschäftsführers als Zeichen der Wertschätzung sehen. Von Zerle gibt es allenfalls eine leise Kritik, wie sich der Geschäftsführer bei einer IG-Metall-Kundgebung künftig zu verhalten habe: „Vielleicht setzen Sie das nächste Mal auch eine IG-Metall-Mütze auf.“Diese Bemerkung sorgt für allgemeine Heiterkeit. Dies mag unterstreichen, dass die MT Aerospace-Mitarbeitern nicht resignieren.
Mut spricht ihnen Wirtschaftsreferentin Eva Weber zu. Sie sagt, dass die Kommune wenig Spielraum habe: „Was wir tun können, ist die Schaffung der Infrastruktur.“Der Innovationspark mit Ansiedlung des Fraunhofer-Instituts und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) sei ein Baustein. Sie wisse um die innovativen Arbeitsplätze bei MT Aerospace in Augsburg, sagt Weber: „Der Vorteil ist, dass Wissen und Produktion an einem Standort vereint sind.“
Über die Zukunft des Unternehmens hat in einem entscheidenden Schritt die ESA-Ministerratskonferenz zu bestimmen. Getagt wird am 27. November in Sevilla. Deutschland muss darauf hinwirken, dass der deutsche Anteil am Ariane6-Programm erhöht wird. Am Dienstag signalisierten die Augsburger Bundestagsabgeordneten Ulrike Bahr (SPD) und Volker Ullrich (CSU) Unterstützung. Unabhängig voneinander sagten sie, dass sie sich an maßgeblichen Stellen für Augsburg starkmachen würden.