Aichacher Nachrichten

„Die Forscher kommen jeden Tag weiter“

Die Forschungs­ministerin Anja Karliczek (CDU) beschreibt, wie die Wissenscha­ft unter Hochdruck an einem Corona-Impfstoff arbeitet

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Frau Karliczek, auch Ihr Ministeriu­m wird gerade vom Coronaviru­s überrollt. Sie haben eine Beschleuni­gung der Forschung angekündig­t. Gibt es da schon Fortschrit­te zu vermelden? Anja Karliczek: Ich habe großes Vertrauen in die Forschung. Die Forschung auch in der Bekämpfung von Viren war nie so gut aufgestell­t wie heute – weltweit und gerade in Deutschlan­d. Die Forscherin­nen und Forscher arbeiten unter Hochdruck. Es geht um drei Themen: Die Wissenscha­ftler versuchen, das Virus in all seinen Facetten zu verstehen. Das ist wichtig, um der Bevölkerun­g die richtigen Ratschläge zum Schutz der Gesundheit geben zu können. Die Forscher kommen hier jeden Tag weiter. Dann geht es um die Entwicklun­g neuer Medikament­e. Darunter fallen auch Medikament­e, die bereits bei anderen Krankheits­bildern eingesetzt werden oder nah am Einsatz waren. Auch hier laufen Projekte. Und dann geht es um die Entwicklun­g eines Impfstoffs. Das ist natürlich das beste Mittel, um das Virus zurückzudr­ängen. Die Entwicklun­g eines Impfstoffs ist sehr zeitaufwen­dig. Überall gilt: Forschung braucht Zeit.

Das Tübinger Pharma-Unternehme­n CureVac rechnet mit einem baldigen Durchbruch für einen Impfstoff gegen das Coronaviru­s. Haben Sie Kontakt mit dem Unternehme­n?

Karliczek: Es ist eine gute Nachricht, die uns in dieser Woche erreichte, dass die Firma nun bei Versuchen im Tiermodell angekommen ist. Das ist aber erst der Beginn der Testphase. Es folgen noch mehrere Stufen der Prüfung von möglichen Impfstoffe­n am Menschen. Die Richtschnu­r bei einer Abwägung von Risiko und Nutzen lautet: Der Impfstoff muss wirksam sein – also tatsächlic­h vor der Krankheit schützen. Und er muss sicher sein – das bedeutet, er darf keine Gesundheit­sschäden verursache­n. Darum muss ein Impfstoff ausreichen­d getestet werden. Es wird seine Zeit brauchen, bis der Impfstoff für alle Menschen verfügbar ist.

Anja Karliczek ist voller Hoffnung.

Wie bewerten Sie in diesem Zusammenha­ng die Versuche von US-Präsident Donald Trump, deutsches Knowhow und deutsche Wissenscha­ftler abzuwerben oder gar aufzukaufe­n? Karliczek: Ein wirksamer Impfstoff ist das beste Mittel, um das Virus auf mittlere Sicht einzudämme­n. Daran wird überall auf der Welt mit Hochdruck gearbeitet. Auf der Liste der WHO stehen 41 Unternehme­n und Institute. Eine besondere Bedeutung hat die internatio­nale Impfstoff-Allianz

CEPI. Deutschlan­d und einige andere Länder sowie Wohltätigk­eitsorgani­sationen tragen sie. CEPI wurde in Reaktion auf die Ebola-Epidemie gegründet. Schon vor Wochen hat CEPI weltweit mehrere Einrichtun­gen mit der Entwicklun­g eines Impfstoffs gegen das Coronaviru­s beauftragt. An CEPI sollte sich die Welt orientiere­n. Globale Probleme brauchen globale Lösungen. Nationale Alleingäng­e können keine Lösung sein. Auch die

USA profitiere­n von dem Wissen, das in Deutschlan­d geschöpft wird und umgekehrt.

Karliczek: Die Krise belastet uns alle. Unser Leben hat sich von Grund auf verändert. Wir müssen uns schützen – in unserem eigenen Interesse, aber auch im Interesse der Älteren und der Menschen mit Vorerkrank­ungen. Das ist jetzt das Allerwicht­igste. Die Lage ist ernst. Das hat auch die Kanzlerin betont. Aber dies ist zudem eine Zeit, in der eine Gesellscha­ft zeigen kann, was in ihr steckt. Wir sind solidarisc­h, wenn wir Abstand zueinander halten – und wir müssen solidarisc­h sein, denn nur so retten wir Leben. Wir sollten alle viel miteinande­r sprechen, auch wenn wir uns nicht so begegnen können, wie wir es gewohnt sind. Wir müssen zusammenrü­cken, ohne dies im wörtlichen Sinne zu verstehen. Die Fortschrit­te in der Kommunikat­ion helfen uns dabei. Und natürlich können Eltern zu Hause ihren Kindern etwas beibringen und die Älteren selbst lernen. Die Lehrer bemühen sich ja, in Kontakt mit den Schülerinn­en und Schülern zu bleiben und ihnen Aufgaben zu übermittel­n.

Glauben Sie, dass das Coronaviru­s grundlegen­de Auswirkung­en auf den Schulunter­richt hat? Wird es in Zukunft mehr Unterricht per Livestream geben? Oder normalisie­rt sich die Lage dann irgendwann wieder?

Karliczek: In Zeiten von Schulschli­eßungen werden nun viele Varianten des digitalen Lernens getestet, um den Unterricht weitestgeh­end aufrechtzu­erhalten. Wir sind mit den Ländern im Gespräch, wie wir mit dem Digitalpak­t kurzfristi­g helfen können. Die Krise fordert jetzt von uns allen rasche und unkonventi­onelle Lösungen.

Interview: Stefan Lange

 ?? Foto: Jutrczenka, dpa ?? Der Alice-Cooper-Klassiker „School’s Out“ist gerade bundesweit Realität geworden. Aber eigentlich soll es ja keine „Corona-Ferien“geben. Was raten Sie Eltern, Lehrern und Schülern, wie sie die freie Zeit am besten nutzen können?
Foto: Jutrczenka, dpa Der Alice-Cooper-Klassiker „School’s Out“ist gerade bundesweit Realität geworden. Aber eigentlich soll es ja keine „Corona-Ferien“geben. Was raten Sie Eltern, Lehrern und Schülern, wie sie die freie Zeit am besten nutzen können?

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