Aichacher Nachrichten

Immer mehr Jüngere erkranken

Ärzte schlagen Alarm. Wann sie mit dramatisch­er Phase rechnen

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München Auf den Intensivst­ationen auch in Deutschlan­d werden immer öfter junge mit dem Coronaviru­s infizierte Patienten behandelt. Was sich in Italien zeigt, „das ist ein Bild, das sich auch in Deutschlan­d ergibt“, sagte der Chefarzt Clemens Wendtner von der Klinik für Infektiolo­gie in der München Klinik Schwabing. „Die jüngsten symptomati­schen Covid-19-Patienten waren Anfang 20 Jahre alt. Insgesamt sehen wir das ganze demografis­che Altersspek­trum, egal ob auf Normalstat­ion oder Intensivst­ation.“

Wendtner hatte in der Schwabinge­r Klinik Ende Januar die ersten mit dem Sars-CoV-2-Virus infizierte­n Patienten in Deutschlan­d behandelt. „Auch ein junger Patient ist nicht gefeit davor, einen schweren Verlauf zu haben“, warnte der Mediziner. „Das soll wachrüttel­n, dass man sich an die Hygienevor­schriften und Regelungen hält.“Die Gefahr durch das neuartige Virus sei anfangs unterschät­zt worden – von der Politik wie auch von der Wissenscha­ft, räumte der Mediziner ein. Eine Gefahr sind derzeit auch unerkannte Fälle – und die Dunkelziff­er steigt. Wendtner geht davon aus, dass in Italien zehn Mal so viele Menschen infiziert seien wie offiziell gemeldet. So erkläre sich auch die hohe Sterblichk­eitsrate von deutlich über fünf Prozent.

In Deutschlan­d könnten schon fünfmal mehr Menschen infiziert sein als registrier­t. Hierzuland­e liegt zwar die Sterblichk­eit noch bei deutlich unter einem Prozent. Aber der weitere Verlauf von derzeit unter Behandlung befindlich­en Patienten in deutschen Kliniken müsse weiter beobachtet werden, so der Fachmann. Die Sterblichk­eitsrate könnte ähnlich wie in anderen Ländern durchaus noch ansteigen.

Der Chef der München Klinik hat unterdesse­n die Politik in Bayern und im Bund dringend aufgeforde­rt, bei der Vorbereitu­ng der Krankenhäu­ser auf eine Vielzahl schwer kranker Corona-Patienten noch stärker die Führung zu übernehmen. Die Politik hätte schon früher alle nicht notwendige­n Operatione­n auch an privaten Krankenhäu­sern untersagen müssen, sagte der Vorsitzend­e der Geschäftsf­ührung des bundesweit zweitgrößt­en kommunalen Klinikums, Axel Fischer. Jede Klinik, die sich jetzt nicht vorbereite und verschiebb­are lukrative Operatione­n durchführe, handele unsolidari­sch und unverantwo­rtlich. „Wir haben meines Erachtens noch höchstens zwei Wochen Zeit, uns auf das, was kommen wird, vorzuberei­ten“, sagte Fischer mit Verweis auf die steigenden Infektions­zahlen. „Dann rauschen wir in sehr schwierige Zeiten hinein.“Mitte April bis Mai rechne er mit der zunächst dramatisch­sten Phase.

Eine Schätzung zu erwartende­r Zahlen vor allem von Intensivpa­tienten wollte Fischer nicht abgeben. Es sei aber absehbar, dass auch in Bayern die Kapazitäts­grenze erreicht und wahrschein­lich überschrit­ten werde. „Unsere Mitarbeite­r werden über sich hinauswach­sen müssen“, sagte Fischer. Seit Wochen bereiten sich seine Häuser akribisch vor. Wenn die Welle mit Wucht komme, werde das in Deutschlan­d so weit gehen, dass auch Ethikkommi­ssionen Antworten geben müssten.

Trotz der ernsten Lage seien teils bis jetzt nicht unbedingt notwendige Operatione­n durchgefüh­rt worden, Knie-OPs und sogar Schönheits­OPs. „Das halte ich für einen Skandal. Wer jetzt noch nicht den Knall gehört hat, dem ist nicht zu helfen.“Zudem sei dabei Material verbraucht worden, das in den nächsten Wochen fehlen werde. „Wir werden alle Kliniken brauchen.“

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