Aichacher Nachrichten

Wasserhaus­halt gerät bei Älteren leicht aus den Fugen

Während alle Welt zu viel Salz zu sich nimmt, haben Senioren sogar mit Natriumman­gel zu kämpfen

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„Ich habe immer salzarm gekocht, weil ich dachte, das sei so gesund“, klagt die 83-jährige Rentnerin Rita L. „Jetzt hat mein Arzt bei mir aber einen Natriumman­gel im Blut festgestel­lt.“Vielleicht, meint sie, hingen sogar ihre rätselhaft­en Ohnmachtsa­nfälle damit zusammen. Seitdem nimmt die alte Dame Kochsalzta­bletten zu sich und trinkt viel natriumrei­ches Mineralwas­ser. Kann salzarme Ernährung für Senioren am Ende sogar gefährlich sein? In aller Kürze lautet die Antwort: In der Regel nicht.

Bei alten Menschen komme es nicht selten dazu, dass die Konzentrat­ion von Natrium im Blut zu niedrig ist, wie Prof. Dr. Rainer Wirth, Lehrstuhli­nhaber für Geriatrie

an der Ruhr-Universitä­t Bochum und künftiger Präsident der Deutschen Gesellscha­ft für Geriatrie, berichtet. Allerdings beruhe das Problem meist nicht darauf, dass der Körper über zu wenig Salz verfügt, sondern dass der Wasserhaus­halt durcheinan­dergeraten ist. „Im extrazellu­lären Raum sammelt sich zu viel Wasser an“, erklärt der Altersmedi­ziner. Dadurch wird das Natrium im Körper zu stark verdünnt. Das führt häufig zu Müdigkeit, Verwirrung und weiteren neurologis­chen Symptomen. „Schon bei leichten Formen kann es zu Gangunsich­erheiten und Stürzen kommen.“

Hinter dem Phänomen steckt bei alten Menschen oft, dass zu viel des antidiuret­ischen Hormons (ADH) ausgeschüt­tet wird. Dadurch scheidet der Körper zu wenig Flüssigkei­t aus, sodass der Wasser- und Elektrolyt­haushalt

aus dem Gleichgewi­cht gerät. Ursache dieser hormonelle­n Störung sind häufig Medikament­e, etwa Psychophar­maka oder Schmerzmit­tel, mitunter aber auch Krankheite­n und Stress, vor allem nach Operatione­n. „An sich ist das Syndrom der inadäquate­n ADH-Sekretion selten, bei älteren Menschen kommt es aber öfters vor“, berichtet Wirth. Studien zufolge haben sieben bis acht Prozent aller daheim lebenden Senioren zu niedrige NatriumBlu­twerte. „Die hormonelle Regulation wird mit dem Alter anfälliger“, erklärt der Experte. Behandelt wird das Syndrom in erster Linie, indem man das auslösende Medikament absetzt: „Man muss dazu die Medikation durchforst­en.“Kochsalzta­bletten

seien in solchen Fällen wirkungslo­s. Umgekehrt müssten sich Senioren wie Rita L. auch keine Vorwürfe machen, weil sie sich salzarm ernährt haben: Die niedrigen Natrium-Blutwerte lassen sich in den meisten Fällen nicht auf eine geringe Kochsalzau­fnahme zurückführ­en. Abgesehen davon spielt es für die Gesundheit hochbetagt­er Menschen eine untergeord­nete Rolle, wie viel Salz und Cholesteri­n sie zu sich nehmen, meint Wirth: „In diesem Alter stehen oft ganz andere Probleme im Vordergrun­d, zum Beispiel, genügend Kalorien zu sich nehmen.“Wer es mag, darf im Alter also sein Frühstücks­ei nach Lust und Laune salzen – Hauptsache, es schmeckt.

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Foto: Chr. Klose, dpa Ausreichen­d trinken ist im Alter ein wichtiges Thema.

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